Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
Sinne von §. 527, als Styl des einzelnen Meisters, tritt in den Hinter- §. 560. 1 Wie die bildende Kunst dem Naturschönen überhaupt (§. 551), so ent- 1. Der erste Satz bedarf nach dem Bisherigen keiner Erläuterung.
Sinne von §. 527, als Styl des einzelnen Meiſters, tritt in den Hinter- §. 560. 1 Wie die bildende Kunſt dem Naturſchönen überhaupt (§. 551), ſo ent- 1. Der erſte Satz bedarf nach dem Bisherigen keiner Erläuterung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0038" n="198"/> Sinne von §. 527, als Styl des einzelnen Meiſters, tritt in den Hinter-<lb/> grund, man fragt bei Bauwerken wenig, faſt ſo wenig, als bei dem<lb/> Volksliede, nach dem Namen des Meiſters; vielmehr, wie der Dichter<lb/> des Volkslieds nur „der Mund der Sage iſt“, ſo der Baukünſtler nur<lb/> das Organ einer allgemeinen Stimmung, Auffaſſung, eines allgemeinen<lb/> ſocialen, ethiſchen, politiſchen, religiöſen Zuſtandes. Vom Styl iſt daher<lb/> hier nur in der provinziellen, nationalen <hi rendition="#g">und ganze geſchichtliche<lb/> Perioden</hi> umfaſſenden Bedeutung des Worts die Rede, und die Haupt-<lb/> ſtyle der Epochen, Völker ſind aus ſchrittweiſen Entwicklungsſtufen ent-<lb/> ſtanden, worin der Beitrag des Einzelnen gar nicht gezählt wird. Es<lb/> handelt ſich von der „Geſammtheit eines kunſtthätigen Geſchlechtes“ (ſ.<lb/> Bötticher a. a. O. Excurs 1, S. 40 und die dazu angeführte Stelle aus<lb/> Schinkels Vorbildern f. Fabr. u. Handw.), und „man kann von der<lb/> Architektonik, welche ſo recht eigentlich die geſammten geiſtigen und äußer-<lb/> lichen Intereſſen, das innerſte Bewußtſein wie die phyſiſche Lebens-<lb/> thätigkeit eines Volksſtammes umfaßt, vornehmlich ſagen: daß ſie vor<lb/> allen andern Erſcheinungen ein eigentliches Kriterion ſeiner geiſtigen Potenz<lb/> und ethiſchen Bildungsſtufe gewinnen läßt“. Dieſe Auffaſſung enthält<lb/> zugleich, daß überhaupt der ganze Uebergang der Bauthätigkeit von dem<lb/> Dienſte des Bedürfniſſes zur Höhe der freien Kunſt vermittelt iſt durch<lb/> die Ausbildung des Geſammtlebens; das Geſammtbewußtſein gibt ihr den<lb/> begeiſternden Inhalt, vergl. Schleiermacher Vorl. über d. Aeſth. S. 438 ff.</hi> </p> </div><lb/> <div n="7"> <head>§. 560.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Wie die bildende Kunſt dem Naturſchönen überhaupt (§. 551), ſo ent-<lb/> ſpricht demgemäß die Baukunſt der <hi rendition="#g">unorganiſchen</hi> Schönheit. Sie iſt daher<lb/> weſentlich auch durch die Rückſicht auf die Stellung ihres Werks zu ſeiner Um-<lb/> gebung gebunden. Wie das Erdreich für das organiſche Leben, ſo iſt ſie Unter-<lb/> lage und <hi rendition="#g">Verſammlungsſtätte für alle Künſte.</hi> Sie iſt nothwendig<lb/><note place="left">2</note>die <hi rendition="#g">älteſte Kunſt,</hi> Urkunſt. Sie fordert große Maſſen und iſt in ihrer Wirkung<lb/> weſentlich <hi rendition="#g">erhaben,</hi> was einen Gegenſatz des Anmuthigen und Erhabenen<lb/> innerhalb dieſer Beſtimmtheit keineswegs, wohl aber das Komiſche ganz aus-<lb/> ſchließt. Ihr ganzer Charakter iſt <hi rendition="#g">monumental.</hi></hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Der erſte Satz bedarf nach dem Bisherigen keiner Erläuterung.<lb/> Beizufügen iſt nur noch die weſentlich bezeichnende Analogie, daß der Bau<lb/> durch ſeinen Grund im wirklichen Boden wurzelt, was allerdings zugleich<lb/> auf die Analogie mit der feſt an den Boden geketteten Pflanze hinweist,<lb/> in deren Reich ja die Baukunſt vornehmlich hinübergreift. Dieſe Bindung<lb/> an die unorganiſche Natur macht ſich ferner weſentlich in der nun aus-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0038]
Sinne von §. 527, als Styl des einzelnen Meiſters, tritt in den Hinter-
grund, man fragt bei Bauwerken wenig, faſt ſo wenig, als bei dem
Volksliede, nach dem Namen des Meiſters; vielmehr, wie der Dichter
des Volkslieds nur „der Mund der Sage iſt“, ſo der Baukünſtler nur
das Organ einer allgemeinen Stimmung, Auffaſſung, eines allgemeinen
ſocialen, ethiſchen, politiſchen, religiöſen Zuſtandes. Vom Styl iſt daher
hier nur in der provinziellen, nationalen und ganze geſchichtliche
Perioden umfaſſenden Bedeutung des Worts die Rede, und die Haupt-
ſtyle der Epochen, Völker ſind aus ſchrittweiſen Entwicklungsſtufen ent-
ſtanden, worin der Beitrag des Einzelnen gar nicht gezählt wird. Es
handelt ſich von der „Geſammtheit eines kunſtthätigen Geſchlechtes“ (ſ.
Bötticher a. a. O. Excurs 1, S. 40 und die dazu angeführte Stelle aus
Schinkels Vorbildern f. Fabr. u. Handw.), und „man kann von der
Architektonik, welche ſo recht eigentlich die geſammten geiſtigen und äußer-
lichen Intereſſen, das innerſte Bewußtſein wie die phyſiſche Lebens-
thätigkeit eines Volksſtammes umfaßt, vornehmlich ſagen: daß ſie vor
allen andern Erſcheinungen ein eigentliches Kriterion ſeiner geiſtigen Potenz
und ethiſchen Bildungsſtufe gewinnen läßt“. Dieſe Auffaſſung enthält
zugleich, daß überhaupt der ganze Uebergang der Bauthätigkeit von dem
Dienſte des Bedürfniſſes zur Höhe der freien Kunſt vermittelt iſt durch
die Ausbildung des Geſammtlebens; das Geſammtbewußtſein gibt ihr den
begeiſternden Inhalt, vergl. Schleiermacher Vorl. über d. Aeſth. S. 438 ff.
§. 560.
Wie die bildende Kunſt dem Naturſchönen überhaupt (§. 551), ſo ent-
ſpricht demgemäß die Baukunſt der unorganiſchen Schönheit. Sie iſt daher
weſentlich auch durch die Rückſicht auf die Stellung ihres Werks zu ſeiner Um-
gebung gebunden. Wie das Erdreich für das organiſche Leben, ſo iſt ſie Unter-
lage und Verſammlungsſtätte für alle Künſte. Sie iſt nothwendig
die älteſte Kunſt, Urkunſt. Sie fordert große Maſſen und iſt in ihrer Wirkung
weſentlich erhaben, was einen Gegenſatz des Anmuthigen und Erhabenen
innerhalb dieſer Beſtimmtheit keineswegs, wohl aber das Komiſche ganz aus-
ſchließt. Ihr ganzer Charakter iſt monumental.
1. Der erſte Satz bedarf nach dem Bisherigen keiner Erläuterung.
Beizufügen iſt nur noch die weſentlich bezeichnende Analogie, daß der Bau
durch ſeinen Grund im wirklichen Boden wurzelt, was allerdings zugleich
auf die Analogie mit der feſt an den Boden geketteten Pflanze hinweist,
in deren Reich ja die Baukunſt vornehmlich hinübergreift. Dieſe Bindung
an die unorganiſche Natur macht ſich ferner weſentlich in der nun aus-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |