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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.

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Bild, es ist dunkle, geheimnißvoll ahnende Verwechslung im Völkerglau-
ben. In der Allegorie dagegen weiß ein Subject (oder durch Convenienz
viele) sowohl die Idee, als auch das Bild als Bild und das tertium
als Grund der Verbindung, und versteckt nun, um etwas zum Rathen
zu geben, die Idee in das Bild. Die Idee ist zuerst da, das Bild
wird gesucht und nachträglich herbeigebracht. So verhält es sich auch,
wo ein bereits vorhandenes Symbol in Allegorie herabsinkt. Der Römer
konnte aus dem ägyptischen Käfer, dem Apis den Gedanken herausnehmen
und ihn dann wieder in das Bild des Käfers, Stiers legen, aber eben-
sogut in irgend ein anderes. Allein die Allegorie ist nicht blos verstän-
dig aufgelöstes und wieder zusammengesetztes Symbol, sie nimmt auch
die Form des Mythus an, sie legt sich in ein Bild, das einst Mythus
war oder, wenn das mythische Bewußtsein die Völker nicht verlassen
hätte, Mythus wäre. Das Symbol ist als Bild eine Sache oder ein
Thier. Menschliche Person ist schon Ansatz zum, Person in Handlung
wirklicher Mythus. Die Allegorie nun hat nicht nur einzelne Personen,
wie die Jungfrau mit Anker als Sinnbild der Hoffnung, sondern auch
Handlungen, wie Herkules am Scheidewege. Der Unterschied aber ist
hier derselbe wie im Symbol: dem mythischen Bewußtsein leben seine
Personen, es glaubt an sie und ihre Handlungen, die Allegorie dagegen
weiß, daß sie bloße Bilder sind; es ist dieselbe Entseelung oder Entkör-
perung, dasselbe bloß äußerliche Ineinanderschieben von Idee und Bild,
wie wenn die Form des Symbols gebraucht wird. Die Allegorie mag
diese oder jene, sie mag die Form des ruhenden Gegenstands oder der
in Bewegung gesetzten Menschengestalt umnehmen, sie gibt in beiden
Fällen ihren Bestandtheilen dieselbe unorganische Stellung. Allerdings
kann man, da das Symbol, auch das ächte nämlich, todter ist, als der
Mythus, indem es (ihm selbst unbewußt) nur auf einem kahlen Ver-
gleichungspunkte ruht, während dieser die Bedeutung zur Seele einer
handelnden Person erhebt, die Sache auch so ausdrücken: die Allegorie
ziehe den Mythus, wenn sie seine Form annimmt, zum Symbole her-
unter; denn eben mit der Beseelung ist es ihr nicht Ernst, das Allegorie
bildende Subject behält die Bedeutung in seiner eigenen Seele zurück.
Nur muß man immer hinzusetzen, daß auch das Symbol decomponirt
wird in der genannten Weise. Weit mehr aber gibt sich ebendarum
allerdings die unorganische Natur der Allegorie zu erkennen, wenn sie
mythisch verfährt; denn menschliche Gestalten müssen ihre Seele haben
und die Handlung muß aus dieser fließen; in der Allegorie aber ist ihnen
die Seele ausgeweidet, ein Begriff dafür hineingestopft, sie thun nur
so, als handelten sie, es sind ausgebälgte Puppen; ein Anker wird we-
niger mißhandelt, wo er die Hoffnung vorstellen soll. Da es mit der

Bild, es iſt dunkle, geheimnißvoll ahnende Verwechslung im Völkerglau-
ben. In der Allegorie dagegen weiß ein Subject (oder durch Convenienz
viele) ſowohl die Idee, als auch das Bild als Bild und das tertium
als Grund der Verbindung, und verſteckt nun, um etwas zum Rathen
zu geben, die Idee in das Bild. Die Idee iſt zuerſt da, das Bild
wird geſucht und nachträglich herbeigebracht. So verhält es ſich auch,
wo ein bereits vorhandenes Symbol in Allegorie herabſinkt. Der Römer
konnte aus dem ägyptiſchen Käfer, dem Apis den Gedanken herausnehmen
und ihn dann wieder in das Bild des Käfers, Stiers legen, aber eben-
ſogut in irgend ein anderes. Allein die Allegorie iſt nicht blos verſtän-
dig aufgelöstes und wieder zuſammengeſetztes Symbol, ſie nimmt auch
die Form des Mythus an, ſie legt ſich in ein Bild, das einſt Mythus
war oder, wenn das mythiſche Bewußtſein die Völker nicht verlaſſen
hätte, Mythus wäre. Das Symbol iſt als Bild eine Sache oder ein
Thier. Menſchliche Perſon iſt ſchon Anſatz zum, Perſon in Handlung
wirklicher Mythus. Die Allegorie nun hat nicht nur einzelne Perſonen,
wie die Jungfrau mit Anker als Sinnbild der Hoffnung, ſondern auch
Handlungen, wie Herkules am Scheidewege. Der Unterſchied aber iſt
hier derſelbe wie im Symbol: dem mythiſchen Bewußtſein leben ſeine
Perſonen, es glaubt an ſie und ihre Handlungen, die Allegorie dagegen
weiß, daß ſie bloße Bilder ſind; es iſt dieſelbe Entſeelung oder Entkör-
perung, daſſelbe bloß äußerliche Ineinanderſchieben von Idee und Bild,
wie wenn die Form des Symbols gebraucht wird. Die Allegorie mag
dieſe oder jene, ſie mag die Form des ruhenden Gegenſtands oder der
in Bewegung geſetzten Menſchengeſtalt umnehmen, ſie gibt in beiden
Fällen ihren Beſtandtheilen dieſelbe unorganiſche Stellung. Allerdings
kann man, da das Symbol, auch das ächte nämlich, todter iſt, als der
Mythus, indem es (ihm ſelbſt unbewußt) nur auf einem kahlen Ver-
gleichungspunkte ruht, während dieſer die Bedeutung zur Seele einer
handelnden Perſon erhebt, die Sache auch ſo ausdrücken: die Allegorie
ziehe den Mythus, wenn ſie ſeine Form annimmt, zum Symbole her-
unter; denn eben mit der Beſeelung iſt es ihr nicht Ernſt, das Allegorie
bildende Subject behält die Bedeutung in ſeiner eigenen Seele zurück.
Nur muß man immer hinzuſetzen, daß auch das Symbol decomponirt
wird in der genannten Weiſe. Weit mehr aber gibt ſich ebendarum
allerdings die unorganiſche Natur der Allegorie zu erkennen, wenn ſie
mythiſch verfährt; denn menſchliche Geſtalten müſſen ihre Seele haben
und die Handlung muß aus dieſer fließen; in der Allegorie aber iſt ihnen
die Seele ausgeweidet, ein Begriff dafür hineingeſtopft, ſie thun nur
ſo, als handelten ſie, es ſind ausgebälgte Puppen; ein Anker wird we-
niger mißhandelt, wo er die Hoffnung vorſtellen ſoll. Da es mit der

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[469/0183] Bild, es iſt dunkle, geheimnißvoll ahnende Verwechslung im Völkerglau- ben. In der Allegorie dagegen weiß ein Subject (oder durch Convenienz viele) ſowohl die Idee, als auch das Bild als Bild und das tertium als Grund der Verbindung, und verſteckt nun, um etwas zum Rathen zu geben, die Idee in das Bild. Die Idee iſt zuerſt da, das Bild wird geſucht und nachträglich herbeigebracht. So verhält es ſich auch, wo ein bereits vorhandenes Symbol in Allegorie herabſinkt. Der Römer konnte aus dem ägyptiſchen Käfer, dem Apis den Gedanken herausnehmen und ihn dann wieder in das Bild des Käfers, Stiers legen, aber eben- ſogut in irgend ein anderes. Allein die Allegorie iſt nicht blos verſtän- dig aufgelöstes und wieder zuſammengeſetztes Symbol, ſie nimmt auch die Form des Mythus an, ſie legt ſich in ein Bild, das einſt Mythus war oder, wenn das mythiſche Bewußtſein die Völker nicht verlaſſen hätte, Mythus wäre. Das Symbol iſt als Bild eine Sache oder ein Thier. Menſchliche Perſon iſt ſchon Anſatz zum, Perſon in Handlung wirklicher Mythus. Die Allegorie nun hat nicht nur einzelne Perſonen, wie die Jungfrau mit Anker als Sinnbild der Hoffnung, ſondern auch Handlungen, wie Herkules am Scheidewege. Der Unterſchied aber iſt hier derſelbe wie im Symbol: dem mythiſchen Bewußtſein leben ſeine Perſonen, es glaubt an ſie und ihre Handlungen, die Allegorie dagegen weiß, daß ſie bloße Bilder ſind; es iſt dieſelbe Entſeelung oder Entkör- perung, daſſelbe bloß äußerliche Ineinanderſchieben von Idee und Bild, wie wenn die Form des Symbols gebraucht wird. Die Allegorie mag dieſe oder jene, ſie mag die Form des ruhenden Gegenſtands oder der in Bewegung geſetzten Menſchengeſtalt umnehmen, ſie gibt in beiden Fällen ihren Beſtandtheilen dieſelbe unorganiſche Stellung. Allerdings kann man, da das Symbol, auch das ächte nämlich, todter iſt, als der Mythus, indem es (ihm ſelbſt unbewußt) nur auf einem kahlen Ver- gleichungspunkte ruht, während dieſer die Bedeutung zur Seele einer handelnden Perſon erhebt, die Sache auch ſo ausdrücken: die Allegorie ziehe den Mythus, wenn ſie ſeine Form annimmt, zum Symbole her- unter; denn eben mit der Beſeelung iſt es ihr nicht Ernſt, das Allegorie bildende Subject behält die Bedeutung in ſeiner eigenen Seele zurück. Nur muß man immer hinzuſetzen, daß auch das Symbol decomponirt wird in der genannten Weiſe. Weit mehr aber gibt ſich ebendarum allerdings die unorganiſche Natur der Allegorie zu erkennen, wenn ſie mythiſch verfährt; denn menſchliche Geſtalten müſſen ihre Seele haben und die Handlung muß aus dieſer fließen; in der Allegorie aber iſt ihnen die Seele ausgeweidet, ein Begriff dafür hineingeſtopft, ſie thun nur ſo, als handelten ſie, es ſind ausgebälgte Puppen; ein Anker wird we- niger mißhandelt, wo er die Hoffnung vorſtellen ſoll. Da es mit der

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0202_1848/183>, abgerufen am 21.11.2024.