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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Mit Seufzen packte ich das Manuskript zusammen,
als ich es gelesen, und barg es bei den Papieren, die
ich am sorglichsten verwahre. Je mehr es mich rührte,
daß der Mann, mit dem ich menschlich einst in so
eigenthümliche Berührung gekommen, mich nun so
vertraut auch in die Gänge seines Talents blicken
ließ, desto stärker wollte sich der Unmuth in mir
melden, daß er mit seiner Person solch' grillenhaft
heimliches Wesen trieb. Von Zeit zu Zeit überfiel
mich auch einfach die Neugierde, ein paarmal schoß
der Gedanke in mir auf, ich wolle schnell nach Italien
aufbrechen, seine Spuren aufsuchen, seinen Namen
und Stand erkunden. Doch ebenso schnell faßte ich
mich nach solchen Momenten und sagte mir, daß das
kindisch wäre. Und gerade diese Selbstrüge führte
auch wieder zu gerechterer Auffassung jener Grille.
Mußte ich mir gestehen, daß ein solcher Spürungs¬
gang ein kleinliches Thun wäre, so war damit auch
anerkannt, daß es gar so unnatürlich eben nicht war,
wenn der Sonderling die Anhängsel seiner Persönlich¬
keit, Namen, Heimat, Stand verbarg und nur Mensch
zu Mensch sich stellen wollte. Freilich konnte auch
diese Erwägung nicht immer vorhalten; denn jene
Anhängsel sind ja das Mittel, wodurch Menschen, die
sich kennen gelernt, sich menschlich nahe getreten, ein¬
ander wieder auffinden können. Warum sollte ich ihn,
warum wollte er mich nicht wiedersehen? Dieß war

Mit Seufzen packte ich das Manuſkript zuſammen,
als ich es geleſen, und barg es bei den Papieren, die
ich am ſorglichſten verwahre. Je mehr es mich rührte,
daß der Mann, mit dem ich menſchlich einſt in ſo
eigenthümliche Berührung gekommen, mich nun ſo
vertraut auch in die Gänge ſeines Talents blicken
ließ, deſto ſtärker wollte ſich der Unmuth in mir
melden, daß er mit ſeiner Perſon ſolch' grillenhaft
heimliches Weſen trieb. Von Zeit zu Zeit überfiel
mich auch einfach die Neugierde, ein paarmal ſchoß
der Gedanke in mir auf, ich wolle ſchnell nach Italien
aufbrechen, ſeine Spuren aufſuchen, ſeinen Namen
und Stand erkunden. Doch ebenſo ſchnell faßte ich
mich nach ſolchen Momenten und ſagte mir, daß das
kindiſch wäre. Und gerade dieſe Selbſtrüge führte
auch wieder zu gerechterer Auffaſſung jener Grille.
Mußte ich mir geſtehen, daß ein ſolcher Spürungs¬
gang ein kleinliches Thun wäre, ſo war damit auch
anerkannt, daß es gar ſo unnatürlich eben nicht war,
wenn der Sonderling die Anhängſel ſeiner Perſönlich¬
keit, Namen, Heimat, Stand verbarg und nur Menſch
zu Menſch ſich ſtellen wollte. Freilich konnte auch
dieſe Erwägung nicht immer vorhalten; denn jene
Anhängſel ſind ja das Mittel, wodurch Menſchen, die
ſich kennen gelernt, ſich menſchlich nahe getreten, ein¬
ander wieder auffinden können. Warum ſollte ich ihn,
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[3/0016] Mit Seufzen packte ich das Manuſkript zuſammen, als ich es geleſen, und barg es bei den Papieren, die ich am ſorglichſten verwahre. Je mehr es mich rührte, daß der Mann, mit dem ich menſchlich einſt in ſo eigenthümliche Berührung gekommen, mich nun ſo vertraut auch in die Gänge ſeines Talents blicken ließ, deſto ſtärker wollte ſich der Unmuth in mir melden, daß er mit ſeiner Perſon ſolch' grillenhaft heimliches Weſen trieb. Von Zeit zu Zeit überfiel mich auch einfach die Neugierde, ein paarmal ſchoß der Gedanke in mir auf, ich wolle ſchnell nach Italien aufbrechen, ſeine Spuren aufſuchen, ſeinen Namen und Stand erkunden. Doch ebenſo ſchnell faßte ich mich nach ſolchen Momenten und ſagte mir, daß das kindiſch wäre. Und gerade dieſe Selbſtrüge führte auch wieder zu gerechterer Auffaſſung jener Grille. Mußte ich mir geſtehen, daß ein ſolcher Spürungs¬ gang ein kleinliches Thun wäre, ſo war damit auch anerkannt, daß es gar ſo unnatürlich eben nicht war, wenn der Sonderling die Anhängſel ſeiner Perſönlich¬ keit, Namen, Heimat, Stand verbarg und nur Menſch zu Menſch ſich ſtellen wollte. Freilich konnte auch dieſe Erwägung nicht immer vorhalten; denn jene Anhängſel ſind ja das Mittel, wodurch Menſchen, die ſich kennen gelernt, ſich menſchlich nahe getreten, ein¬ ander wieder auffinden können. Warum ſollte ich ihn, warum wollte er mich nicht wiederſehen? Dieß war

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/16>, abgerufen am 21.11.2024.