Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.genden welschen Geschmack aus dem Marke der sächsischen Volkspoesie 2. Man nennt die Naturdichtung und Naturmusik nicht näturalistisch; §. 520. 1 Die Erziehung zur eigentlichen, durch technische Bildung vermittelten Kunst genden welſchen Geſchmack aus dem Marke der ſächſiſchen Volkspoeſie 2. Man nennt die Naturdichtung und Naturmuſik nicht näturaliſtiſch; §. 520. 1 Die Erziehung zur eigentlichen, durch techniſche Bildung vermittelten Kunſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <pb facs="#f0112" n="100"/> <hi rendition="#et">genden welſchen Geſchmack aus dem Marke der ſächſiſchen Volkspoeſie<lb/> die beſte Kraft ſog) aus dem franzöſiſchen Garten der falſchen Claſſicität<lb/> ſich zurückwandte.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Man nennt die Naturdichtung und Naturmuſik nicht näturaliſtiſch;<lb/> denn bei dieſem Ausdruck iſt nach feſtgeſtelltem Sprachgebrauch ein Zuſtand<lb/> ausgebildeter Technik vorausgeſetzt und er bezeichnet weder Völker, noch<lb/> Schichten eines Volks, welche durch allgemeinere Culturverhältniſſe dieſem<lb/> Zuſtande ferngerückt ſind, ſondern einzelne Subjecte, die mitten in dem-<lb/> ſelben ſtehen, aber ſich der Schule nicht unterwerfen mögen, ſondern dem<lb/> Glücke des Inſtincts vertrauen. Man darf hier nicht an jene Naturen<lb/> denken, von denen am Schluſſe der Anm. zu §. 487 die Rede war; der<lb/> Naturaliſt hat wirkliche Fülle der Kraft, welche den Uebergang vom innern<lb/> Bilde zur äußern Darſtellung mit Leichtigkeit vollzieht, aber weil er nicht<lb/> lernen mag, hängt eine gewiſſe Naturrohheit auch ſeiner gelungenſten<lb/> Darſtellung an, ſein Werk iſt, weil er ſich er Zufälligkeit der Natur<lb/> überlaſſen hat, heute gut, morgen ſchlecht und ſchließlich gewöhnt er ſich<lb/> doch in gewiſſe Formen ein, die, von keinem Fleiß, Nachdenken und<lb/> Uebereinkommen künſtleriſcher Erfahrung geſchaffen, der todte Niederſchlag<lb/> der urſprünglich warm ſtrömenden Naturkraft ſind. Den vollen Gegen-<lb/> ſatz gegen den Naturalismus bildet die Schulbildung ohne Talent; eine<lb/> andre Schattirung bezeichnet der Ausdruck <hi rendition="#aq">routinier</hi> (hauptſächlich vom<lb/> Schauſpiel hergenommen wie der Ausdruck Naturaliſt): der Routinier hat<lb/> alle techniſchen Kunſtgriffe durch Erfahrung und Geſchicklichkeit, aber ohne<lb/> gründliche Schule und Ernſt des Nachdenkens ſich angeeignet, „hat die<lb/> Sache los“, iſt immer bereit, nicht in Verlegenheit zu bringen, aber auch<lb/> nie tief und bedeutend. — Uebrigens hat der Ausdruck Naturalismus<lb/> noch eine andere, materielle Bedeutung, die in dieſen Zuſammenhang<lb/> gar nicht gehört: dann bezeichnet er den Grundſatz der Naturnachahmung<lb/> in der Kunſt, wie er in beſtimmter geſchichtlicher Form gegenüber einem<lb/> naturloſen Idealismus und der auf bloße Nachahmung vorhandener<lb/> Kunſt-Muſter gegründeten Manier ſich geltend gemacht hat.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 520.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Die Erziehung zur eigentlichen, durch techniſche Bildung vermittelten Kunſt<lb/> nimmt die ganze Kraft des Lernenden in Anſpruch; der Schüler, der ihr ſein<lb/><note place="left">2</note>Leben widmet, unterſcheidet ſich ſtreng vom <hi rendition="#g">Dilettanten</hi>. Vorausgeſetzt iſt<lb/> bei dieſer Erziehung, daß durch das Genie die Technik des Handwerks und<lb/> Spiels ſchöpferiſch über ſich ſelbſt gehoben und ein gewiſſer Inbegriff von <hi rendition="#g">Regeln</hi><lb/> gebildet ſei (vergl. §. 412). Das Genie ſammelt Schüler um ſich, die unter<lb/> ſeiner Leitung in die vorgerückte Technik eingeweiht werden, den Rückblick auf<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0112]
genden welſchen Geſchmack aus dem Marke der ſächſiſchen Volkspoeſie
die beſte Kraft ſog) aus dem franzöſiſchen Garten der falſchen Claſſicität
ſich zurückwandte.
2. Man nennt die Naturdichtung und Naturmuſik nicht näturaliſtiſch;
denn bei dieſem Ausdruck iſt nach feſtgeſtelltem Sprachgebrauch ein Zuſtand
ausgebildeter Technik vorausgeſetzt und er bezeichnet weder Völker, noch
Schichten eines Volks, welche durch allgemeinere Culturverhältniſſe dieſem
Zuſtande ferngerückt ſind, ſondern einzelne Subjecte, die mitten in dem-
ſelben ſtehen, aber ſich der Schule nicht unterwerfen mögen, ſondern dem
Glücke des Inſtincts vertrauen. Man darf hier nicht an jene Naturen
denken, von denen am Schluſſe der Anm. zu §. 487 die Rede war; der
Naturaliſt hat wirkliche Fülle der Kraft, welche den Uebergang vom innern
Bilde zur äußern Darſtellung mit Leichtigkeit vollzieht, aber weil er nicht
lernen mag, hängt eine gewiſſe Naturrohheit auch ſeiner gelungenſten
Darſtellung an, ſein Werk iſt, weil er ſich er Zufälligkeit der Natur
überlaſſen hat, heute gut, morgen ſchlecht und ſchließlich gewöhnt er ſich
doch in gewiſſe Formen ein, die, von keinem Fleiß, Nachdenken und
Uebereinkommen künſtleriſcher Erfahrung geſchaffen, der todte Niederſchlag
der urſprünglich warm ſtrömenden Naturkraft ſind. Den vollen Gegen-
ſatz gegen den Naturalismus bildet die Schulbildung ohne Talent; eine
andre Schattirung bezeichnet der Ausdruck routinier (hauptſächlich vom
Schauſpiel hergenommen wie der Ausdruck Naturaliſt): der Routinier hat
alle techniſchen Kunſtgriffe durch Erfahrung und Geſchicklichkeit, aber ohne
gründliche Schule und Ernſt des Nachdenkens ſich angeeignet, „hat die
Sache los“, iſt immer bereit, nicht in Verlegenheit zu bringen, aber auch
nie tief und bedeutend. — Uebrigens hat der Ausdruck Naturalismus
noch eine andere, materielle Bedeutung, die in dieſen Zuſammenhang
gar nicht gehört: dann bezeichnet er den Grundſatz der Naturnachahmung
in der Kunſt, wie er in beſtimmter geſchichtlicher Form gegenüber einem
naturloſen Idealismus und der auf bloße Nachahmung vorhandener
Kunſt-Muſter gegründeten Manier ſich geltend gemacht hat.
§. 520.
Die Erziehung zur eigentlichen, durch techniſche Bildung vermittelten Kunſt
nimmt die ganze Kraft des Lernenden in Anſpruch; der Schüler, der ihr ſein
Leben widmet, unterſcheidet ſich ſtreng vom Dilettanten. Vorausgeſetzt iſt
bei dieſer Erziehung, daß durch das Genie die Technik des Handwerks und
Spiels ſchöpferiſch über ſich ſelbſt gehoben und ein gewiſſer Inbegriff von Regeln
gebildet ſei (vergl. §. 412). Das Genie ſammelt Schüler um ſich, die unter
ſeiner Leitung in die vorgerückte Technik eingeweiht werden, den Rückblick auf
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