Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

war! O, Poeten schweben ja! Es ist ja ein
Schweben!"

Wir saßen eine Weile nun schweigend beisammen,
an der Wand pickte eine Schwarzwälderuhr, am Boden
lagen die Hunde, Tyras zuckte und bellte dumpf im
Schlaf -- ob er wohl im Traum wieder für seinen Herrn
kämpfte? -- Frau Hedwig, wohl fühlend, wie manche
Fragen ich am Vormittag werde zurückgehalten haben,
begann nun unaufgefordert von sich und von A. E.
zu erzählen. Ich gebe nur in Kürze wieder, was sie
selbst betrifft, da uns hier ein anderes Schicksal be¬
schäftigt. Sie war Drittenkind mit ihm und verlor
frühe einen geliebten Gatten. Dieser Tod brachte ihr
zugleich den Wermuthbecher der Armuth. A.E. war
ihr Retter, er bat sie, sein Haus zu führen, -- "und
wie schön ist es, dankbar sein zu dürfen, wenn man
zugleich weiß, daß man nützlich sein kann! Wie sah
es da im Haushalt aus, als ich die Leitung in die
Hand nahm, wie war der Mann vernachlässigt und
betrogen worden! Ach, er konnte ja gar nicht rechnen!
Nur das Addiren gieng noch so halbwegs!"

"Eine schlimme Sache bei einem Beamten," meinte
ich, "auch wenn er kein Finanzbeamter ist!"

"Freilich, freilich! es hat doch auch ein wenig zu
seinem Sturze mitbeigetragen, es fanden sich Ver¬
stöße schwerer Art in seinen Amtsrechnungen, und
nur halb sah man ein, daß man es hier mit einem

war! O, Poeten ſchweben ja! Es iſt ja ein
Schweben!“

Wir ſaßen eine Weile nun ſchweigend beiſammen,
an der Wand pickte eine Schwarzwälderuhr, am Boden
lagen die Hunde, Tyras zuckte und bellte dumpf im
Schlaf — ob er wohl im Traum wieder für ſeinen Herrn
kämpfte? — Frau Hedwig, wohl fühlend, wie manche
Fragen ich am Vormittag werde zurückgehalten haben,
begann nun unaufgefordert von ſich und von A. E.
zu erzählen. Ich gebe nur in Kürze wieder, was ſie
ſelbſt betrifft, da uns hier ein anderes Schickſal be¬
ſchäftigt. Sie war Drittenkind mit ihm und verlor
frühe einen geliebten Gatten. Dieſer Tod brachte ihr
zugleich den Wermuthbecher der Armuth. A.E. war
ihr Retter, er bat ſie, ſein Haus zu führen, — „und
wie ſchön iſt es, dankbar ſein zu dürfen, wenn man
zugleich weiß, daß man nützlich ſein kann! Wie ſah
es da im Haushalt aus, als ich die Leitung in die
Hand nahm, wie war der Mann vernachläſſigt und
betrogen worden! Ach, er konnte ja gar nicht rechnen!
Nur das Addiren gieng noch ſo halbwegs!“

„Eine ſchlimme Sache bei einem Beamten,“ meinte
ich, „auch wenn er kein Finanzbeamter iſt!“

„Freilich, freilich! es hat doch auch ein wenig zu
ſeinem Sturze mitbeigetragen, es fanden ſich Ver¬
ſtöße ſchwerer Art in ſeinen Amtsrechnungen, und
nur halb ſah man ein, daß man es hier mit einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0056" n="43"/>
war! O, Poeten &#x017F;chweben ja! Es i&#x017F;t ja ein<lb/>
Schweben!&#x201C;</p><lb/>
      <p>Wir &#x017F;aßen eine Weile nun &#x017F;chweigend bei&#x017F;ammen,<lb/>
an der Wand pickte eine Schwarzwälderuhr, am Boden<lb/>
lagen die Hunde, Tyras zuckte und bellte dumpf im<lb/>
Schlaf &#x2014; ob er wohl im Traum wieder für &#x017F;einen Herrn<lb/>
kämpfte? &#x2014; Frau Hedwig, wohl fühlend, wie manche<lb/>
Fragen ich am Vormittag werde zurückgehalten haben,<lb/>
begann nun unaufgefordert von &#x017F;ich und von A. E.<lb/>
zu erzählen. Ich gebe nur in Kürze wieder, was &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t betrifft, da uns hier ein anderes Schick&#x017F;al be¬<lb/>
&#x017F;chäftigt. Sie war Drittenkind mit ihm und verlor<lb/>
frühe einen geliebten Gatten. Die&#x017F;er Tod brachte ihr<lb/>
zugleich den Wermuthbecher der Armuth. A.E. war<lb/>
ihr Retter, er bat &#x017F;ie, &#x017F;ein Haus zu führen, &#x2014; &#x201E;und<lb/>
wie &#x017F;chön i&#x017F;t es, dankbar &#x017F;ein zu dürfen, wenn man<lb/>
zugleich weiß, daß man nützlich &#x017F;ein kann! Wie &#x017F;ah<lb/>
es da im Haushalt aus, als ich die Leitung in die<lb/>
Hand nahm, wie war der Mann vernachlä&#x017F;&#x017F;igt und<lb/>
betrogen worden! Ach, er konnte ja gar nicht rechnen!<lb/>
Nur das Addiren gieng noch &#x017F;o halbwegs!&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Eine &#x017F;chlimme Sache bei einem Beamten,&#x201C; meinte<lb/>
ich, &#x201E;auch wenn er kein Finanzbeamter i&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Freilich, freilich! es hat doch auch ein wenig zu<lb/>
&#x017F;einem Sturze mitbeigetragen, es fanden &#x017F;ich Ver¬<lb/>
&#x017F;töße &#x017F;chwerer Art in &#x017F;einen Amtsrechnungen, und<lb/>
nur halb &#x017F;ah man ein, daß man es hier mit einem<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0056] war! O, Poeten ſchweben ja! Es iſt ja ein Schweben!“ Wir ſaßen eine Weile nun ſchweigend beiſammen, an der Wand pickte eine Schwarzwälderuhr, am Boden lagen die Hunde, Tyras zuckte und bellte dumpf im Schlaf — ob er wohl im Traum wieder für ſeinen Herrn kämpfte? — Frau Hedwig, wohl fühlend, wie manche Fragen ich am Vormittag werde zurückgehalten haben, begann nun unaufgefordert von ſich und von A. E. zu erzählen. Ich gebe nur in Kürze wieder, was ſie ſelbſt betrifft, da uns hier ein anderes Schickſal be¬ ſchäftigt. Sie war Drittenkind mit ihm und verlor frühe einen geliebten Gatten. Dieſer Tod brachte ihr zugleich den Wermuthbecher der Armuth. A.E. war ihr Retter, er bat ſie, ſein Haus zu führen, — „und wie ſchön iſt es, dankbar ſein zu dürfen, wenn man zugleich weiß, daß man nützlich ſein kann! Wie ſah es da im Haushalt aus, als ich die Leitung in die Hand nahm, wie war der Mann vernachläſſigt und betrogen worden! Ach, er konnte ja gar nicht rechnen! Nur das Addiren gieng noch ſo halbwegs!“ „Eine ſchlimme Sache bei einem Beamten,“ meinte ich, „auch wenn er kein Finanzbeamter iſt!“ „Freilich, freilich! es hat doch auch ein wenig zu ſeinem Sturze mitbeigetragen, es fanden ſich Ver¬ ſtöße ſchwerer Art in ſeinen Amtsrechnungen, und nur halb ſah man ein, daß man es hier mit einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/56
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/56>, abgerufen am 21.05.2024.