Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
tieferen Rechte der Dreitheilung des Ganzen die Fünftheilung ihr relatives
tieferen Rechte der Dreitheilung des Ganzen die Fünftheilung ihr relatives <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0019" n="179"/> tieferen Rechte der Dreitheilung des Ganzen die Fünftheilung ihr relatives<lb/> Recht erhält. Ueber dieſen Punct hat ſich ſchon die Anm. zu §. 538 aus-<lb/> geſprochen. Der Grund der ſchärferen Scheidung liegt zunächſt, wie ebenda<lb/> gezeigt iſt, im Unterſchiede des Materials, was nach der Auseinander-<lb/> ſetzung §. 534 nicht mehr ſo verſtanden werden kann, als ſtoße dieſes<lb/> dem Künſtler von außen auf, ſondern er wählt ein anderes, weil er<lb/> anders anſchaut, das Material hat alſo ſeine Geltung nur zuſammengefaßt<lb/> mit der Art der Phantaſie, nur als bedingt und ergriffen durch dieſe. Dieß<lb/> iſt nun aber näher zu beſtimmen. Wirft man nämlich einen Blick voraus<lb/> auf die Poeſie und ihre Zweige, ſo unterſcheiden ſich dieſe nicht durch<lb/> das Material, hier richtiger Vehikel, ſondern es iſt ein Unterſchied der<lb/> Stellung des Subjects zum darzuſtellenden Objecte (der Welt), was ſie<lb/> begründet; ebendarum iſt ihre Trennung nicht ſo ſcharf, daß ſie ver-<lb/> ſchiedene Künſte genannt werden könnten. Genauer betrachtet aber ſcheint<lb/> es ſich mit den Unterſchieden der bildenden Kunſt auch ſo zu verhalten, daß<lb/> nicht das Material, ſondern nur die Anſchauung des Künſtlers gewechſelt<lb/> wird: die Plaſtik verarbeitet ſchweres, hartes Material, wie die Baukunſt,<lb/> die Malerei hat es mit erdigen, harzigen und andern Stoffen zu thun,<lb/> die ſie zerreibt und als Farbe auf einer Fläche ausbreitet; alſo überall<lb/> das Feſte, Körperliche, wie in der Poeſie überall die flüſſige Sprache<lb/> und (als eigentliches Material) die Phantaſie des Zuhörers. Allein das<lb/> Weſentliche iſt dieß, daß die Behandlung in jedem Hauptzweige der<lb/> bildenden Kunſt eine ſo verſchiedene iſt, als wäre das Material wirklich<lb/> ein anderes. Was die Malerei betrifft, ſo vergißt man bei ihrem Werke,<lb/> wie die Wand, die Tafel, Leinwand, ſo auch die Farbſtoffe über dem<lb/> Bilde, das in das Auge geworfen wird; was Baukunſt und Plaſtik be-<lb/> trifft, ſo wirkt in jener die körperliche Grundeigenſchaft des Stoffs, Schwere<lb/> und Härte, eben im äſthetiſchen Eindruck als weſentlich geltend, wogegen<lb/> ſie in dieſer unter der warmen, weichen, runden Form, die als Nachbildung<lb/> der Oberfläche einer organiſchen Geſtalt dem Material übergezogen iſt, nur<lb/> noch verdeckt mitwiegt. Und nun allerdings kommt auch in Betracht, daß<lb/> in den beiden letztern Künſten das Material doch nicht ganz daſſelbe iſt,<lb/> indem gewiſſe Steinarten, Bronce u. ſ. w. von der einen nicht ebenſo<lb/> wie von der andern verwandt werden können. Geht man nun von da<lb/> wieder zurück in das Innere als urſprünglichen Grund des Unterſchieds,<lb/> ſo zeigt ſich, daß ſich die Sache auch hier anders verhält, als in der<lb/> Dichtkunſt: die Arten der Phantaſie, welche den Unterſchied der Zweige<lb/> (Künſte) in der bildenden Kunſt begründen, ruhen unbeſchadet der tiefen<lb/> Analogie auf einem andern Eintheilungsgrunde, als die Arten, welche<lb/> den Unterſchied der Zweige der Dichtkunſt beſtimmen. Letztere beruhen, wie<lb/> oben geſagt iſt, auf verſchiedenen Stellungen des Subjects zum Object:<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0019]
tieferen Rechte der Dreitheilung des Ganzen die Fünftheilung ihr relatives
Recht erhält. Ueber dieſen Punct hat ſich ſchon die Anm. zu §. 538 aus-
geſprochen. Der Grund der ſchärferen Scheidung liegt zunächſt, wie ebenda
gezeigt iſt, im Unterſchiede des Materials, was nach der Auseinander-
ſetzung §. 534 nicht mehr ſo verſtanden werden kann, als ſtoße dieſes
dem Künſtler von außen auf, ſondern er wählt ein anderes, weil er
anders anſchaut, das Material hat alſo ſeine Geltung nur zuſammengefaßt
mit der Art der Phantaſie, nur als bedingt und ergriffen durch dieſe. Dieß
iſt nun aber näher zu beſtimmen. Wirft man nämlich einen Blick voraus
auf die Poeſie und ihre Zweige, ſo unterſcheiden ſich dieſe nicht durch
das Material, hier richtiger Vehikel, ſondern es iſt ein Unterſchied der
Stellung des Subjects zum darzuſtellenden Objecte (der Welt), was ſie
begründet; ebendarum iſt ihre Trennung nicht ſo ſcharf, daß ſie ver-
ſchiedene Künſte genannt werden könnten. Genauer betrachtet aber ſcheint
es ſich mit den Unterſchieden der bildenden Kunſt auch ſo zu verhalten, daß
nicht das Material, ſondern nur die Anſchauung des Künſtlers gewechſelt
wird: die Plaſtik verarbeitet ſchweres, hartes Material, wie die Baukunſt,
die Malerei hat es mit erdigen, harzigen und andern Stoffen zu thun,
die ſie zerreibt und als Farbe auf einer Fläche ausbreitet; alſo überall
das Feſte, Körperliche, wie in der Poeſie überall die flüſſige Sprache
und (als eigentliches Material) die Phantaſie des Zuhörers. Allein das
Weſentliche iſt dieß, daß die Behandlung in jedem Hauptzweige der
bildenden Kunſt eine ſo verſchiedene iſt, als wäre das Material wirklich
ein anderes. Was die Malerei betrifft, ſo vergißt man bei ihrem Werke,
wie die Wand, die Tafel, Leinwand, ſo auch die Farbſtoffe über dem
Bilde, das in das Auge geworfen wird; was Baukunſt und Plaſtik be-
trifft, ſo wirkt in jener die körperliche Grundeigenſchaft des Stoffs, Schwere
und Härte, eben im äſthetiſchen Eindruck als weſentlich geltend, wogegen
ſie in dieſer unter der warmen, weichen, runden Form, die als Nachbildung
der Oberfläche einer organiſchen Geſtalt dem Material übergezogen iſt, nur
noch verdeckt mitwiegt. Und nun allerdings kommt auch in Betracht, daß
in den beiden letztern Künſten das Material doch nicht ganz daſſelbe iſt,
indem gewiſſe Steinarten, Bronce u. ſ. w. von der einen nicht ebenſo
wie von der andern verwandt werden können. Geht man nun von da
wieder zurück in das Innere als urſprünglichen Grund des Unterſchieds,
ſo zeigt ſich, daß ſich die Sache auch hier anders verhält, als in der
Dichtkunſt: die Arten der Phantaſie, welche den Unterſchied der Zweige
(Künſte) in der bildenden Kunſt begründen, ruhen unbeſchadet der tiefen
Analogie auf einem andern Eintheilungsgrunde, als die Arten, welche
den Unterſchied der Zweige der Dichtkunſt beſtimmen. Letztere beruhen, wie
oben geſagt iſt, auf verſchiedenen Stellungen des Subjects zum Object:
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