Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

weiter in die Gelände hinein, wo die breiten Ströme
durch Berg und Thal fließen, und links weithin bis
an den Leman- und meinen geliebten Nuburiksee und
weiter und weiter bis über das große Wasser zum
Eiland, wo die Kymren wohnen. Sie werden kommen,
die Unersättlichen, die da meinen, sie müssen die Welt
verschlingen! Und ihr? Was sind eure Kriege gewesen
bis heute? Untereinander um nichts und wieder nichts
habt ihr euch zerfleischt! Eure Gefangenen gepfählt,
gekreuzigt, auf jede scheusliche Art gemartert als Opfer
für euer Scheusal von Grippo! Jetzt droht euch allen
der Fremdling! In eure schwebenden Holzhütten wird
er die Brandfackel schleudern, mit seinen Erzwaffen,
seiner Ueberzahl, seiner Kriegsordnung und festem Halt
seiner Schaaren euch zu Tausenden in die Sümpfe
eurer Seen hineinwürgen, eure Weiber und Töchter
schänden und in die Knechtschaft abführen, eure Kinder
wie Zicklein abschlachten! Schon seh' ich im Geiste die
Feuersäulen, höre den Schlachtruf der Feinde, das
Aechzen und Winseln der Sterbenden, der schmachvoll
Mißhandelten! Auf! auf, so lang es Zeit ist! Einen
festen Bund stiftet von Gemeinde zu Gemeinde, von
Stamm zu Stamm! Dem unbekannten Gotte -- o,
bei allen Himmeln, er ist auch der Gott des Vater¬
lands! -- ihm an seinem Altare schwört Treue dem
Bunde bis auf den letzten Athemzug! Und fort mit
den Steinwaffen! Meint ihr, ich sei gekommen, mit

weiter in die Gelände hinein, wo die breiten Ströme
durch Berg und Thal fließen, und links weithin bis
an den Leman- und meinen geliebten Nuburikſee und
weiter und weiter bis über das große Waſſer zum
Eiland, wo die Kymren wohnen. Sie werden kommen,
die Unerſättlichen, die da meinen, ſie müſſen die Welt
verſchlingen! Und ihr? Was ſind eure Kriege geweſen
bis heute? Untereinander um nichts und wieder nichts
habt ihr euch zerfleiſcht! Eure Gefangenen gepfählt,
gekreuzigt, auf jede ſcheusliche Art gemartert als Opfer
für euer Scheuſal von Grippo! Jetzt droht euch allen
der Fremdling! In eure ſchwebenden Holzhütten wird
er die Brandfackel ſchleudern, mit ſeinen Erzwaffen,
ſeiner Ueberzahl, ſeiner Kriegsordnung und feſtem Halt
ſeiner Schaaren euch zu Tauſenden in die Sümpfe
eurer Seen hineinwürgen, eure Weiber und Töchter
ſchänden und in die Knechtſchaft abführen, eure Kinder
wie Zicklein abſchlachten! Schon ſeh' ich im Geiſte die
Feuerſäulen, höre den Schlachtruf der Feinde, das
Aechzen und Winſeln der Sterbenden, der ſchmachvoll
Mißhandelten! Auf! auf, ſo lang es Zeit iſt! Einen
feſten Bund ſtiftet von Gemeinde zu Gemeinde, von
Stamm zu Stamm! Dem unbekannten Gotte — o,
bei allen Himmeln, er iſt auch der Gott des Vater¬
lands! — ihm an ſeinem Altare ſchwört Treue dem
Bunde bis auf den letzten Athemzug! Und fort mit
den Steinwaffen! Meint ihr, ich ſei gekommen, mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0310" n="297"/>
weiter in die Gelände hinein, wo die breiten Ströme<lb/>
durch Berg und Thal fließen, und links weithin bis<lb/>
an den Leman- und meinen geliebten Nuburik&#x017F;ee und<lb/>
weiter und weiter bis über das große Wa&#x017F;&#x017F;er zum<lb/>
Eiland, wo die Kymren wohnen. Sie werden kommen,<lb/>
die Uner&#x017F;ättlichen, die da meinen, &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en die Welt<lb/>
ver&#x017F;chlingen! Und ihr? Was &#x017F;ind eure Kriege gewe&#x017F;en<lb/>
bis heute? Untereinander um nichts und wieder nichts<lb/>
habt ihr euch zerflei&#x017F;cht! Eure Gefangenen gepfählt,<lb/>
gekreuzigt, auf jede &#x017F;cheusliche Art gemartert als Opfer<lb/>
für euer Scheu&#x017F;al von Grippo! Jetzt droht euch allen<lb/>
der Fremdling! In eure &#x017F;chwebenden Holzhütten wird<lb/>
er die Brandfackel &#x017F;chleudern, mit &#x017F;einen Erzwaffen,<lb/>
&#x017F;einer Ueberzahl, &#x017F;einer Kriegsordnung und fe&#x017F;tem Halt<lb/>
&#x017F;einer Schaaren euch zu Tau&#x017F;enden in die Sümpfe<lb/>
eurer Seen hineinwürgen, eure Weiber und Töchter<lb/>
&#x017F;chänden und in die Knecht&#x017F;chaft abführen, eure Kinder<lb/>
wie Zicklein ab&#x017F;chlachten! Schon &#x017F;eh' ich im Gei&#x017F;te die<lb/>
Feuer&#x017F;äulen, höre den Schlachtruf der Feinde, das<lb/>
Aechzen und Win&#x017F;eln der Sterbenden, der &#x017F;chmachvoll<lb/>
Mißhandelten! Auf! auf, &#x017F;o lang es Zeit i&#x017F;t! Einen<lb/>
fe&#x017F;ten Bund &#x017F;tiftet von Gemeinde zu Gemeinde, von<lb/>
Stamm zu Stamm! Dem unbekannten Gotte &#x2014; o,<lb/>
bei allen Himmeln, er i&#x017F;t auch der Gott des Vater¬<lb/>
lands! &#x2014; ihm an &#x017F;einem Altare &#x017F;chwört Treue dem<lb/>
Bunde bis auf den letzten Athemzug! Und fort mit<lb/>
den Steinwaffen! Meint ihr, ich &#x017F;ei gekommen, mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0310] weiter in die Gelände hinein, wo die breiten Ströme durch Berg und Thal fließen, und links weithin bis an den Leman- und meinen geliebten Nuburikſee und weiter und weiter bis über das große Waſſer zum Eiland, wo die Kymren wohnen. Sie werden kommen, die Unerſättlichen, die da meinen, ſie müſſen die Welt verſchlingen! Und ihr? Was ſind eure Kriege geweſen bis heute? Untereinander um nichts und wieder nichts habt ihr euch zerfleiſcht! Eure Gefangenen gepfählt, gekreuzigt, auf jede ſcheusliche Art gemartert als Opfer für euer Scheuſal von Grippo! Jetzt droht euch allen der Fremdling! In eure ſchwebenden Holzhütten wird er die Brandfackel ſchleudern, mit ſeinen Erzwaffen, ſeiner Ueberzahl, ſeiner Kriegsordnung und feſtem Halt ſeiner Schaaren euch zu Tauſenden in die Sümpfe eurer Seen hineinwürgen, eure Weiber und Töchter ſchänden und in die Knechtſchaft abführen, eure Kinder wie Zicklein abſchlachten! Schon ſeh' ich im Geiſte die Feuerſäulen, höre den Schlachtruf der Feinde, das Aechzen und Winſeln der Sterbenden, der ſchmachvoll Mißhandelten! Auf! auf, ſo lang es Zeit iſt! Einen feſten Bund ſtiftet von Gemeinde zu Gemeinde, von Stamm zu Stamm! Dem unbekannten Gotte — o, bei allen Himmeln, er iſt auch der Gott des Vater¬ lands! — ihm an ſeinem Altare ſchwört Treue dem Bunde bis auf den letzten Athemzug! Und fort mit den Steinwaffen! Meint ihr, ich ſei gekommen, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/310
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/310>, abgerufen am 02.06.2024.