Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
und Menschen, wo denn überdieß ein bedeutendes Stück Landschaft wieder Blicken wir nun auf die Reihe von Unterscheidungen, in die wir
und Menſchen, wo denn überdieß ein bedeutendes Stück Landſchaft wieder Blicken wir nun auf die Reihe von Unterſcheidungen, in die wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0166" n="658"/> und Menſchen, wo denn überdieß ein bedeutendes Stück Landſchaft wieder<lb/> hinzutreten kann. Uebrigens hindert dieß nicht, auch hier Nebenzweige<lb/> gelten zu laſſen, ſofern dabei nur immer ein Hauptſubject den entſcheiden-<lb/> den Mittelpunct bildet: es wird alſo ein landſchaftliches Thierſtück, eine<lb/> Landſchaft mit ſtark vertretender thieriſcher Staffage, ein Sittenbild mit<lb/> bedeutender Einmiſchung von Thieriſchem (namentlich Hirtenleben), ein<lb/> Thierſtück mit bedeutender Einmiſchung des Menſchlichen geben und die<lb/> beiden letzten Formen werden im angegebenen Falle auch wieder das<lb/> Prädicat des Landſchaftlichen mit ſich vereinigen. Die niederländiſche<lb/> Malerei iſt reich an Beiſpielen ſolcher Uebergänge; man denke u. A.<lb/> nur an Phil. Wouvermann. Wir werden auf dieſe Verbindungen zu-<lb/> rückkommen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Blicken wir nun auf die Reihe von Unterſcheidungen, in die wir<lb/> die Sphäre der Landſchaft getheilt, ſo erhellt ſogleich, daß die erſte im<lb/> Thierſtück ſchwächer auftreten muß, nämlich die, welche ſich auf den Gegen-<lb/> ſatz der <hi rendition="#g">Style</hi> gründet. Wir haben geſehen, wie die Malerei das Thier<lb/> auffaßt (§. 654. 679); der plaſtiſche Styl wird neben dieſer naturwarmen,<lb/> in das Seelenleben eindringenden Behandlung durch ſeine Art, in großen<lb/> Zügen das Weſentliche der Form auszuſprechen, nicht ebenſo einen tiefen<lb/> Unterſchied begründen können, wie in der Landſchaft, die ſo reichen Spiel-<lb/> raum für Hervorhebung oder Unterdrückung des Zufälligen bietet. Ehe<lb/> der eigentlich maleriſche Styl im Norden ſich ausbildete, gab es auch<lb/> wirklich keine Thiermalerei. Es iſt ſchon in anderem Zuſammenhang,<lb/> §. 451 Anm, darauf hingewieſen, daß ſelbſt Raphael in der Zeichnung<lb/> von Thieren, namentlich demjenigen Thiere, das dem plaſtiſchen Gefühle<lb/> doch beſonders entgegenkommt, dem Pferde, noch ſchwach iſt: ein höchſt<lb/> merkwürdiger Gegenſatz der neuen Welt und der Malerei gegen das<lb/> Alterthum und die eigentliche Bildnerkunſt, die ſich von Anfang an durch<lb/> feines Verſtändniß der thieriſchen Form auszeichnen (den Grund ſ. §. 437,<lb/> Anm. 1). Am eheſten wird man die gewaltige Behandlung der Thier-<lb/> welt in ihren Kämpfen unter ſich und mit dem Menſchen, die in großem<lb/> Maaßſtabe und großen Zügen, worin das Einzelne, was Gegenſtand<lb/> ſpeziellerer Belauſchung iſt, doch ſtark zurücktritt, die Formen und den<lb/> Ausdruck des Affects darſtellt, die Werke eines Rubens und Snyders,<lb/> Stylbilder nennen können. Wie warm lebendig und beſeelt aber auch<lb/> hier die Auffaſſung iſt, das mag allein ſchon der herrliche, furchtbar<lb/> wahr behandelte Kopf des verröchelnden Tigers auf Rubens Löwenjagd<lb/> zu Dresden beweiſen. Die ſtyliſtiſche Richtung, wie ſie denn in dieſem<lb/> beſchränkteren Sinne nach dem Eintritt des ächt Maleriſchen auch weiter-<lb/> hin ſich geltend machen muß, wird eine natürliche Beziehung zu einem<lb/> gewiſſen Theile des Stoffs, dem Hirſch, Eber, Stier, Hund, den großen<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [658/0166]
und Menſchen, wo denn überdieß ein bedeutendes Stück Landſchaft wieder
hinzutreten kann. Uebrigens hindert dieß nicht, auch hier Nebenzweige
gelten zu laſſen, ſofern dabei nur immer ein Hauptſubject den entſcheiden-
den Mittelpunct bildet: es wird alſo ein landſchaftliches Thierſtück, eine
Landſchaft mit ſtark vertretender thieriſcher Staffage, ein Sittenbild mit
bedeutender Einmiſchung von Thieriſchem (namentlich Hirtenleben), ein
Thierſtück mit bedeutender Einmiſchung des Menſchlichen geben und die
beiden letzten Formen werden im angegebenen Falle auch wieder das
Prädicat des Landſchaftlichen mit ſich vereinigen. Die niederländiſche
Malerei iſt reich an Beiſpielen ſolcher Uebergänge; man denke u. A.
nur an Phil. Wouvermann. Wir werden auf dieſe Verbindungen zu-
rückkommen.
Blicken wir nun auf die Reihe von Unterſcheidungen, in die wir
die Sphäre der Landſchaft getheilt, ſo erhellt ſogleich, daß die erſte im
Thierſtück ſchwächer auftreten muß, nämlich die, welche ſich auf den Gegen-
ſatz der Style gründet. Wir haben geſehen, wie die Malerei das Thier
auffaßt (§. 654. 679); der plaſtiſche Styl wird neben dieſer naturwarmen,
in das Seelenleben eindringenden Behandlung durch ſeine Art, in großen
Zügen das Weſentliche der Form auszuſprechen, nicht ebenſo einen tiefen
Unterſchied begründen können, wie in der Landſchaft, die ſo reichen Spiel-
raum für Hervorhebung oder Unterdrückung des Zufälligen bietet. Ehe
der eigentlich maleriſche Styl im Norden ſich ausbildete, gab es auch
wirklich keine Thiermalerei. Es iſt ſchon in anderem Zuſammenhang,
§. 451 Anm, darauf hingewieſen, daß ſelbſt Raphael in der Zeichnung
von Thieren, namentlich demjenigen Thiere, das dem plaſtiſchen Gefühle
doch beſonders entgegenkommt, dem Pferde, noch ſchwach iſt: ein höchſt
merkwürdiger Gegenſatz der neuen Welt und der Malerei gegen das
Alterthum und die eigentliche Bildnerkunſt, die ſich von Anfang an durch
feines Verſtändniß der thieriſchen Form auszeichnen (den Grund ſ. §. 437,
Anm. 1). Am eheſten wird man die gewaltige Behandlung der Thier-
welt in ihren Kämpfen unter ſich und mit dem Menſchen, die in großem
Maaßſtabe und großen Zügen, worin das Einzelne, was Gegenſtand
ſpeziellerer Belauſchung iſt, doch ſtark zurücktritt, die Formen und den
Ausdruck des Affects darſtellt, die Werke eines Rubens und Snyders,
Stylbilder nennen können. Wie warm lebendig und beſeelt aber auch
hier die Auffaſſung iſt, das mag allein ſchon der herrliche, furchtbar
wahr behandelte Kopf des verröchelnden Tigers auf Rubens Löwenjagd
zu Dresden beweiſen. Die ſtyliſtiſche Richtung, wie ſie denn in dieſem
beſchränkteren Sinne nach dem Eintritt des ächt Maleriſchen auch weiter-
hin ſich geltend machen muß, wird eine natürliche Beziehung zu einem
gewiſſen Theile des Stoffs, dem Hirſch, Eber, Stier, Hund, den großen
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