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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Kind im Zahl- und Geldwesen zu thun habe. Wären
nicht seine vielen Verdienste gewesen, hätte man ver¬
gessen dürfen, daß er dazumal die gefährliche Gauner¬
bande eingefangen, man hätte ihn schon viel früher
fortgeschickt."

Ich erfuhr weiter, daß A. E. nicht reich, doch
vermöglich war. "Er brauchte blutwenig für sich, viel
für die Armen und" -- setzte sie noch einmal erröthend
hinzu -- "Einiges für Exekutionen an aufrührerischen
Objekten, die er seine weisesten, sittlichsten, wahrhaft
gemeinnützigen Handlungen nannte."

"Weiß, weiß, kenne das," fiel ich ein. -- "Wir
verstehen uns mit ihm," sagte sie lächelnd.

"Und nun kommen Sie, lassen Sie uns in sein
Studierzimmer gehen!"

Wir stiegen über eine Treppe und betraten einen
prunklosen Raum mit Schreibtisch, Bücherschränken,
wenigen Möbeln für die Bequemlichkeit und einigen
Gemälden und Kupferstichen an den Wänden. Sie
öffnete ein verschlossenes Fach am Schreibtisch, zog ein
Blatt heraus und reichte mir es hin. "Das Original,"
sagte sie, "liegt auf dem Rathhaus; es ist amtliche
Abschrift." Ich las:

"Ich setze Frau L. Hedwig als Erbin meines
Hauses und Vermögens ein. Ich füge eine Liste
der Armen bei, die sie ferner zu unterstützen hat.
Sämmtliche Papiere, die zu meinen Studien ge¬

Kind im Zahl- und Geldweſen zu thun habe. Wären
nicht ſeine vielen Verdienſte geweſen, hätte man ver¬
geſſen dürfen, daß er dazumal die gefährliche Gauner¬
bande eingefangen, man hätte ihn ſchon viel früher
fortgeſchickt.“

Ich erfuhr weiter, daß A. E. nicht reich, doch
vermöglich war. „Er brauchte blutwenig für ſich, viel
für die Armen und“ — ſetzte ſie noch einmal erröthend
hinzu — „Einiges für Exekutionen an aufrühreriſchen
Objekten, die er ſeine weiſeſten, ſittlichſten, wahrhaft
gemeinnützigen Handlungen nannte.“

„Weiß, weiß, kenne das,“ fiel ich ein. — „Wir
verſtehen uns mit ihm,“ ſagte ſie lächelnd.

„Und nun kommen Sie, laſſen Sie uns in ſein
Studierzimmer gehen!“

Wir ſtiegen über eine Treppe und betraten einen
prunkloſen Raum mit Schreibtiſch, Bücherſchränken,
wenigen Möbeln für die Bequemlichkeit und einigen
Gemälden und Kupferſtichen an den Wänden. Sie
öffnete ein verſchloſſenes Fach am Schreibtiſch, zog ein
Blatt heraus und reichte mir es hin. „Das Original,“
ſagte ſie, „liegt auf dem Rathhaus; es iſt amtliche
Abſchrift.“ Ich las:

„Ich ſetze Frau L. Hedwig als Erbin meines
Hauſes und Vermögens ein. Ich füge eine Liſte
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[44/0057] Kind im Zahl- und Geldweſen zu thun habe. Wären nicht ſeine vielen Verdienſte geweſen, hätte man ver¬ geſſen dürfen, daß er dazumal die gefährliche Gauner¬ bande eingefangen, man hätte ihn ſchon viel früher fortgeſchickt.“ Ich erfuhr weiter, daß A. E. nicht reich, doch vermöglich war. „Er brauchte blutwenig für ſich, viel für die Armen und“ — ſetzte ſie noch einmal erröthend hinzu — „Einiges für Exekutionen an aufrühreriſchen Objekten, die er ſeine weiſeſten, ſittlichſten, wahrhaft gemeinnützigen Handlungen nannte.“ „Weiß, weiß, kenne das,“ fiel ich ein. — „Wir verſtehen uns mit ihm,“ ſagte ſie lächelnd. „Und nun kommen Sie, laſſen Sie uns in ſein Studierzimmer gehen!“ Wir ſtiegen über eine Treppe und betraten einen prunkloſen Raum mit Schreibtiſch, Bücherſchränken, wenigen Möbeln für die Bequemlichkeit und einigen Gemälden und Kupferſtichen an den Wänden. Sie öffnete ein verſchloſſenes Fach am Schreibtiſch, zog ein Blatt heraus und reichte mir es hin. „Das Original,“ ſagte ſie, „liegt auf dem Rathhaus; es iſt amtliche Abſchrift.“ Ich las: „Ich ſetze Frau L. Hedwig als Erbin meines Hauſes und Vermögens ein. Ich füge eine Liſte der Armen bei, die ſie ferner zu unterſtützen hat. Sämmtliche Papiere, die zu meinen Studien ge¬

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/57>, abgerufen am 25.11.2024.