und um Pompeji gewesen sein, als der alte Plinius den Athem aufgab. Jetzt langsam wächst eine Ziegel¬ röthe über den Himmel, geht in feuerrothes Glanzlicht über. Stille, todesbang. -- Horch, welcher Ton? Man hört ein wehendes Blasen, etwas wie ein Fegen, es wird zu einem lauten und lauteren stürmischen Speien, jetzt knallen Donnerschläge dazwischen -- jetzt wankt zuckend die Erde unter mir -- ich schaue um und auf, der Monte Pelegrino hat sich in den Aetna verwandelt, offen ist die fürchterliche Esse, glutroth fährt die Lohe aus der Unterwelt empor und rings am schrecklichen Geisterberg schlängeln sich Lavabäche zu Thal und ver¬ löschen zischend im flammenden Gewässer des Hafens. Die Feuersäule aber, die zu oberst emporschießt, wölbt über sich hoch in Lüften eine rabenschwarze Wolke, aus der ein Regen von Asche, Steinen, Lavaklumpen nieder¬ prasselt rings über die bebende Menge, die dort fliehend auseinanderstäubt, hier in wilden Knäueln sich drängt und stößt oder Gebete heulend sich am Boden wälzt. Ich stehe schauernd, aber fest, und schaue in die brausende, sausende Lohe, still staunend, einsam unter den vielen, vielen Menschen. Da -- was hebt sich aus dem Krater empor? Ein Drachengespann -- es reißt hinter sich einen Wagen aus dem Schlund -- er scheint leer -- dann richtet sich ein Schatten in ihm auf -- jetzt schwebt er wie auf sicherem Boden in ebener Linie durch die Lüfte -- herwärts der Stadt, meinem Standort zu, -- ist
und um Pompeji geweſen ſein, als der alte Plinius den Athem aufgab. Jetzt langſam wächst eine Ziegel¬ röthe über den Himmel, geht in feuerrothes Glanzlicht über. Stille, todesbang. — Horch, welcher Ton? Man hört ein wehendes Blaſen, etwas wie ein Fegen, es wird zu einem lauten und lauteren ſtürmiſchen Speien, jetzt knallen Donnerſchläge dazwiſchen — jetzt wankt zuckend die Erde unter mir — ich ſchaue um und auf, der Monte Pelegrino hat ſich in den Aetna verwandelt, offen iſt die fürchterliche Eſſe, glutroth fährt die Lohe aus der Unterwelt empor und rings am ſchrecklichen Geiſterberg ſchlängeln ſich Lavabäche zu Thal und ver¬ löſchen ziſchend im flammenden Gewäſſer des Hafens. Die Feuerſäule aber, die zu oberſt emporſchießt, wölbt über ſich hoch in Lüften eine rabenſchwarze Wolke, aus der ein Regen von Aſche, Steinen, Lavaklumpen nieder¬ praſſelt rings über die bebende Menge, die dort fliehend auseinanderſtäubt, hier in wilden Knäueln ſich drängt und ſtößt oder Gebete heulend ſich am Boden wälzt. Ich ſtehe ſchauernd, aber feſt, und ſchaue in die brauſende, ſauſende Lohe, ſtill ſtaunend, einſam unter den vielen, vielen Menſchen. Da — was hebt ſich aus dem Krater empor? Ein Drachengeſpann — es reißt hinter ſich einen Wagen aus dem Schlund — er ſcheint leer — dann richtet ſich ein Schatten in ihm auf — jetzt ſchwebt er wie auf ſicherem Boden in ebener Linie durch die Lüfte — herwärts der Stadt, meinem Standort zu, — iſt
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[407/0420]
und um Pompeji geweſen ſein, als der alte Plinius
den Athem aufgab. Jetzt langſam wächst eine Ziegel¬
röthe über den Himmel, geht in feuerrothes Glanzlicht
über. Stille, todesbang. — Horch, welcher Ton? Man
hört ein wehendes Blaſen, etwas wie ein Fegen, es
wird zu einem lauten und lauteren ſtürmiſchen Speien,
jetzt knallen Donnerſchläge dazwiſchen — jetzt wankt
zuckend die Erde unter mir — ich ſchaue um und auf,
der Monte Pelegrino hat ſich in den Aetna verwandelt,
offen iſt die fürchterliche Eſſe, glutroth fährt die Lohe
aus der Unterwelt empor und rings am ſchrecklichen
Geiſterberg ſchlängeln ſich Lavabäche zu Thal und ver¬
löſchen ziſchend im flammenden Gewäſſer des Hafens.
Die Feuerſäule aber, die zu oberſt emporſchießt, wölbt
über ſich hoch in Lüften eine rabenſchwarze Wolke, aus
der ein Regen von Aſche, Steinen, Lavaklumpen nieder¬
praſſelt rings über die bebende Menge, die dort fliehend
auseinanderſtäubt, hier in wilden Knäueln ſich drängt
und ſtößt oder Gebete heulend ſich am Boden wälzt.
Ich ſtehe ſchauernd, aber feſt, und ſchaue in die brauſende,
ſauſende Lohe, ſtill ſtaunend, einſam unter den vielen,
vielen Menſchen. Da — was hebt ſich aus dem Krater
empor? Ein Drachengeſpann — es reißt hinter ſich
einen Wagen aus dem Schlund — er ſcheint leer —
dann richtet ſich ein Schatten in ihm auf — jetzt ſchwebt
er wie auf ſicherem Boden in ebener Linie durch die Lüfte
— herwärts der Stadt, meinem Standort zu, — iſt
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/420>, abgerufen am 04.12.2024.
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