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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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als wir wissen." Sie konnte nur angeben, daß es
das Bild eines schwedischen Arztes sei, der ihn auf
der norwegischen Reise von einem Nervenfieber gerettet
habe; "aber," sagte sie, "da muß noch etwas mitge¬
spielt haben, was ich nie erfuhr, es war etwas Ge¬
heimnißvolles in dem Kultus der Pietät, womit er
an diesem Bilde hieng; und ein Jahr vor der zweiten
Reise nach Italien, auf der Sie mit ihm zusammen¬
traffen, erfuhr Einhart den Tod dieses Mannes. Er
schloß sich einen Tag lang ein und man hörte ihn
weinen. Er hat nie aufgehört, ihn zu betrauern."

Sie nahm ihr Geschäft an den Schubfächern wieder
auf und als sie eine Blätterschichte aus einer der
Laden heben wollte, stieß ihre Hand in der hintersten
Ecke an etwas Hartes, sie zog einen schwarzen Gegen¬
stand heraus und rief bei seinem Anblick: "Ah, dort
stack's? find' ich's wieder?" Sie reichte mir ein Etuis
hin, aus dem mir, als ich es öffnete, eine Photographie
entgegensah, ein weibliches Brustbild von großer, aber
unheimlicher Schönheit. Ein ganzer Wald von glän¬
zenden Locken umgab wie eine Löwenmähne das wohl¬
gebildete Haupt; ich konnte es nicht bloß auf die
Lichtwirkung schieben, daß mir dieses Haar wie metal¬
lisch erschien. Warum wollte mir, wenn mein Auge von
der Betrachtung des Gesichts zu dieser reichen Umkrän¬
zung zurückkehrte, mehr und mehr scheinen, als bewegten
sich diese Ringel, als zischelten Schlangen aus ihren

als wir wiſſen.“ Sie konnte nur angeben, daß es
das Bild eines ſchwediſchen Arztes ſei, der ihn auf
der norwegiſchen Reiſe von einem Nervenfieber gerettet
habe; „aber,“ ſagte ſie, „da muß noch etwas mitge¬
ſpielt haben, was ich nie erfuhr, es war etwas Ge¬
heimnißvolles in dem Kultus der Pietät, womit er
an dieſem Bilde hieng; und ein Jahr vor der zweiten
Reiſe nach Italien, auf der Sie mit ihm zuſammen¬
traffen, erfuhr Einhart den Tod dieſes Mannes. Er
ſchloß ſich einen Tag lang ein und man hörte ihn
weinen. Er hat nie aufgehört, ihn zu betrauern.“

Sie nahm ihr Geſchäft an den Schubfächern wieder
auf und als ſie eine Blätterſchichte aus einer der
Laden heben wollte, ſtieß ihre Hand in der hinterſten
Ecke an etwas Hartes, ſie zog einen ſchwarzen Gegen¬
ſtand heraus und rief bei ſeinem Anblick: „Ah, dort
ſtack's? find' ich's wieder?“ Sie reichte mir ein Etuis
hin, aus dem mir, als ich es öffnete, eine Photographie
entgegenſah, ein weibliches Bruſtbild von großer, aber
unheimlicher Schönheit. Ein ganzer Wald von glän¬
zenden Locken umgab wie eine Löwenmähne das wohl¬
gebildete Haupt; ich konnte es nicht bloß auf die
Lichtwirkung ſchieben, daß mir dieſes Haar wie metal¬
liſch erſchien. Warum wollte mir, wenn mein Auge von
der Betrachtung des Geſichts zu dieſer reichen Umkrän¬
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[48/0061] als wir wiſſen.“ Sie konnte nur angeben, daß es das Bild eines ſchwediſchen Arztes ſei, der ihn auf der norwegiſchen Reiſe von einem Nervenfieber gerettet habe; „aber,“ ſagte ſie, „da muß noch etwas mitge¬ ſpielt haben, was ich nie erfuhr, es war etwas Ge¬ heimnißvolles in dem Kultus der Pietät, womit er an dieſem Bilde hieng; und ein Jahr vor der zweiten Reiſe nach Italien, auf der Sie mit ihm zuſammen¬ traffen, erfuhr Einhart den Tod dieſes Mannes. Er ſchloß ſich einen Tag lang ein und man hörte ihn weinen. Er hat nie aufgehört, ihn zu betrauern.“ Sie nahm ihr Geſchäft an den Schubfächern wieder auf und als ſie eine Blätterſchichte aus einer der Laden heben wollte, ſtieß ihre Hand in der hinterſten Ecke an etwas Hartes, ſie zog einen ſchwarzen Gegen¬ ſtand heraus und rief bei ſeinem Anblick: „Ah, dort ſtack's? find' ich's wieder?“ Sie reichte mir ein Etuis hin, aus dem mir, als ich es öffnete, eine Photographie entgegenſah, ein weibliches Bruſtbild von großer, aber unheimlicher Schönheit. Ein ganzer Wald von glän¬ zenden Locken umgab wie eine Löwenmähne das wohl¬ gebildete Haupt; ich konnte es nicht bloß auf die Lichtwirkung ſchieben, daß mir dieſes Haar wie metal¬ liſch erſchien. Warum wollte mir, wenn mein Auge von der Betrachtung des Geſichts zu dieſer reichen Umkrän¬ zung zurückkehrte, mehr und mehr ſcheinen, als bewegten ſich dieſe Ringel, als ziſchelten Schlangen aus ihren

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/61>, abgerufen am 25.11.2024.