Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

ein und Alpin, als wäre gesprochen, was er soeben
nur gedacht hat, sagt mit weicher Stimme: "Ich mag
halt eben die ordentlichen Thierli nicht umbringen,
sie wollen halt auch leben; und weißt, neulich wieder
-- wie ich den angeschossenen Rehbock im Wald ge¬
funden, mit dem Pfeil im Leib, langsam verendet,
aber noch lebig von Hunden angefressen, -- seitdem
mag ich schon gar nicht mehr jagen; ja, wenn's auf
ein recht schädliches wildes Thier geht -- hab' ich je
den Wolf gefürchtet? -- soll ich dick damit thun, daß
ich jüngst den Bären --" Hier veränderte sich der
Ausdruck seiner milden, hellblauen Augen, er richtete
sich stolz und steil auf und fuhr fort: "Man hat dir's
erzählt -- nicht ich -- ich mag mich nicht brüsten --
heut sag' ich dir's: sieh, so stand das Ungethüm,
nahm den Kampf an, will mich umarmen -- mein
Speer war keiner von den starken -- sonst eben gut
genug zur Schippe -- ich wag's darauf und ganz
nah' heran, -- die Spitze richtig in den Rachen --
schnell nachgebohrt mit aller Kraft -- 's war grad
keine Kleinigkeit --"

Er erzählte nicht weiter, sondern rief heftig: "Wer
das kann, der nimmt's auch noch mit manchem Jäger
auf! Komm, Ryno, wir gehen! Gut' Nacht!" Und
er war hinweg, begleitet von seinem Thiere, das sich
eben nicht gerne von der munteren Gesellschaft zu
trennen schien.

ein und Alpin, als wäre geſprochen, was er ſoeben
nur gedacht hat, ſagt mit weicher Stimme: „Ich mag
halt eben die ordentlichen Thierli nicht umbringen,
ſie wollen halt auch leben; und weißt, neulich wieder
— wie ich den angeſchoſſenen Rehbock im Wald ge¬
funden, mit dem Pfeil im Leib, langſam verendet,
aber noch lebig von Hunden angefreſſen, — ſeitdem
mag ich ſchon gar nicht mehr jagen; ja, wenn's auf
ein recht ſchädliches wildes Thier geht — hab' ich je
den Wolf gefürchtet? — ſoll ich dick damit thun, daß
ich jüngſt den Bären —“ Hier veränderte ſich der
Ausdruck ſeiner milden, hellblauen Augen, er richtete
ſich ſtolz und ſteil auf und fuhr fort: „Man hat dir's
erzählt — nicht ich — ich mag mich nicht brüſten —
heut ſag' ich dir's: ſieh, ſo ſtand das Ungethüm,
nahm den Kampf an, will mich umarmen — mein
Speer war keiner von den ſtarken — ſonſt eben gut
genug zur Schippe — ich wag's darauf und ganz
nah' heran, — die Spitze richtig in den Rachen —
ſchnell nachgebohrt mit aller Kraft — 's war grad
keine Kleinigkeit —“

Er erzählte nicht weiter, ſondern rief heftig: „Wer
das kann, der nimmt's auch noch mit manchem Jäger
auf! Komm, Ryno, wir gehen! Gut' Nacht!“ Und
er war hinweg, begleitet von ſeinem Thiere, das ſich
eben nicht gerne von der munteren Geſellſchaft zu
trennen ſchien.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="138"/>
ein und Alpin, als wäre ge&#x017F;prochen, was er &#x017F;oeben<lb/>
nur gedacht hat, &#x017F;agt mit weicher Stimme: &#x201E;Ich mag<lb/>
halt eben die ordentlichen Thierli nicht umbringen,<lb/>
&#x017F;ie wollen halt auch leben; und weißt, neulich wieder<lb/>
&#x2014; wie ich den ange&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enen Rehbock im Wald ge¬<lb/>
funden, mit dem Pfeil im Leib, lang&#x017F;am verendet,<lb/>
aber noch lebig von Hunden angefre&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; &#x017F;eitdem<lb/>
mag ich &#x017F;chon gar nicht mehr jagen; ja, wenn's auf<lb/>
ein recht &#x017F;chädliches wildes Thier geht &#x2014; hab' ich je<lb/>
den Wolf gefürchtet? &#x2014; &#x017F;oll ich dick damit thun, daß<lb/>
ich jüng&#x017F;t den Bären &#x2014;&#x201C; Hier veränderte &#x017F;ich der<lb/>
Ausdruck &#x017F;einer milden, hellblauen Augen, er richtete<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;tolz und &#x017F;teil auf und fuhr fort: &#x201E;Man hat dir's<lb/>
erzählt &#x2014; nicht ich &#x2014; ich mag mich nicht brü&#x017F;ten &#x2014;<lb/>
heut &#x017F;ag' <hi rendition="#g">ich</hi> dir's: &#x017F;ieh, &#x017F;o &#x017F;tand das Ungethüm,<lb/>
nahm den Kampf an, will mich umarmen &#x2014; mein<lb/>
Speer war keiner von den &#x017F;tarken &#x2014; &#x017F;on&#x017F;t eben gut<lb/>
genug zur Schippe &#x2014; ich wag's darauf und ganz<lb/>
nah' heran, &#x2014; die Spitze richtig in den Rachen &#x2014;<lb/>
&#x017F;chnell nachgebohrt mit aller Kraft &#x2014; 's war grad<lb/>
keine Kleinigkeit &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er erzählte nicht weiter, &#x017F;ondern rief heftig: &#x201E;Wer<lb/>
das kann, der nimmt's auch noch mit manchem Jäger<lb/>
auf! Komm, Ryno, wir gehen! Gut' Nacht!&#x201C; Und<lb/>
er war hinweg, begleitet von &#x017F;einem Thiere, das &#x017F;ich<lb/>
eben nicht gerne von der munteren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu<lb/>
trennen &#x017F;chien.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0151] ein und Alpin, als wäre geſprochen, was er ſoeben nur gedacht hat, ſagt mit weicher Stimme: „Ich mag halt eben die ordentlichen Thierli nicht umbringen, ſie wollen halt auch leben; und weißt, neulich wieder — wie ich den angeſchoſſenen Rehbock im Wald ge¬ funden, mit dem Pfeil im Leib, langſam verendet, aber noch lebig von Hunden angefreſſen, — ſeitdem mag ich ſchon gar nicht mehr jagen; ja, wenn's auf ein recht ſchädliches wildes Thier geht — hab' ich je den Wolf gefürchtet? — ſoll ich dick damit thun, daß ich jüngſt den Bären —“ Hier veränderte ſich der Ausdruck ſeiner milden, hellblauen Augen, er richtete ſich ſtolz und ſteil auf und fuhr fort: „Man hat dir's erzählt — nicht ich — ich mag mich nicht brüſten — heut ſag' ich dir's: ſieh, ſo ſtand das Ungethüm, nahm den Kampf an, will mich umarmen — mein Speer war keiner von den ſtarken — ſonſt eben gut genug zur Schippe — ich wag's darauf und ganz nah' heran, — die Spitze richtig in den Rachen — ſchnell nachgebohrt mit aller Kraft — 's war grad keine Kleinigkeit —“ Er erzählte nicht weiter, ſondern rief heftig: „Wer das kann, der nimmt's auch noch mit manchem Jäger auf! Komm, Ryno, wir gehen! Gut' Nacht!“ Und er war hinweg, begleitet von ſeinem Thiere, das ſich eben nicht gerne von der munteren Geſellſchaft zu trennen ſchien.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/151
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/151>, abgerufen am 22.12.2024.