Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Katzen-Arten, vor Allem, wie bemerkt ist, zu dem Pferd haben, weil hier
Katzen-Arten, vor Allem, wie bemerkt iſt, zu dem Pferd haben, weil hier <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0167" n="659"/> Katzen-Arten, vor Allem, wie bemerkt iſt, zu dem Pferd haben, weil hier<lb/> die ſchwungvoll geſchloſſenen Formen zu finden ſind, die dem plaſtiſchen<lb/> Gefühle zuſagen. Hiemit iſt denn der zweite Theilungsgrund, der<lb/> Unterſchied des <hi rendition="#g">Stoffs</hi>, zur Sprache gebracht. Der ächt maleriſche Styl<lb/> wird ſich gerne, wiewohl keineswegs allein, dem Culturthiere zuwenden,<lb/> denn er ſucht weniger Form-Schönheit, als Gemüthlichkeit. Pferd und<lb/> Wiederkäuer wird ihm mehr im eingewöhnten, dem Menſchen vertrauten,<lb/> als in dem freien und wilden Zuſtande ein beliebter Stoff ſein; ihm ſagt<lb/> namentlich das Geſchlecht der Schafe, Ziegen, weidenden Rinder zu; er<lb/> mag ſich behaglich in das „Dumpfe, Beſchränkte, Träumende, Gähnende<lb/> ihres Zuſtands verſetzen und uns in das Mitgefühl deſſelben hineinziehen“<lb/> (Göthe von H. Roos ſ. Eckerm. Th. 1 S. 125). Hund und Katze er-<lb/> ſcheint als freundliches Hausthier, und ein Hondekoeter ſorgt dafür, daß<lb/> der Hühnerhof nicht vergeſſen werde. Verſchloſſen iſt jedoch dem ächt<lb/> maleriſchen Styl auch die wilde Naturkraft natürlich nicht; Potters brüllen-<lb/> der Stier und Landſeers Hirſch ſehen nicht demnach aus, als möchten<lb/> ſie dem Menſchen ſeine Furchen ziehen und an ſeiner Krippe ſtehen;<lb/> die mehr ſpezialiſirende Behandlung begründet hier allein den Unterſchied<lb/> und mit ihr tritt denn auch die Individualität des einzelnen Thiers mehr<lb/> hervor. — Das Wichtigſte iſt nun aber der Unterſchied des <hi rendition="#g">Moments</hi>,<lb/> der Situation. Zugleich mit dieſem wird jetzt auch der Grad des Um-<lb/> fangs, auf den wir uns bei der Landſchaft nicht einließen, bedeutender.<lb/> Niemals zwar kann die Malerei ein einzelnes Thier ſtatuen-artig wie ein<lb/> Portrait hinſtellen, dieſer Unterſchied von der Bildnerkunſt bleibt. Tritt<lb/> ein einzelnes Thier in einem Gemälde auf, ſo muß Landſchaft oder menſch-<lb/> liche Wohnung mit Geräthe Stimmung und Motiv dazu geben. So<lb/> gefaßt, zeigt ſich dann eine natürliche Reihe vom einzelnen Thiere zur<lb/> kleineren, größeren und vielfacheren Gruppe, und dieſer Unterſchied ſteht<lb/> im lebendigſten Wechſelzuſammenhang mit dem des Moments. Hier iſt<lb/> denn der große Schauplatz für die warme und feine Belauſchung<lb/> des Thiers in ſeinem dem menſchlichen analogen Seelenleben aufgethan.<lb/> Alle die Zuſtände, Affecte, Tugenden, Unſitten, worin die ſchon reich aus-<lb/> geſtattete Thierſeele auf die menſchliche hinüberweist, breiten ſich aus<lb/> wie ein buntes Feld, worin unſer Gemüth im dumpfen Spiegelbilde, doch<lb/> nur mit um ſo mehr Intereſſe der Verwandtſchaft nachgehend, ſich reflectirt<lb/> findet. Ruhe und Aufregung, Bedürfniß und Sättigung, Freude und<lb/> Leid, Angſt, Schrecken, Liebe und Haß bis zur äußerſten Wuth, — eine<lb/> Fülle von Formen und Tönen eröffnet ſich, ſei es im Leben der Thiere<lb/> unter ſich in Geſellung, Befreundung, Mutterliebe, Feindſchaft und Kampf,<lb/> ſei es im Umgang mit dem Menſchen, im Kampfe mit ihm, im blutigen<lb/> Spiele der Jagd. Es liegt ein volles Seitenſtück des menſchlichen Sitten-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [659/0167]
Katzen-Arten, vor Allem, wie bemerkt iſt, zu dem Pferd haben, weil hier
die ſchwungvoll geſchloſſenen Formen zu finden ſind, die dem plaſtiſchen
Gefühle zuſagen. Hiemit iſt denn der zweite Theilungsgrund, der
Unterſchied des Stoffs, zur Sprache gebracht. Der ächt maleriſche Styl
wird ſich gerne, wiewohl keineswegs allein, dem Culturthiere zuwenden,
denn er ſucht weniger Form-Schönheit, als Gemüthlichkeit. Pferd und
Wiederkäuer wird ihm mehr im eingewöhnten, dem Menſchen vertrauten,
als in dem freien und wilden Zuſtande ein beliebter Stoff ſein; ihm ſagt
namentlich das Geſchlecht der Schafe, Ziegen, weidenden Rinder zu; er
mag ſich behaglich in das „Dumpfe, Beſchränkte, Träumende, Gähnende
ihres Zuſtands verſetzen und uns in das Mitgefühl deſſelben hineinziehen“
(Göthe von H. Roos ſ. Eckerm. Th. 1 S. 125). Hund und Katze er-
ſcheint als freundliches Hausthier, und ein Hondekoeter ſorgt dafür, daß
der Hühnerhof nicht vergeſſen werde. Verſchloſſen iſt jedoch dem ächt
maleriſchen Styl auch die wilde Naturkraft natürlich nicht; Potters brüllen-
der Stier und Landſeers Hirſch ſehen nicht demnach aus, als möchten
ſie dem Menſchen ſeine Furchen ziehen und an ſeiner Krippe ſtehen;
die mehr ſpezialiſirende Behandlung begründet hier allein den Unterſchied
und mit ihr tritt denn auch die Individualität des einzelnen Thiers mehr
hervor. — Das Wichtigſte iſt nun aber der Unterſchied des Moments,
der Situation. Zugleich mit dieſem wird jetzt auch der Grad des Um-
fangs, auf den wir uns bei der Landſchaft nicht einließen, bedeutender.
Niemals zwar kann die Malerei ein einzelnes Thier ſtatuen-artig wie ein
Portrait hinſtellen, dieſer Unterſchied von der Bildnerkunſt bleibt. Tritt
ein einzelnes Thier in einem Gemälde auf, ſo muß Landſchaft oder menſch-
liche Wohnung mit Geräthe Stimmung und Motiv dazu geben. So
gefaßt, zeigt ſich dann eine natürliche Reihe vom einzelnen Thiere zur
kleineren, größeren und vielfacheren Gruppe, und dieſer Unterſchied ſteht
im lebendigſten Wechſelzuſammenhang mit dem des Moments. Hier iſt
denn der große Schauplatz für die warme und feine Belauſchung
des Thiers in ſeinem dem menſchlichen analogen Seelenleben aufgethan.
Alle die Zuſtände, Affecte, Tugenden, Unſitten, worin die ſchon reich aus-
geſtattete Thierſeele auf die menſchliche hinüberweist, breiten ſich aus
wie ein buntes Feld, worin unſer Gemüth im dumpfen Spiegelbilde, doch
nur mit um ſo mehr Intereſſe der Verwandtſchaft nachgehend, ſich reflectirt
findet. Ruhe und Aufregung, Bedürfniß und Sättigung, Freude und
Leid, Angſt, Schrecken, Liebe und Haß bis zur äußerſten Wuth, — eine
Fülle von Formen und Tönen eröffnet ſich, ſei es im Leben der Thiere
unter ſich in Geſellung, Befreundung, Mutterliebe, Feindſchaft und Kampf,
ſei es im Umgang mit dem Menſchen, im Kampfe mit ihm, im blutigen
Spiele der Jagd. Es liegt ein volles Seitenſtück des menſchlichen Sitten-
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