Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

es auch recht sein. Recht: das heißt gerichtet nach
absoluter Richtschnur.


Ich hab', glaub' ich, schon einmal in diese Blätter
geschrieben, dem Pessimismus gehe ein verborgener
Rest von Theismus nach. Sie wollen sich's nicht ge¬
stehen, daß sie den Kinderbegriff von einem Gott nicht
los werden, der zwischen verschiedenen möglichen Welten
wählte. Das beweist eben ihr Schlechtfinden "dieser"
Welt. Gut oder schlecht kann im Grunde nur sein,
was Jemand gemacht hat. Die Welt kann nicht ge¬
macht sein, weil die Kategorie Kausalität nur inner¬
halb des Ganzen, nicht für das Ganze gelten kann.
Was von selbst ist, ist weder gut noch schlecht, sondern
nothwendig. Es kann Einzelnes im Naturreiche für
mich gut oder schlecht sein, aber nicht vom Naturreiche
bloß (gegenüber dem moralischen Reiche) spricht man,
wenn vom Universum die Rede ist und man es noth¬
wendig nennt, sondern vom Ganzen. Wer dieß Ganze
tadelt, der meint, es sei ein Machwerk. -- Eine gute
Arznei gegen die Uebel darin oder eigentlich gegen die
Klage darüber ist und bleibt Beyle's Satz: ce qui
excuse Dieu, c'est, qu'il n'existe pas
. Uebrigens
war der Taugenichts Beyle ein Narr, der trotz diesem
guten, echt religiösen Wort einen persönlichen Gott
glaubte und haßte wie der Krämer von Brackniz.


es auch recht ſein. Recht: das heißt gerichtet nach
abſoluter Richtſchnur.


Ich hab', glaub’ ich, ſchon einmal in dieſe Blätter
geſchrieben, dem Peſſimismus gehe ein verborgener
Reſt von Theismus nach. Sie wollen ſich’s nicht ge¬
ſtehen, daß ſie den Kinderbegriff von einem Gott nicht
los werden, der zwiſchen verſchiedenen möglichen Welten
wählte. Das beweist eben ihr Schlechtfinden „dieſer“
Welt. Gut oder ſchlecht kann im Grunde nur ſein,
was Jemand gemacht hat. Die Welt kann nicht ge¬
macht ſein, weil die Kategorie Kauſalität nur inner¬
halb des Ganzen, nicht für das Ganze gelten kann.
Was von ſelbſt iſt, iſt weder gut noch ſchlecht, ſondern
nothwendig. Es kann Einzelnes im Naturreiche für
mich gut oder ſchlecht ſein, aber nicht vom Naturreiche
bloß (gegenüber dem moraliſchen Reiche) ſpricht man,
wenn vom Univerſum die Rede iſt und man es noth¬
wendig nennt, ſondern vom Ganzen. Wer dieß Ganze
tadelt, der meint, es ſei ein Machwerk. — Eine gute
Arznei gegen die Uebel darin oder eigentlich gegen die
Klage darüber iſt und bleibt Beyle’s Satz: ce qui
excuse Dieu, c'est, qu'il n'existe pas
. Uebrigens
war der Taugenichts Beyle ein Narr, der trotz dieſem
guten, echt religiöſen Wort einen perſönlichen Gott
glaubte und haßte wie der Krämer von Brackniz.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0234" n="221"/>
es auch recht &#x017F;ein. Recht: das heißt gerichtet nach<lb/>
ab&#x017F;oluter Richt&#x017F;chnur.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ich hab', glaub&#x2019; ich, &#x017F;chon einmal in die&#x017F;e Blätter<lb/>
ge&#x017F;chrieben, dem Pe&#x017F;&#x017F;imismus gehe ein verborgener<lb/>
Re&#x017F;t von Theismus nach. Sie wollen &#x017F;ich&#x2019;s nicht ge¬<lb/>
&#x017F;tehen, daß &#x017F;ie den Kinderbegriff von einem Gott nicht<lb/>
los werden, der zwi&#x017F;chen ver&#x017F;chiedenen möglichen Welten<lb/>
wählte. Das beweist eben ihr Schlechtfinden &#x201E;die&#x017F;er&#x201C;<lb/>
Welt. Gut oder &#x017F;chlecht kann im Grunde nur &#x017F;ein,<lb/>
was Jemand gemacht hat. Die Welt kann nicht ge¬<lb/>
macht &#x017F;ein, weil die Kategorie Kau&#x017F;alität nur inner¬<lb/>
halb des Ganzen, nicht für das Ganze gelten kann.<lb/>
Was von &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, i&#x017F;t weder gut noch &#x017F;chlecht, &#x017F;ondern<lb/>
nothwendig. Es kann Einzelnes im Naturreiche für<lb/>
mich gut oder &#x017F;chlecht &#x017F;ein, aber nicht vom Naturreiche<lb/>
bloß (gegenüber dem morali&#x017F;chen Reiche) &#x017F;pricht man,<lb/>
wenn vom Univer&#x017F;um die Rede i&#x017F;t und man es noth¬<lb/>
wendig nennt, &#x017F;ondern vom Ganzen. Wer dieß Ganze<lb/>
tadelt, der meint, es &#x017F;ei ein Machwerk. &#x2014; Eine gute<lb/>
Arznei gegen die Uebel darin oder eigentlich gegen die<lb/>
Klage darüber i&#x017F;t und bleibt Beyle&#x2019;s Satz: <hi rendition="#aq">ce qui<lb/>
excuse Dieu, c'est, qu'il n'existe pas</hi>. Uebrigens<lb/>
war der Taugenichts Beyle ein Narr, der trotz die&#x017F;em<lb/>
guten, echt religiö&#x017F;en Wort einen per&#x017F;önlichen Gott<lb/>
glaubte und haßte wie der Krämer von Brackniz.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0234] es auch recht ſein. Recht: das heißt gerichtet nach abſoluter Richtſchnur. Ich hab', glaub’ ich, ſchon einmal in dieſe Blätter geſchrieben, dem Peſſimismus gehe ein verborgener Reſt von Theismus nach. Sie wollen ſich’s nicht ge¬ ſtehen, daß ſie den Kinderbegriff von einem Gott nicht los werden, der zwiſchen verſchiedenen möglichen Welten wählte. Das beweist eben ihr Schlechtfinden „dieſer“ Welt. Gut oder ſchlecht kann im Grunde nur ſein, was Jemand gemacht hat. Die Welt kann nicht ge¬ macht ſein, weil die Kategorie Kauſalität nur inner¬ halb des Ganzen, nicht für das Ganze gelten kann. Was von ſelbſt iſt, iſt weder gut noch ſchlecht, ſondern nothwendig. Es kann Einzelnes im Naturreiche für mich gut oder ſchlecht ſein, aber nicht vom Naturreiche bloß (gegenüber dem moraliſchen Reiche) ſpricht man, wenn vom Univerſum die Rede iſt und man es noth¬ wendig nennt, ſondern vom Ganzen. Wer dieß Ganze tadelt, der meint, es ſei ein Machwerk. — Eine gute Arznei gegen die Uebel darin oder eigentlich gegen die Klage darüber iſt und bleibt Beyle’s Satz: ce qui excuse Dieu, c'est, qu'il n'existe pas. Uebrigens war der Taugenichts Beyle ein Narr, der trotz dieſem guten, echt religiöſen Wort einen perſönlichen Gott glaubte und haßte wie der Krämer von Brackniz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/234
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/234>, abgerufen am 23.11.2024.