lande in privatrechtliche Isolirung des Einzelnen aufzuheben, und das Bezeichnende dieses Rechtsgeistes ist nur erst die Abstraction von dem reicheren Umfange der lebendigen Subjectivität; gerade dieß beweist aber, daß vertiefte Innerlichkeit hier noch keine Rolle spielt; in der Kaiserzeit erst wird das Recht zu der abstracten Atomistik, die den Einzelnen nur als Einzelnen hinstellt, seine Interessen vom Vaterlande trennt und ihm die Zurückziehung in sich zum Troste läßt.
2. Die Culturformen vor der Aufnahme des Griechischen und Orientalischen sind härter und einfacher, als die griechischen, übrigens, namentlich die Tracht, in den Hauptzügen dieselben. Wichtig sind ins- besondere die Formen des Kriegs. Dieses ganz militärische Volk hatte gewiß früher eine straffe soldatische Dressur, als die Griechen, und bildete dann die Taktik zur höchsten Kunst aus. Ein römisches Lager war eine geordnete Stadt, Marsch, Belagerung mit ihren Maschinen, Schlacht- ordnung, Alles gemessen, geschlossen, streng systematisch, aber zugleich höchst beweglich und anschaulich. In den Festen und Spielen liegt der ganze Gegensatz gegen die Griechen am Lichte. In den Gladiatorenspielen spricht sich die blutige Härte und Grausamkeit dieses Volks auf's Widerlichste aus. Der freie Grieche trat in den öffentlichen Spielen selbst auf, sie waren zum Theil gefährlich, aber nicht blutiger Ernst; in Rom metzelten sich Sklaven zur Kurzweil der Zuschauer. Die Saturnalien waren wesentlich Lüftung des Zwangs und Diensts und sprechen ganz die dualistische Natur des Volkes aus. Die griechischen Feste waren nicht Erholung vom Zwang eines düsteren Lebens; Arbeit und Genuß, Werktag und Festtag fiel ihnen so nicht auseinander. Ein Fest, dessen ausdrücklicher Zweck gewesen wäre, Geschäft und Standes-Unterschied zu vergessen, waren auch ihre aus- gelassenen Dionysien nicht. -- Die düstere Größe, der schweigende Ernst des römischen Cultus spricht sich erhaben in den Worten des Horaz aus: dum Capitolium scandet cum tacita virgine pontifex. Die Römer waren abergläubischer, als die Griechen; Wahrsagerei, Zeichendenterei umspinnt Alles, das Geisterhafte des hetrurischen Glaubens hat sich ihnen mit- getheilt; Weihe und Ceremonie gehört zu jedem Geschäfte, jeder Unter- nehmung. Aber wieder verräth sich neben dem Ansatze zum Innerlichen, der auch hierin liegt, der objective Sinn, und zwar in der besondern Bestimmtheit des Politischen und Juristischen, darin, daß ihre Religion wesentlich Religion politischer Zweckmäßigkeit, nicht freie Empfindung, sondern sächlich, nothwendiges Mittel war.
§. 353.
Dieses Volk des Zwecks und der That, dieses wesentlich politische, militärische Volk bietet eine stoffreichere Geschichte dar, als das griechische, und
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lande in privatrechtliche Iſolirung des Einzelnen aufzuheben, und das Bezeichnende dieſes Rechtsgeiſtes iſt nur erſt die Abſtraction von dem reicheren Umfange der lebendigen Subjectivität; gerade dieß beweist aber, daß vertiefte Innerlichkeit hier noch keine Rolle ſpielt; in der Kaiſerzeit erſt wird das Recht zu der abſtracten Atomiſtik, die den Einzelnen nur als Einzelnen hinſtellt, ſeine Intereſſen vom Vaterlande trennt und ihm die Zurückziehung in ſich zum Troſte läßt.
2. Die Culturformen vor der Aufnahme des Griechiſchen und Orientaliſchen ſind härter und einfacher, als die griechiſchen, übrigens, namentlich die Tracht, in den Hauptzügen dieſelben. Wichtig ſind ins- beſondere die Formen des Kriegs. Dieſes ganz militäriſche Volk hatte gewiß früher eine ſtraffe ſoldatiſche Dreſſur, als die Griechen, und bildete dann die Taktik zur höchſten Kunſt aus. Ein römiſches Lager war eine geordnete Stadt, Marſch, Belagerung mit ihren Maſchinen, Schlacht- ordnung, Alles gemeſſen, geſchloſſen, ſtreng ſyſtematiſch, aber zugleich höchſt beweglich und anſchaulich. In den Feſten und Spielen liegt der ganze Gegenſatz gegen die Griechen am Lichte. In den Gladiatorenſpielen ſpricht ſich die blutige Härte und Grauſamkeit dieſes Volks auf’s Widerlichſte aus. Der freie Grieche trat in den öffentlichen Spielen ſelbſt auf, ſie waren zum Theil gefährlich, aber nicht blutiger Ernſt; in Rom metzelten ſich Sklaven zur Kurzweil der Zuſchauer. Die Saturnalien waren weſentlich Lüftung des Zwangs und Dienſts und ſprechen ganz die dualiſtiſche Natur des Volkes aus. Die griechiſchen Feſte waren nicht Erholung vom Zwang eines düſteren Lebens; Arbeit und Genuß, Werktag und Feſttag fiel ihnen ſo nicht auseinander. Ein Feſt, deſſen ausdrücklicher Zweck geweſen wäre, Geſchäft und Standes-Unterſchied zu vergeſſen, waren auch ihre aus- gelaſſenen Dionyſien nicht. — Die düſtere Größe, der ſchweigende Ernſt des römiſchen Cultus ſpricht ſich erhaben in den Worten des Horaz aus: dum Capitolium scandet cum tacita virgine pontifex. Die Römer waren abergläubiſcher, als die Griechen; Wahrſagerei, Zeichendenterei umſpinnt Alles, das Geiſterhafte des hetruriſchen Glaubens hat ſich ihnen mit- getheilt; Weihe und Ceremonie gehört zu jedem Geſchäfte, jeder Unter- nehmung. Aber wieder verräth ſich neben dem Anſatze zum Innerlichen, der auch hierin liegt, der objective Sinn, und zwar in der beſondern Beſtimmtheit des Politiſchen und Juriſtiſchen, darin, daß ihre Religion weſentlich Religion politiſcher Zweckmäßigkeit, nicht freie Empfindung, ſondern ſächlich, nothwendiges Mittel war.
§. 353.
Dieſes Volk des Zwecks und der That, dieſes weſentlich politiſche, militäriſche Volk bietet eine ſtoffreichere Geſchichte dar, als das griechiſche, und
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reicheren Umfange der lebendigen Subjectivität; gerade dieß beweist aber,
daß vertiefte Innerlichkeit hier noch keine Rolle ſpielt; in der Kaiſerzeit
erſt wird das Recht zu der abſtracten Atomiſtik, die den Einzelnen nur
als Einzelnen hinſtellt, ſeine Intereſſen vom Vaterlande trennt und ihm
die Zurückziehung in ſich zum Troſte läßt.
2. Die Culturformen vor der Aufnahme des Griechiſchen und
Orientaliſchen ſind härter und einfacher, als die griechiſchen, übrigens,
namentlich die Tracht, in den Hauptzügen dieſelben. Wichtig ſind ins-
beſondere die Formen des Kriegs. Dieſes ganz militäriſche Volk hatte
gewiß früher eine ſtraffe ſoldatiſche Dreſſur, als die Griechen, und bildete
dann die Taktik zur höchſten Kunſt aus. Ein römiſches Lager war eine
geordnete Stadt, Marſch, Belagerung mit ihren Maſchinen, Schlacht-
ordnung, Alles gemeſſen, geſchloſſen, ſtreng ſyſtematiſch, aber zugleich höchſt
beweglich und anſchaulich. In den Feſten und Spielen liegt der ganze
Gegenſatz gegen die Griechen am Lichte. In den Gladiatorenſpielen ſpricht
ſich die blutige Härte und Grauſamkeit dieſes Volks auf’s Widerlichſte
aus. Der freie Grieche trat in den öffentlichen Spielen ſelbſt auf, ſie
waren zum Theil gefährlich, aber nicht blutiger Ernſt; in Rom metzelten
ſich Sklaven zur Kurzweil der Zuſchauer. Die Saturnalien waren weſentlich
Lüftung des Zwangs und Dienſts und ſprechen ganz die dualiſtiſche Natur
des Volkes aus. Die griechiſchen Feſte waren nicht Erholung vom Zwang
eines düſteren Lebens; Arbeit und Genuß, Werktag und Feſttag fiel ihnen
ſo nicht auseinander. Ein Feſt, deſſen ausdrücklicher Zweck geweſen wäre,
Geſchäft und Standes-Unterſchied zu vergeſſen, waren auch ihre aus-
gelaſſenen Dionyſien nicht. — Die düſtere Größe, der ſchweigende Ernſt
des römiſchen Cultus ſpricht ſich erhaben in den Worten des Horaz aus:
dum Capitolium scandet cum tacita virgine pontifex. Die Römer waren
abergläubiſcher, als die Griechen; Wahrſagerei, Zeichendenterei umſpinnt
Alles, das Geiſterhafte des hetruriſchen Glaubens hat ſich ihnen mit-
getheilt; Weihe und Ceremonie gehört zu jedem Geſchäfte, jeder Unter-
nehmung. Aber wieder verräth ſich neben dem Anſatze zum Innerlichen,
der auch hierin liegt, der objective Sinn, und zwar in der beſondern
Beſtimmtheit des Politiſchen und Juriſtiſchen, darin, daß ihre Religion
weſentlich Religion politiſcher Zweckmäßigkeit, nicht freie Empfindung,
ſondern ſächlich, nothwendiges Mittel war.
§. 353.
Dieſes Volk des Zwecks und der That, dieſes weſentlich politiſche,
militäriſche Volk bietet eine ſtoffreichere Geſchichte dar, als das griechiſche, und
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/255>, abgerufen am 16.07.2024.
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