der Mechanismen ihre ganze Kraft und Fülle zu ent¬ wickeln bei den drei gleichreimigen Zeilen in der Mitte der Strophen, und noch unendlich mehr bei den aus der Tiefe des Wesens der Sache und der Sprache mit dunkelgewisser Symbolik des Klanggefühls geholten Lautfiguren je in der letzten Zeile. Diesem Schlusse gieng aber in jeder Strophe wieder eine Leistung der sanften Blättler voraus, denn ihnen war vorherrschend die Begleitung der Anrufungen der Göttin in der dritt- und vorletzten Zeile übergeben, schön lösten sie die Aufgabe, an dieser Stelle in die weichen Modula¬ tionen der Versanfänge zurückzulenken, und so bewegte sich denn die volle, mächtige Orchesterentfaltung zwei¬ mal in jeder Strophe durch eine Welt lebendiger Kontraste zum seelenvollen Schluß. Wie sollte man nun mit den Mitteln der Sprache sagen können, welchen Ausdruck das gewisse Spitzscharfe der I und Z in dem: "kitzliche, bitzliche, kritzliche" durch die neuen Ton¬ mittel fand! Mehrere Zuhörer mußten unmittelbar niesen und husten, es fuhr ihnen, wie vom Ohr in die Seele, so von der Seele flugs in die Nase. Be¬ kannt ist, daß bei den schnuppigen Vorgängen in Nase, Rachen und Lippen neben anderen akuteren auch ge¬ wisse blasende Töne erscheinen; diese höchst feine Nüance kam in der Exekution des "Pfisala, Pfnisala, Pfeia" zu ungeahnter, geradezu hinreißender Geltung. Im fol¬ genden Vers das dumpf Verschlossene, Luftsuchende in
der Mechanismen ihre ganze Kraft und Fülle zu ent¬ wickeln bei den drei gleichreimigen Zeilen in der Mitte der Strophen, und noch unendlich mehr bei den aus der Tiefe des Weſens der Sache und der Sprache mit dunkelgewiſſer Symbolik des Klanggefühls geholten Lautfiguren je in der letzten Zeile. Dieſem Schluſſe gieng aber in jeder Strophe wieder eine Leiſtung der ſanften Blättler voraus, denn ihnen war vorherrſchend die Begleitung der Anrufungen der Göttin in der dritt- und vorletzten Zeile übergeben, ſchön lösten ſie die Aufgabe, an dieſer Stelle in die weichen Modula¬ tionen der Versanfänge zurückzulenken, und ſo bewegte ſich denn die volle, mächtige Orcheſterentfaltung zwei¬ mal in jeder Strophe durch eine Welt lebendiger Kontraſte zum ſeelenvollen Schluß. Wie ſollte man nun mit den Mitteln der Sprache ſagen können, welchen Ausdruck das gewiſſe Spitzſcharfe der I und Z in dem: „kitzliche, bitzliche, kritzliche“ durch die neuen Ton¬ mittel fand! Mehrere Zuhörer mußten unmittelbar nieſen und huſten, es fuhr ihnen, wie vom Ohr in die Seele, ſo von der Seele flugs in die Naſe. Be¬ kannt iſt, daß bei den ſchnuppigen Vorgängen in Naſe, Rachen und Lippen neben anderen akuteren auch ge¬ wiſſe blaſende Töne erſcheinen; dieſe höchſt feine Nüance kam in der Exekution des „Pfiſala, Pfniſala, Pfeia“ zu ungeahnter, geradezu hinreißender Geltung. Im fol¬ genden Vers das dumpf Verſchloſſene, Luftſuchende in
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der Mechanismen ihre ganze Kraft und Fülle zu ent¬
wickeln bei den drei gleichreimigen Zeilen in der
Mitte der Strophen, und noch unendlich mehr bei den
aus der Tiefe des Weſens der Sache und der Sprache
mit dunkelgewiſſer Symbolik des Klanggefühls geholten
Lautfiguren je in der letzten Zeile. Dieſem Schluſſe
gieng aber in jeder Strophe wieder eine Leiſtung der
ſanften Blättler voraus, denn ihnen war vorherrſchend
die Begleitung der Anrufungen der Göttin in der
dritt- und vorletzten Zeile übergeben, ſchön lösten ſie
die Aufgabe, an dieſer Stelle in die weichen Modula¬
tionen der Versanfänge zurückzulenken, und ſo bewegte
ſich denn die volle, mächtige Orcheſterentfaltung zwei¬
mal in jeder Strophe durch eine Welt lebendiger
Kontraſte zum ſeelenvollen Schluß. Wie ſollte man
nun mit den Mitteln der Sprache ſagen können, welchen
Ausdruck das gewiſſe Spitzſcharfe der I und Z in
dem: „kitzliche, bitzliche, kritzliche“ durch die neuen Ton¬
mittel fand! Mehrere Zuhörer mußten unmittelbar
nieſen und huſten, es fuhr ihnen, wie vom Ohr in
die Seele, ſo von der Seele flugs in die Naſe. Be¬
kannt iſt, daß bei den ſchnuppigen Vorgängen in Naſe,
Rachen und Lippen neben anderen akuteren auch ge¬
wiſſe blaſende Töne erſcheinen; dieſe höchſt feine Nüance
kam in der Exekution des „Pfiſala, Pfniſala, Pfeia“ zu
ungeahnter, geradezu hinreißender Geltung. Im fol¬
genden Vers das dumpf Verſchloſſene, Luftſuchende in
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/346>, abgerufen am 23.12.2024.
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