Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

stehen, blinzten mich an und hängten die Schweife.
Es war ein großer Hatzrüde von der gelbgrau ge¬
strömten Rasse und ein borstiger Rattenfänger. Ich
betrachtete sie mir und redete sie wie alte Bekannte
an, denn das waren sie doch, da ihr verlorener Herr
sie mir ja im Geist längst schon vorgeführt hatte. --
"Ach, ihr guten Kerle, gelt, 's ist eben nicht euer
Herr, der kommt nicht mehr." Die Thiere win¬
selten leise und giengen mir die Treppe hinauf zur
Thüre voran, die nun geöffnet wurde, ehe ich sie er¬
reicht hatte. Eine Frau im Alter von etwa fünfzig
Jahren, ganz in Schwarz gekleidet, kam mir entgegen;
ich nannte meinen Namen. -- "Ach, sind Sie's?"
rief sie, "es war mir doch vor, ich hab's gleich ge¬
dacht! Denken Sie, ich bin zusammengefahren, als Sie
schellten! Sie ziehen die Glocke ganz wie der Herr
selig!" -- Sie gab mir die Hand, führte mich in ein
behagliches getäfeltes Zimmer, worin auf dem Fenster¬
sims ein großer Kater ruhte und halbschläfrig nach
mir hersah. Wir standen uns gegenüber und sahen
uns in die Augen. Sie weinte und auch ich konnte
die Thränen nicht unterdrücken. Mit gebrochener
Stimme brachte sie nach einer Pause hervor: "O, wie
ist das unglücklich gegangen! Er hat mir von Ihnen
erzählt, ich weiß, daß Sie die Pfahldorfgeschichte haben,
ich hab' ihm recht Vorwürfe gemacht, daß er so grund¬
los Geheimniß hielt, er war darin gar so eigensinnig,

ſtehen, blinzten mich an und hängten die Schweife.
Es war ein großer Hatzrüde von der gelbgrau ge¬
ſtrömten Raſſe und ein borſtiger Rattenfänger. Ich
betrachtete ſie mir und redete ſie wie alte Bekannte
an, denn das waren ſie doch, da ihr verlorener Herr
ſie mir ja im Geiſt längſt ſchon vorgeführt hatte. —
„Ach, ihr guten Kerle, gelt, 's iſt eben nicht euer
Herr, der kommt nicht mehr.“ Die Thiere win¬
ſelten leiſe und giengen mir die Treppe hinauf zur
Thüre voran, die nun geöffnet wurde, ehe ich ſie er¬
reicht hatte. Eine Frau im Alter von etwa fünfzig
Jahren, ganz in Schwarz gekleidet, kam mir entgegen;
ich nannte meinen Namen. — „Ach, ſind Sie's?“
rief ſie, „es war mir doch vor, ich hab's gleich ge¬
dacht! Denken Sie, ich bin zuſammengefahren, als Sie
ſchellten! Sie ziehen die Glocke ganz wie der Herr
ſelig!“ — Sie gab mir die Hand, führte mich in ein
behagliches getäfeltes Zimmer, worin auf dem Fenſter¬
ſims ein großer Kater ruhte und halbſchläfrig nach
mir herſah. Wir ſtanden uns gegenüber und ſahen
uns in die Augen. Sie weinte und auch ich konnte
die Thränen nicht unterdrücken. Mit gebrochener
Stimme brachte ſie nach einer Pauſe hervor: „O, wie
iſt das unglücklich gegangen! Er hat mir von Ihnen
erzählt, ich weiß, daß Sie die Pfahldorfgeſchichte haben,
ich hab' ihm recht Vorwürfe gemacht, daß er ſo grund¬
los Geheimniß hielt, er war darin gar ſo eigenſinnig,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0024" n="11"/>
&#x017F;tehen, blinzten mich an und hängten die Schweife.<lb/>
Es war ein großer Hatzrüde von der gelbgrau ge¬<lb/>
&#x017F;trömten Ra&#x017F;&#x017F;e und ein bor&#x017F;tiger Rattenfänger. Ich<lb/>
betrachtete &#x017F;ie mir und redete &#x017F;ie wie alte Bekannte<lb/>
an, denn das waren &#x017F;ie doch, da ihr verlorener Herr<lb/>
&#x017F;ie mir ja im Gei&#x017F;t läng&#x017F;t &#x017F;chon vorgeführt hatte. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ach, ihr guten Kerle, gelt, 's i&#x017F;t eben nicht euer<lb/>
Herr, der kommt nicht mehr.&#x201C; Die Thiere win¬<lb/>
&#x017F;elten lei&#x017F;e und giengen mir die Treppe hinauf zur<lb/>
Thüre voran, die nun geöffnet wurde, ehe ich &#x017F;ie er¬<lb/>
reicht hatte. Eine Frau im Alter von etwa fünfzig<lb/>
Jahren, ganz in Schwarz gekleidet, kam mir entgegen;<lb/>
ich nannte meinen Namen. &#x2014; &#x201E;Ach, &#x017F;ind Sie's?&#x201C;<lb/>
rief &#x017F;ie, &#x201E;es war mir doch vor, ich hab's gleich ge¬<lb/>
dacht! Denken Sie, ich bin zu&#x017F;ammengefahren, als Sie<lb/>
&#x017F;chellten! Sie ziehen die Glocke ganz wie der Herr<lb/>
&#x017F;elig!&#x201C; &#x2014; Sie gab mir die Hand, führte mich in ein<lb/>
behagliches getäfeltes Zimmer, worin auf dem Fen&#x017F;ter¬<lb/>
&#x017F;ims ein großer Kater ruhte und halb&#x017F;chläfrig nach<lb/>
mir her&#x017F;ah. Wir &#x017F;tanden uns gegenüber und &#x017F;ahen<lb/>
uns in die Augen. Sie weinte und auch ich konnte<lb/>
die Thränen nicht unterdrücken. Mit gebrochener<lb/>
Stimme brachte &#x017F;ie nach einer Pau&#x017F;e hervor: &#x201E;O, wie<lb/>
i&#x017F;t das unglücklich gegangen! Er hat mir von Ihnen<lb/>
erzählt, ich weiß, daß Sie die Pfahldorfge&#x017F;chichte haben,<lb/>
ich hab' ihm recht Vorwürfe gemacht, daß er &#x017F;o grund¬<lb/>
los Geheimniß hielt, er war darin gar &#x017F;o eigen&#x017F;innig,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0024] ſtehen, blinzten mich an und hängten die Schweife. Es war ein großer Hatzrüde von der gelbgrau ge¬ ſtrömten Raſſe und ein borſtiger Rattenfänger. Ich betrachtete ſie mir und redete ſie wie alte Bekannte an, denn das waren ſie doch, da ihr verlorener Herr ſie mir ja im Geiſt längſt ſchon vorgeführt hatte. — „Ach, ihr guten Kerle, gelt, 's iſt eben nicht euer Herr, der kommt nicht mehr.“ Die Thiere win¬ ſelten leiſe und giengen mir die Treppe hinauf zur Thüre voran, die nun geöffnet wurde, ehe ich ſie er¬ reicht hatte. Eine Frau im Alter von etwa fünfzig Jahren, ganz in Schwarz gekleidet, kam mir entgegen; ich nannte meinen Namen. — „Ach, ſind Sie's?“ rief ſie, „es war mir doch vor, ich hab's gleich ge¬ dacht! Denken Sie, ich bin zuſammengefahren, als Sie ſchellten! Sie ziehen die Glocke ganz wie der Herr ſelig!“ — Sie gab mir die Hand, führte mich in ein behagliches getäfeltes Zimmer, worin auf dem Fenſter¬ ſims ein großer Kater ruhte und halbſchläfrig nach mir herſah. Wir ſtanden uns gegenüber und ſahen uns in die Augen. Sie weinte und auch ich konnte die Thränen nicht unterdrücken. Mit gebrochener Stimme brachte ſie nach einer Pauſe hervor: „O, wie iſt das unglücklich gegangen! Er hat mir von Ihnen erzählt, ich weiß, daß Sie die Pfahldorfgeſchichte haben, ich hab' ihm recht Vorwürfe gemacht, daß er ſo grund¬ los Geheimniß hielt, er war darin gar ſo eigenſinnig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/24
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/24>, abgerufen am 23.11.2024.