Menschen, die sich von den Teufeln aufstiften lassen. Wir giengen einmal just in dieser Gegend hinter drei Menschen her, welche die Breite der Fußbank ein¬ nahmen und uns zu langsam sich vorwärts bewegten. An ihnen vorüberzukommen, will A. E. einmal, zwei¬ mal den Moment benützen, wo sich ein Zwischenraum zwischen oder neben den Dreien ergab, jedesmal wird uns der freie Raum verrannt, und als das zum dritten Mal kam, verlor er die Fassung so sehr, daß er dem harmlosen, unbekannten Thäter im Anstreifen zurief: ,Welcher Teufel führt Sie in meine Thermopylen?' Der Herr schoß mit einem unwilligen Grunzen weiter, kehrte dann rasch um, holte A. E. ein, hielt ihn an einem Rockknopf und sagte: ,Wohin, Herr Leonidas? nach Fernau?' (unsere Irrenanstalt). -- ,Nein, o Xerxes, nur zum Hades!' antwortet A. E. sehr ruhig und ernst. Im Weitergehen sagte er mir, es habe ihm allen Zorn niedergeschlagen, daß der Herr etwas griechi¬ sche Geschichte wisse. -- Es war kurz vor seinem Tode."
"Hübsch, daß Sie mir das erzählen," sagte ich, "ein Bild des Lebens --"
"Nicht wahr? Dieß Durchkreuztwerden im Gehen,
,Wenn aller Wesen unharmonische Menge Verdrießlich durcheinander klingt.'
Und sein straffes Zielen im Gang ein rechtes Bild von jenen Menschen, die von einem besonders feinen und scharfen Gefühl des Zweckmäßigen heimgesucht sind --"
Menſchen, die ſich von den Teufeln aufſtiften laſſen. Wir giengen einmal juſt in dieſer Gegend hinter drei Menſchen her, welche die Breite der Fußbank ein¬ nahmen und uns zu langſam ſich vorwärts bewegten. An ihnen vorüberzukommen, will A. E. einmal, zwei¬ mal den Moment benützen, wo ſich ein Zwiſchenraum zwiſchen oder neben den Dreien ergab, jedesmal wird uns der freie Raum verrannt, und als das zum dritten Mal kam, verlor er die Faſſung ſo ſehr, daß er dem harmloſen, unbekannten Thäter im Anſtreifen zurief: ‚Welcher Teufel führt Sie in meine Thermopylen?' Der Herr ſchoß mit einem unwilligen Grunzen weiter, kehrte dann raſch um, holte A. E. ein, hielt ihn an einem Rockknopf und ſagte: ‚Wohin, Herr Leonidas? nach Fernau?' (unſere Irrenanſtalt). — ‚Nein, o Xerxes, nur zum Hades!' antwortet A. E. ſehr ruhig und ernſt. Im Weitergehen ſagte er mir, es habe ihm allen Zorn niedergeſchlagen, daß der Herr etwas griechi¬ ſche Geſchichte wiſſe. — Es war kurz vor ſeinem Tode.“
„Hübſch, daß Sie mir das erzählen,“ ſagte ich, „ein Bild des Lebens —“
„Nicht wahr? Dieß Durchkreuztwerden im Gehen,
‚Wenn aller Weſen unharmoniſche Menge Verdrießlich durcheinander klingt.'
Und ſein ſtraffes Zielen im Gang ein rechtes Bild von jenen Menſchen, die von einem beſonders feinen und ſcharfen Gefühl des Zweckmäßigen heimgeſucht ſind —“
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Menſchen, die ſich von den Teufeln aufſtiften laſſen.
Wir giengen einmal juſt in dieſer Gegend hinter drei
Menſchen her, welche die Breite der Fußbank ein¬
nahmen und uns zu langſam ſich vorwärts bewegten.
An ihnen vorüberzukommen, will A. E. einmal, zwei¬
mal den Moment benützen, wo ſich ein Zwiſchenraum
zwiſchen oder neben den Dreien ergab, jedesmal wird
uns der freie Raum verrannt, und als das zum dritten
Mal kam, verlor er die Faſſung ſo ſehr, daß er dem
harmloſen, unbekannten Thäter im Anſtreifen zurief:
‚Welcher Teufel führt Sie in meine Thermopylen?'
Der Herr ſchoß mit einem unwilligen Grunzen weiter,
kehrte dann raſch um, holte A. E. ein, hielt ihn an
einem Rockknopf und ſagte: ‚Wohin, Herr Leonidas?
nach Fernau?' (unſere Irrenanſtalt). — ‚Nein, o
Xerxes, nur zum Hades!' antwortet A. E. ſehr ruhig
und ernſt. Im Weitergehen ſagte er mir, es habe ihm
allen Zorn niedergeſchlagen, daß der Herr etwas griechi¬
ſche Geſchichte wiſſe. — Es war kurz vor ſeinem Tode.“
„Hübſch, daß Sie mir das erzählen,“ ſagte ich,
„ein Bild des Lebens —“
„Nicht wahr? Dieß Durchkreuztwerden im Gehen,
‚Wenn aller Weſen unharmoniſche Menge
Verdrießlich durcheinander klingt.'
Und ſein ſtraffes Zielen im Gang ein rechtes Bild
von jenen Menſchen, die von einem beſonders feinen und
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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