Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
gewählt, um Ort, Situation, Act zu bezeichnen. In jene Gattung ge-
gewählt, um Ort, Situation, Act zu bezeichnen. In jene Gattung ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0071" n="397"/> gewählt, um Ort, Situation, Act zu bezeichnen. In jene Gattung ge-<lb/> hören die ſtellvertretenden Stücke eines Ganzen, die <hi rendition="#aq">partes pro toto:</hi><lb/> eine Staude für Hain, Wald, Pfeiler für Haus, einzelner Stein für Ge-<lb/> birge, aufgehängter Teppich für Wohnzimmer u. dgl. Solches tritt nament-<lb/> lich im Relief auf und ſcheint dem Satze zu widerſprechen, daß hier die<lb/> Fläche nicht als der zur künſtleriſchen Darſtellung mitgehörige Grund zu<lb/> betrachten ſei; dieß iſt aber nur eine weitere Seite jenes berechtigten äſt-<lb/> hetiſchen Widerſpruchs, den wir ſchon in der Farbe, im Poſtament, in<lb/> der Beziehung der Statue zu wirklicher Umgebung gefunden haben (§.<lb/> 608 Anm. u. 609, <hi rendition="#sub">1.</hi>): ein Fingerzeig, ein Schatten, leicht hereinwirkend<lb/> und an den Grenzen des Prinzips, wonach alles Umgebende und Con-<lb/> tinuirliche in der individuellen Geſtalt aufgegangen ſein ſoll, in leich-<lb/> tem Spiele rüttelnd. Zur andern Gattung gehört z. B. die Phiale, um<lb/> einen Opfer-Act, Knotenſtock, Syrinx, um Landleben, Palme, um Sieg,<lb/> Oelzweig, um Hülfeflehen, Tänie, um hohe Ehre, Schattenhut, um Reiſe<lb/> und Jagd, runde Mütze, Ruder, um Seefahrt, geſenkte Fackel, um den<lb/> Tod, Kithar bei Apollo, um ihn als den muſiſchen, Seelenreinigenden,<lb/> Bogen und Köcher, um ihn als den rächenden Gott, und wieder der ge-<lb/> ſpannte oder ſchlaffe Bogen, offene oder geſchloſſene Köcher, um den Mo-<lb/> ment vor, in und nach dem Kampfe zu bezeichnen, und And. Endlich<lb/> führen wir Solches auf, was unmittelbarer zur Behandlung der Geſtalt<lb/> ſelbſt gehört, hier aber nicht in ſeiner rein äſthetiſchen, ſondern eben in<lb/> der blos bezeichnenden Bedeutung. Manches davon fällt auch unter den<lb/> Standpunct des Attributs, eine hier unvermeidliche Wiederholung. So<lb/> könnte denn die Plaſtik nicht auskommen, wenn ſie nicht durch Beſchaffen-<lb/> heit, Schnitt, Art der Umlegung oder auch Abwerfung des Gewands,<lb/> durch Waffen und ſonſtige Ausſtattung, beigelegten oder natürlichen<lb/> Schmuck, wie z. B. die Behandlung der Haare und dergl., die Zeichen-<lb/> ſprache vervollſtändigte, mittelſt welcher ſie die mangelnden maleriſchen<lb/> Mittel erſetzt. Chlamys zeigt kriegeriſche Beſchäftigung an, Nacktheit des<lb/> Manns den Athleten oder den zu energiſcher Thätigkeit gerüſteten Gott,<lb/> des Weibes urſprünglich die Situation des Bades, tiefere Gürtung des<lb/> weiblichen Chiton Amazonencharakter, Gürtelloſigkeit Vorbereitung zum<lb/> Tanz, Obergewand, dem Sitzenden auf die Hüften herabgefallen, bequeme<lb/> Ruhe, feſt umgenommenes Trauer oder ernſte Sammlung, wie die vor<lb/> dem Beginn einer Rede, u. ſ. w. Da die Griechen meiſtens die Statuen<lb/> bemalten, ſo ſprach auch die Farbe des Kleides ſymboliſch mit (Winkel-<lb/> mann a. a. O. Bd. 3, S. 11 ff.). Aber auch dieſe Zeichenſprache wurde<lb/> noch einmal abbrevirt, ſo daß z. B. ein Helm die ganze Rüſtung be-<lb/> deutete. Am kurzgeſchnittenen Haar erkennt man Epheben und Athleten,<lb/> edler und ruhiger ordnen ſich die löwenmähneartigen Locken des Zeus,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [397/0071]
gewählt, um Ort, Situation, Act zu bezeichnen. In jene Gattung ge-
hören die ſtellvertretenden Stücke eines Ganzen, die partes pro toto:
eine Staude für Hain, Wald, Pfeiler für Haus, einzelner Stein für Ge-
birge, aufgehängter Teppich für Wohnzimmer u. dgl. Solches tritt nament-
lich im Relief auf und ſcheint dem Satze zu widerſprechen, daß hier die
Fläche nicht als der zur künſtleriſchen Darſtellung mitgehörige Grund zu
betrachten ſei; dieß iſt aber nur eine weitere Seite jenes berechtigten äſt-
hetiſchen Widerſpruchs, den wir ſchon in der Farbe, im Poſtament, in
der Beziehung der Statue zu wirklicher Umgebung gefunden haben (§.
608 Anm. u. 609, 1.): ein Fingerzeig, ein Schatten, leicht hereinwirkend
und an den Grenzen des Prinzips, wonach alles Umgebende und Con-
tinuirliche in der individuellen Geſtalt aufgegangen ſein ſoll, in leich-
tem Spiele rüttelnd. Zur andern Gattung gehört z. B. die Phiale, um
einen Opfer-Act, Knotenſtock, Syrinx, um Landleben, Palme, um Sieg,
Oelzweig, um Hülfeflehen, Tänie, um hohe Ehre, Schattenhut, um Reiſe
und Jagd, runde Mütze, Ruder, um Seefahrt, geſenkte Fackel, um den
Tod, Kithar bei Apollo, um ihn als den muſiſchen, Seelenreinigenden,
Bogen und Köcher, um ihn als den rächenden Gott, und wieder der ge-
ſpannte oder ſchlaffe Bogen, offene oder geſchloſſene Köcher, um den Mo-
ment vor, in und nach dem Kampfe zu bezeichnen, und And. Endlich
führen wir Solches auf, was unmittelbarer zur Behandlung der Geſtalt
ſelbſt gehört, hier aber nicht in ſeiner rein äſthetiſchen, ſondern eben in
der blos bezeichnenden Bedeutung. Manches davon fällt auch unter den
Standpunct des Attributs, eine hier unvermeidliche Wiederholung. So
könnte denn die Plaſtik nicht auskommen, wenn ſie nicht durch Beſchaffen-
heit, Schnitt, Art der Umlegung oder auch Abwerfung des Gewands,
durch Waffen und ſonſtige Ausſtattung, beigelegten oder natürlichen
Schmuck, wie z. B. die Behandlung der Haare und dergl., die Zeichen-
ſprache vervollſtändigte, mittelſt welcher ſie die mangelnden maleriſchen
Mittel erſetzt. Chlamys zeigt kriegeriſche Beſchäftigung an, Nacktheit des
Manns den Athleten oder den zu energiſcher Thätigkeit gerüſteten Gott,
des Weibes urſprünglich die Situation des Bades, tiefere Gürtung des
weiblichen Chiton Amazonencharakter, Gürtelloſigkeit Vorbereitung zum
Tanz, Obergewand, dem Sitzenden auf die Hüften herabgefallen, bequeme
Ruhe, feſt umgenommenes Trauer oder ernſte Sammlung, wie die vor
dem Beginn einer Rede, u. ſ. w. Da die Griechen meiſtens die Statuen
bemalten, ſo ſprach auch die Farbe des Kleides ſymboliſch mit (Winkel-
mann a. a. O. Bd. 3, S. 11 ff.). Aber auch dieſe Zeichenſprache wurde
noch einmal abbrevirt, ſo daß z. B. ein Helm die ganze Rüſtung be-
deutete. Am kurzgeſchnittenen Haar erkennt man Epheben und Athleten,
edler und ruhiger ordnen ſich die löwenmähneartigen Locken des Zeus,
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