Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.Hegel in seiner übrigens so trefflichen Darstellung der romantischen Vischer's Aesthetik. 2. Band. 31
Hegel in ſeiner übrigens ſo trefflichen Darſtellung der romantiſchen Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 31
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Hegel in ſeiner übrigens ſo trefflichen Darſtellung der romantiſchen
Kunſtform ſagt (Aeſth. Th. 2. S. 120 ff.), der Kreis der chriſtlichen
Phantaſie verengt, weil der Olymp geſtürzt, die Natur entgöttert ſei,
er ſei unendlich erweitert, weil die ganze Geſchichte der innern Welt
und die ganze äußere bezogen auf ſie nun offen daliege. So kann man
die Sache nur darſtellen, wenn man die weltlich freie moderne Welt-
Anſchauung mit der mittelalterlichen zuſammenfaßt, die wir vielmehr als
zwei geſchiedene Ideale auseinanderhalten. So wenig das Mittelalter den
Olymp ſtürzt, die Natur entgöttert, ſo wenig weiß es die urſprüngliche
Stoffwelt rein zu gewinnen. Es iſt noch weit bis dahin, daß man einſähe,
die Welt als Schauplatz Gottes in der wunderloſen Bewegung des neuen,
von innen überwindenden und befreienden Geiſtes darſtellen heiße Gott
darſtellen. Es braucht noch eines ausdrücklichen Ueberſprungs von ihr
auf eine tranſcendente Welt, um im Endlichen das Unendliche als wir-
kend aufzuzeigen. Nicht die weite Welt, ſondern ein Auszug aus ihr,
den die Sage in Verbindung mit dem Mythus bewerkſtelligt, bildet den
Inhalt dieſes ſchillernden Ideals. So iſt es zunächſt Sage, wenn die
Perſon des Religionsſtifters mit einer Glorie des Wunderbaren umgeben
wird. Von der andern Seite aber wirken dabei orientaliſche und grie-
chiſche Mythen ein und führen, in neuplatoniſcher Philoſophie zuſammen-
gefaßt, dahin, dem Götterſohn eine Präexiſtenz als zweiter Perſon in der
Gottheit beizulegen. Er iſt Wiſchnu, Kriſchna, er iſt Buddha, Mithras,
er iſt Horos, er iſt der von Zeus gezeugte und ſich zur Götterwürde
wieder hinaufkämpfende Herkules. Es iſt wohl einerſeits unendlicher
Fortſchritt, daß die Form des empiriſch wirklichen Menſchen Chriſtus als
Gott angeſchaut, daß ſo „der Anthropomorphiſmus vollendet wird“, wo-
gegen die heidniſchen Religionen „nicht anthropomorphiſch genug“ ſind.
Allein in Wahrheit iſt hier keine Vollendung, ſondern nur ein ſtockender An-
fang der Vollendung des Anthropomorphiſmus. Einſehen, daß der Menſch
die Perſönlichkeit Gottes ſei, iſt unendlicher Fortſchritt, aber daß Ein
imaginärer und doch als real hiſtoriſch vorgeſtellter Menſch es ſei ſtatt in
unendlicher Wechſelergänzung alle wirklichen Menſchen, dieß Meinen iſt
nichts anders, als Buddhaiſmus, der den ungeheuren Sprung einer gren-
zenloſen Confundirung nicht ſcheut und durch den furchtbaren Wider-
ſpruch, ein individuell begrenztes Leben geradezu für das Abſolute zu
nehmen, ebenſo himmelweit hinter den zarten Polytheiſmus der griechi-
ſchen Phantaſie zurückfällt, als er über ſie hinauszugehen den Anſatz ge-
nommen hatte. Im Erlöſungstode ſammelt ſich die vorchriſtliche Opfer-
Idee abſchließend, aber auch bis zur blutigen Sitte der Menſchenopfer
zurückgreifend, zuſammen. Der heilige Geiſt wird dritte Perſon in der
Gottheit; den ganzen Widerſpruch, monotheiſtiſch und doch polytheiſtiſch
Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 31
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