Frauen, liege todkrank nieder in Assisi. -- Zu Schiff, zu Schiff!
Neapel. So weit wär' ich. Der Seesturm über¬ standen, ich wußte gut, daß er mir nichts anhaben könne. Das Dampfschiff gilt für altersschwach, es müsse noch dienen, so lang es halte; der Kapitän stand immer an der Maschine, sah hinab, horchte, ob sie noch gehe. Bald Alles seekrank außer mir und der Bedienung des Fahr¬ zeugs. Halte mich am Mast und schaue und höre. Ton durchaus wie von Millionen Trommlern, die mit anwachsender Schlaggewalt zum Sturme wirbeln, im¬ mer wieder von vorn beginnend. Wo möglich furcht¬ barer das dünne, schneidend scharfe Pfeifen des Winds in den Tauen, wie wenn Einer auf der scheermesser¬ schmalen Kante von Papier pfeift, -- dieß in's Un¬ endliche gesteigert. Wogen -- eine Welt; nicht jede gelingt, die gelungenen herrlich in der Linie ihrer Hohlkehlen und Roßhalsrücken, drüber die Schaum¬ mähnen, die der Sturm flockig hinausbläst. Wälzt sich eine heran, man meint jedesmal, sie müsse das Schiff umstoßen oder überflutend begraben, doch sie nimmt es auf ihre Schultern, dann schießt es in's nächste Wogenthal hinab. Welches Brausen und Donnern! Kann sonst den Wind nicht ausstehen; so gefällt er mir, wie neulich in Sorrent auf der
Frauen, liege todkrank nieder in Aſſiſi. — Zu Schiff, zu Schiff!
Neapel. So weit wär' ich. Der Seeſturm über¬ ſtanden, ich wußte gut, daß er mir nichts anhaben könne. Das Dampfſchiff gilt für altersſchwach, es müſſe noch dienen, ſo lang es halte; der Kapitän ſtand immer an der Maſchine, ſah hinab, horchte, ob ſie noch gehe. Bald Alles ſeekrank außer mir und der Bedienung des Fahr¬ zeugs. Halte mich am Maſt und ſchaue und höre. Ton durchaus wie von Millionen Trommlern, die mit anwachſender Schlaggewalt zum Sturme wirbeln, im¬ mer wieder von vorn beginnend. Wo möglich furcht¬ barer das dünne, ſchneidend ſcharfe Pfeifen des Winds in den Tauen, wie wenn Einer auf der ſcheermeſſer¬ ſchmalen Kante von Papier pfeift, — dieß in's Un¬ endliche geſteigert. Wogen — eine Welt; nicht jede gelingt, die gelungenen herrlich in der Linie ihrer Hohlkehlen und Roßhalsrücken, drüber die Schaum¬ mähnen, die der Sturm flockig hinausbläſt. Wälzt ſich eine heran, man meint jedesmal, ſie müſſe das Schiff umſtoßen oder überflutend begraben, doch ſie nimmt es auf ihre Schultern, dann ſchießt es in's nächſte Wogenthal hinab. Welches Brauſen und Donnern! Kann ſonſt den Wind nicht ausſtehen; ſo gefällt er mir, wie neulich in Sorrent auf der
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Frauen, liege todkrank nieder in Aſſiſi. — Zu Schiff,
zu Schiff!
Neapel. So weit wär' ich. Der Seeſturm über¬
ſtanden, ich wußte gut, daß er mir nichts anhaben könne.
Das Dampfſchiff gilt für altersſchwach, es müſſe noch
dienen, ſo lang es halte; der Kapitän ſtand immer an
der Maſchine, ſah hinab, horchte, ob ſie noch gehe. Bald
Alles ſeekrank außer mir und der Bedienung des Fahr¬
zeugs. Halte mich am Maſt und ſchaue und höre.
Ton durchaus wie von Millionen Trommlern, die mit
anwachſender Schlaggewalt zum Sturme wirbeln, im¬
mer wieder von vorn beginnend. Wo möglich furcht¬
barer das dünne, ſchneidend ſcharfe Pfeifen des Winds
in den Tauen, wie wenn Einer auf der ſcheermeſſer¬
ſchmalen Kante von Papier pfeift, — dieß in's Un¬
endliche geſteigert. Wogen — eine Welt; nicht jede
gelingt, die gelungenen herrlich in der Linie ihrer
Hohlkehlen und Roßhalsrücken, drüber die Schaum¬
mähnen, die der Sturm flockig hinausbläſt. Wälzt
ſich eine heran, man meint jedesmal, ſie müſſe das
Schiff umſtoßen oder überflutend begraben, doch ſie
nimmt es auf ihre Schultern, dann ſchießt es in's
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/431>, abgerufen am 04.12.2024.
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