Der Kondukteur hatte inzwischen halten lassen, er winkte ihm, weiter zu fahren, dann sah ich ihn umkehren und in entgegengesetzter Richtung forteilen. Das Wort gab mir zu denken; der nächste Sinn war unschwer zu finden, allein es schien auf einen Zusammenhang son¬ derbarer Art, auf eine Klassifikation, auf ein System zu deuten, gab zu rathen, was für ein System das denn sein möchte, und von da weiter zu rathen über den ganzen Mann, der mir so würdig und ernst er¬ schienen war, den jetzt ein lächerliches Mißgeschick ereilt, der dessen offenbar schon viel erlebt hatte und dem das Erlebte längst ein Anreiz zu seltsamem Denken geworden sein mußte. Völliges Licht über den Zuruf sollte mir freilich erst in sehr später Zeit werden.
Inzwischen gab sich der Ungezogene ganz dem Ge¬ nusse seines unverdienten Triumphes hin, unter gellendem Gelächter machte er sich in frechen Reden lustig über den unglücklichen Gegner. "Wo mag er nun wohl stecken? Ob er nun wohl seine Rede als Monolog hält, schreibt und herausgibt?" In diesem Tone ging es fort. Rasch hatte in mir über den augenblicklichen Lachreiz die Theilnahme den Sieg gewonnen, die Geduld gieng mir aus und ich fuhr den Menschen an: "Herr! nun ist es genug!" Alsbald be¬ kam ich Beistand von der Gesellschaft, ein Erster, Zweiter, Dritter stimmte ein, und als das Subjekt widerbellte, erklärte man ihm, daß es länger nicht im
Der Kondukteur hatte inzwiſchen halten laſſen, er winkte ihm, weiter zu fahren, dann ſah ich ihn umkehren und in entgegengeſetzter Richtung forteilen. Das Wort gab mir zu denken; der nächſte Sinn war unſchwer zu finden, allein es ſchien auf einen Zuſammenhang ſon¬ derbarer Art, auf eine Klaſſifikation, auf ein Syſtem zu deuten, gab zu rathen, was für ein Syſtem das denn ſein möchte, und von da weiter zu rathen über den ganzen Mann, der mir ſo würdig und ernſt er¬ ſchienen war, den jetzt ein lächerliches Mißgeſchick ereilt, der deſſen offenbar ſchon viel erlebt hatte und dem das Erlebte längſt ein Anreiz zu ſeltſamem Denken geworden ſein mußte. Völliges Licht über den Zuruf ſollte mir freilich erſt in ſehr ſpäter Zeit werden.
Inzwiſchen gab ſich der Ungezogene ganz dem Ge¬ nuſſe ſeines unverdienten Triumphes hin, unter gellendem Gelächter machte er ſich in frechen Reden luſtig über den unglücklichen Gegner. „Wo mag er nun wohl ſtecken? Ob er nun wohl ſeine Rede als Monolog hält, ſchreibt und herausgibt?“ In dieſem Tone ging es fort. Raſch hatte in mir über den augenblicklichen Lachreiz die Theilnahme den Sieg gewonnen, die Geduld gieng mir aus und ich fuhr den Menſchen an: „Herr! nun iſt es genug!“ Alsbald be¬ kam ich Beiſtand von der Geſellſchaft, ein Erſter, Zweiter, Dritter ſtimmte ein, und als das Subjekt widerbellte, erklärte man ihm, daß es länger nicht im
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Der Kondukteur hatte inzwiſchen halten laſſen, er winkte
ihm, weiter zu fahren, dann ſah ich ihn umkehren und
in entgegengeſetzter Richtung forteilen. Das Wort gab
mir zu denken; der nächſte Sinn war unſchwer zu
finden, allein es ſchien auf einen Zuſammenhang ſon¬
derbarer Art, auf eine Klaſſifikation, auf ein Syſtem
zu deuten, gab zu rathen, was für ein Syſtem das
denn ſein möchte, und von da weiter zu rathen über
den ganzen Mann, der mir ſo würdig und ernſt er¬
ſchienen war, den jetzt ein lächerliches Mißgeſchick ereilt,
der deſſen offenbar ſchon viel erlebt hatte und dem das
Erlebte längſt ein Anreiz zu ſeltſamem Denken geworden
ſein mußte. Völliges Licht über den Zuruf ſollte mir
freilich erſt in ſehr ſpäter Zeit werden.
Inzwiſchen gab ſich der Ungezogene ganz dem Ge¬
nuſſe ſeines unverdienten Triumphes hin, unter
gellendem Gelächter machte er ſich in frechen Reden
luſtig über den unglücklichen Gegner. „Wo mag er
nun wohl ſtecken? Ob er nun wohl ſeine Rede als
Monolog hält, ſchreibt und herausgibt?“ In dieſem
Tone ging es fort. Raſch hatte in mir über den
augenblicklichen Lachreiz die Theilnahme den Sieg
gewonnen, die Geduld gieng mir aus und ich fuhr den
Menſchen an: „Herr! nun iſt es genug!“ Alsbald be¬
kam ich Beiſtand von der Geſellſchaft, ein Erſter,
Zweiter, Dritter ſtimmte ein, und als das Subjekt
widerbellte, erklärte man ihm, daß es länger nicht im
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/18>, abgerufen am 22.12.2024.
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