Regelmäßig soll es kommen Und, ist es einmal entglommen, Klar verlaufen und uns frommen So sogar zur Läuterung.
Die Gemeinde hatte sich doch nicht ganz nur lau¬ schend verhalten; einige gesetzte ältere Bürger und sogar einige alte Frauen hatten es sich nicht nehmen lassen, nachdem sie sich in die alterthümliche Choral¬ melodie wieder eingehört, bei der zweiten Strophe ein¬ zufallen, die Weiber nicht ohne den gewissen Näsel¬ ton, der didaktischen Kirchenliedern im musikalischen Vortrag so gut ansteht, auch nicht ohne die Wagniß, bei gewissen Uebergängen angenehme Koloraturen an¬ zubringen. Die übrige Gesellschaft aber verharrte allerdings in der Rolle des bloßen Zuhörers, der ge¬ setztere Theil mit Gebärden und Mienen, die eine große Genugthuung kund gaben, ganz das Gefühl, wie wir es dem höchst einleuchtend Klaren gegenüber empfinden. Auf den jüngeren Gesichtern dagegen er¬ schien ein gewisser Ausdruck, den man in Süddeutsch¬ land mit dem Worte zu bezeichnen pflegt: er hat den Glotzer. Dieser Ausdruck war so weit als möglich entfernt von irgend einem Zeichen des Urtheils, wir würden sagen: unbeschreiblich dumm, wenn wir geneigt wären, über gewisse Zustände, worin wir unfähig sind, zu irgend einem Gegenstand in ein inneres Verhältniß zu treten, ein herbes Gericht zu halten. Der Druide hatte
Regelmäßig ſoll es kommen Und, iſt es einmal entglommen, Klar verlaufen und uns frommen So ſogar zur Läuterung.
Die Gemeinde hatte ſich doch nicht ganz nur lau¬ ſchend verhalten; einige geſetzte ältere Bürger und ſogar einige alte Frauen hatten es ſich nicht nehmen laſſen, nachdem ſie ſich in die alterthümliche Choral¬ melodie wieder eingehört, bei der zweiten Strophe ein¬ zufallen, die Weiber nicht ohne den gewiſſen Näſel¬ ton, der didaktiſchen Kirchenliedern im muſikaliſchen Vortrag ſo gut anſteht, auch nicht ohne die Wagniß, bei gewiſſen Uebergängen angenehme Koloraturen an¬ zubringen. Die übrige Geſellſchaft aber verharrte allerdings in der Rolle des bloßen Zuhörers, der ge¬ ſetztere Theil mit Gebärden und Mienen, die eine große Genugthuung kund gaben, ganz das Gefühl, wie wir es dem höchſt einleuchtend Klaren gegenüber empfinden. Auf den jüngeren Geſichtern dagegen er¬ ſchien ein gewiſſer Ausdruck, den man in Süddeutſch¬ land mit dem Worte zu bezeichnen pflegt: er hat den Glotzer. Dieſer Ausdruck war ſo weit als möglich entfernt von irgend einem Zeichen des Urtheils, wir würden ſagen: unbeſchreiblich dumm, wenn wir geneigt wären, über gewiſſe Zuſtände, worin wir unfähig ſind, zu irgend einem Gegenſtand in ein inneres Verhältniß zu treten, ein herbes Gericht zu halten. Der Druide hatte
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Regelmäßig ſoll es kommen
Und, iſt es einmal entglommen,
Klar verlaufen und uns frommen
So ſogar zur Läuterung.
Die Gemeinde hatte ſich doch nicht ganz nur lau¬
ſchend verhalten; einige geſetzte ältere Bürger und
ſogar einige alte Frauen hatten es ſich nicht nehmen
laſſen, nachdem ſie ſich in die alterthümliche Choral¬
melodie wieder eingehört, bei der zweiten Strophe ein¬
zufallen, die Weiber nicht ohne den gewiſſen Näſel¬
ton, der didaktiſchen Kirchenliedern im muſikaliſchen
Vortrag ſo gut anſteht, auch nicht ohne die Wagniß,
bei gewiſſen Uebergängen angenehme Koloraturen an¬
zubringen. Die übrige Geſellſchaft aber verharrte
allerdings in der Rolle des bloßen Zuhörers, der ge¬
ſetztere Theil mit Gebärden und Mienen, die eine
große Genugthuung kund gaben, ganz das Gefühl,
wie wir es dem höchſt einleuchtend Klaren gegenüber
empfinden. Auf den jüngeren Geſichtern dagegen er¬
ſchien ein gewiſſer Ausdruck, den man in Süddeutſch¬
land mit dem Worte zu bezeichnen pflegt: er hat den
Glotzer. Dieſer Ausdruck war ſo weit als möglich
entfernt von irgend einem Zeichen des Urtheils, wir
würden ſagen: unbeſchreiblich dumm, wenn wir geneigt
wären, über gewiſſe Zuſtände, worin wir unfähig ſind,
zu irgend einem Gegenſtand in ein inneres Verhältniß
zu treten, ein herbes Gericht zu halten. Der Druide hatte
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/342>, abgerufen am 23.12.2024.
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