doch gegen das Ende ist er milder geworden und als die Sachen ankamen mit Ihrer Karte, so wollte er Ihnen schreiben oder Sie besuchen, aber dann ver¬ schleppte er es wieder, nun kam das Unglück und darnach in seinen letzten Stunden hat er noch einmal von Ihnen gesprochen und mir das Versprechen ab¬ genommen, Sie noch recht herzlich zu grüßen, auch noch einen Auftrag gegeben, von dem wir ein ander¬ mal reden wollen."
"Und das Unglück? Wie ist es geschehen?"
Wir hatten uns gesetzt.
Sie fieng an: "Mein Vetter war seit der Nach¬ richt von der Schlacht bei Gravelotte --"
Sie wurde durch ein Klopfen unterbrochen. Ein Polizeidiener trat ein, blieb an der Thüre stehen und sagte, den Kopf schief haltend und schmunzelnd: "Frau Hedwig, 's Gewöhnliche!"
Die Frau wurde hochroth bis unter die Stirn¬ haare, gieng zu einem Schranke, holte Münze heraus und gab sie dem Polizeimann, der immer noch halb¬ lächelnd mit Verbeugung abgieng.
Ich hatte verstanden -- das Glas! Also auch sie -- auch diese sichtbar so gehaltene, verständige Frau! --
Sie machte sich beiseite zu schaffen, suchte ihr Ge¬ sicht zu verbergen, besann sich aber, trat vor mich, sah mich fest an und sagte: "Göschenen -- ich weiß." Mir kam mitten im Weh das Lachen, ihr auch und
doch gegen das Ende iſt er milder geworden und als die Sachen ankamen mit Ihrer Karte, ſo wollte er Ihnen ſchreiben oder Sie beſuchen, aber dann ver¬ ſchleppte er es wieder, nun kam das Unglück und darnach in ſeinen letzten Stunden hat er noch einmal von Ihnen geſprochen und mir das Verſprechen ab¬ genommen, Sie noch recht herzlich zu grüßen, auch noch einen Auftrag gegeben, von dem wir ein ander¬ mal reden wollen.“
„Und das Unglück? Wie iſt es geſchehen?“
Wir hatten uns geſetzt.
Sie fieng an: „Mein Vetter war ſeit der Nach¬ richt von der Schlacht bei Gravelotte —“
Sie wurde durch ein Klopfen unterbrochen. Ein Polizeidiener trat ein, blieb an der Thüre ſtehen und ſagte, den Kopf ſchief haltend und ſchmunzelnd: „Frau Hedwig, 's Gewöhnliche!“
Die Frau wurde hochroth bis unter die Stirn¬ haare, gieng zu einem Schranke, holte Münze heraus und gab ſie dem Polizeimann, der immer noch halb¬ lächelnd mit Verbeugung abgieng.
Ich hatte verſtanden — das Glas! Alſo auch ſie — auch dieſe ſichtbar ſo gehaltene, verſtändige Frau! —
Sie machte ſich beiſeite zu ſchaffen, ſuchte ihr Ge¬ ſicht zu verbergen, beſann ſich aber, trat vor mich, ſah mich feſt an und ſagte: „Göſchenen — ich weiß.“ Mir kam mitten im Weh das Lachen, ihr auch und
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doch gegen das Ende iſt er milder geworden und als
die Sachen ankamen mit Ihrer Karte, ſo wollte er
Ihnen ſchreiben oder Sie beſuchen, aber dann ver¬
ſchleppte er es wieder, nun kam das Unglück und
darnach in ſeinen letzten Stunden hat er noch einmal
von Ihnen geſprochen und mir das Verſprechen ab¬
genommen, Sie noch recht herzlich zu grüßen, auch
noch einen Auftrag gegeben, von dem wir ein ander¬
mal reden wollen.“
„Und das Unglück? Wie iſt es geſchehen?“
Wir hatten uns geſetzt.
Sie fieng an: „Mein Vetter war ſeit der Nach¬
richt von der Schlacht bei Gravelotte —“
Sie wurde durch ein Klopfen unterbrochen. Ein
Polizeidiener trat ein, blieb an der Thüre ſtehen und
ſagte, den Kopf ſchief haltend und ſchmunzelnd: „Frau
Hedwig, 's Gewöhnliche!“
Die Frau wurde hochroth bis unter die Stirn¬
haare, gieng zu einem Schranke, holte Münze heraus
und gab ſie dem Polizeimann, der immer noch halb¬
lächelnd mit Verbeugung abgieng.
Ich hatte verſtanden — das Glas! Alſo auch ſie
— auch dieſe ſichtbar ſo gehaltene, verſtändige Frau! —
Sie machte ſich beiſeite zu ſchaffen, ſuchte ihr Ge¬
ſicht zu verbergen, beſann ſich aber, trat vor mich,
ſah mich feſt an und ſagte: „Göſchenen — ich weiß.“
Mir kam mitten im Weh das Lachen, ihr auch und
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/25>, abgerufen am 31.01.2025.
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