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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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unter, indem dabei gewöhnlich Zugluft geht, die Leute
bei den Grabgebeten den Hut abnehmen müssen und
sich verkälten. Wie Unzählige haben da den Tod
geholt! -- Ich werde testamentlich verordnen, daß
man an meinem Grabe während sämmtlicher Bestattungs¬
formen den Kopf bedeckt halten darf. Ein Todter
muß nicht anspruchsvoll, muß billig sein.


Ich werde doch oft Menschenfeind, was doch gar
nicht in meiner Art ist. Das Misanthropenwesen ist
im Grund eine affektirte Geschichte aus dem Zeitalter
der Sentimentalität. Es müßte sehr langweilig sein,
die Maske festhalten. Einfach unlogisch; ich bin ein
Individuum der Gattung, ein so kleiner Bruchtheil,
daß ich allein mir doch nicht die Gattung sein kann.
Nun trifft man freilich nur allzu Viele, die bloß
nominell der Gattung, eigentlich dem Thierreich ange¬
hören, aber man soll bedenken, daß man Eins in's
Andere rechnen muß, läßlich sein, zuwarten, bis man
auf einen Zähler trifft. Es kann nicht lauter Brocken,
es muß auch Brühe geben. Schiller's "Menschenfeind"
ist eine gesuchte Macherei. In Shakespeare's "Timon
von Athen" ist's anders, der flieht die Menschen, aber
er braucht sie doch immer, um sie anzuwettern und
anzufluchen. Dieß ist energische Art.


unter, indem dabei gewöhnlich Zugluft geht, die Leute
bei den Grabgebeten den Hut abnehmen müſſen und
ſich verkälten. Wie Unzählige haben da den Tod
geholt! — Ich werde teſtamentlich verordnen, daß
man an meinem Grabe während ſämmtlicher Beſtattungs¬
formen den Kopf bedeckt halten darf. Ein Todter
muß nicht anſpruchsvoll, muß billig ſein.


Ich werde doch oft Menſchenfeind, was doch gar
nicht in meiner Art iſt. Das Miſanthropenweſen iſt
im Grund eine affektirte Geſchichte aus dem Zeitalter
der Sentimentalität. Es müßte ſehr langweilig ſein,
die Maske feſthalten. Einfach unlogiſch; ich bin ein
Individuum der Gattung, ein ſo kleiner Bruchtheil,
daß ich allein mir doch nicht die Gattung ſein kann.
Nun trifft man freilich nur allzu Viele, die bloß
nominell der Gattung, eigentlich dem Thierreich ange¬
hören, aber man ſoll bedenken, daß man Eins in's
Andere rechnen muß, läßlich ſein, zuwarten, bis man
auf einen Zähler trifft. Es kann nicht lauter Brocken,
es muß auch Brühe geben. Schiller's „Menſchenfeind“
iſt eine geſuchte Macherei. In Shakeſpeare's „Timon
von Athen“ iſt's anders, der flieht die Menſchen, aber
er braucht ſie doch immer, um ſie anzuwettern und
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[232/0245] unter, indem dabei gewöhnlich Zugluft geht, die Leute bei den Grabgebeten den Hut abnehmen müſſen und ſich verkälten. Wie Unzählige haben da den Tod geholt! — Ich werde teſtamentlich verordnen, daß man an meinem Grabe während ſämmtlicher Beſtattungs¬ formen den Kopf bedeckt halten darf. Ein Todter muß nicht anſpruchsvoll, muß billig ſein. Ich werde doch oft Menſchenfeind, was doch gar nicht in meiner Art iſt. Das Miſanthropenweſen iſt im Grund eine affektirte Geſchichte aus dem Zeitalter der Sentimentalität. Es müßte ſehr langweilig ſein, die Maske feſthalten. Einfach unlogiſch; ich bin ein Individuum der Gattung, ein ſo kleiner Bruchtheil, daß ich allein mir doch nicht die Gattung ſein kann. Nun trifft man freilich nur allzu Viele, die bloß nominell der Gattung, eigentlich dem Thierreich ange¬ hören, aber man ſoll bedenken, daß man Eins in's Andere rechnen muß, läßlich ſein, zuwarten, bis man auf einen Zähler trifft. Es kann nicht lauter Brocken, es muß auch Brühe geben. Schiller's „Menſchenfeind“ iſt eine geſuchte Macherei. In Shakeſpeare's „Timon von Athen“ iſt's anders, der flieht die Menſchen, aber er braucht ſie doch immer, um ſie anzuwettern und anzufluchen. Dieß iſt energiſche Art.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/245>, abgerufen am 23.11.2024.