A. E. verschwiegen hatte, doch nicht sogleich Alles, nicht den traurig komischen Abbruch in Bürglen, nicht die Scene am Felsen. -- "Was wissen Sie denn," sagte ich, "wenn die Frage nicht unzart ist?"
Eigentlich muß ich gestehen, daß seit Jahren und jetzt in diesen Tagen stärker denn doch etwas wie Neugierde im Innern mir umschliech, ob denn dieser seltsame Mann auch Beziehungen zum Weib -- oder vielmehr, da sich dieß von selbst bejahte -- was für er wohl gehabt habe. Geborener und geschworener Weiberfeind konnte er nicht sein, die letzten Momente in Göschenen sprachen zu hell dagegen; aber geworde¬ ner? hartgesottener Junggeselle? Und warum? Wie mochte das mit den zwei Bildern zusammenhängen?
"Wissen?" sagte Frau Hedwig, "eigentlich nichts, nur rathen. Rathen aus Andeutungen, die ihm in bewegten Momenten entschlüpften. Einmal, ja, in der Zeit vor seiner Entlassung, als ihm eine hiesige Frau durchaus kuppeln wollte -- die Frau des Herrn Tetem, -- gewiß auf wohlgemeintes, besserungseifriges Zureden ihres Mannes, -- da wurde er sehr wild, sprang dann auf sein Studierzimmer, polterte wieder herab und hielt mir das eine Bild unter die Augen, das da (sie zeigte auf die Dämonische), und stieß her¬ vor: ,Die Valandinne hat mir's vertrieben!' Das Wort hab' ich dann in seinem altdeutschen Lexikon aufgeschlagen, Teufelin heißt's. Weiter kein Wort!
A. E. verſchwiegen hatte, doch nicht ſogleich Alles, nicht den traurig komiſchen Abbruch in Bürglen, nicht die Scene am Felſen. — „Was wiſſen Sie denn,“ ſagte ich, „wenn die Frage nicht unzart iſt?“
Eigentlich muß ich geſtehen, daß ſeit Jahren und jetzt in dieſen Tagen ſtärker denn doch etwas wie Neugierde im Innern mir umſchliech, ob denn dieſer ſeltſame Mann auch Beziehungen zum Weib — oder vielmehr, da ſich dieß von ſelbſt bejahte — was für er wohl gehabt habe. Geborener und geſchworener Weiberfeind konnte er nicht ſein, die letzten Momente in Göſchenen ſprachen zu hell dagegen; aber geworde¬ ner? hartgeſottener Junggeſelle? Und warum? Wie mochte das mit den zwei Bildern zuſammenhängen?
„Wiſſen?“ ſagte Frau Hedwig, „eigentlich nichts, nur rathen. Rathen aus Andeutungen, die ihm in bewegten Momenten entſchlüpften. Einmal, ja, in der Zeit vor ſeiner Entlaſſung, als ihm eine hieſige Frau durchaus kuppeln wollte — die Frau des Herrn Tetem, — gewiß auf wohlgemeintes, beſſerungseifriges Zureden ihres Mannes, — da wurde er ſehr wild, ſprang dann auf ſein Studierzimmer, polterte wieder herab und hielt mir das eine Bild unter die Augen, das da (ſie zeigte auf die Dämoniſche), und ſtieß her¬ vor: ‚Die Valandinne hat mir's vertrieben!' Das Wort hab' ich dann in ſeinem altdeutſchen Lexikon aufgeſchlagen, Teufelin heißt's. Weiter kein Wort!
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A. E. verſchwiegen hatte, doch nicht ſogleich Alles,
nicht den traurig komiſchen Abbruch in Bürglen, nicht
die Scene am Felſen. — „Was wiſſen Sie denn,“
ſagte ich, „wenn die Frage nicht unzart iſt?“
Eigentlich muß ich geſtehen, daß ſeit Jahren und
jetzt in dieſen Tagen ſtärker denn doch etwas wie
Neugierde im Innern mir umſchliech, ob denn dieſer
ſeltſame Mann auch Beziehungen zum Weib — oder
vielmehr, da ſich dieß von ſelbſt bejahte — was für
er wohl gehabt habe. Geborener und geſchworener
Weiberfeind konnte er nicht ſein, die letzten Momente
in Göſchenen ſprachen zu hell dagegen; aber geworde¬
ner? hartgeſottener Junggeſelle? Und warum? Wie
mochte das mit den zwei Bildern zuſammenhängen?
„Wiſſen?“ ſagte Frau Hedwig, „eigentlich nichts,
nur rathen. Rathen aus Andeutungen, die ihm in
bewegten Momenten entſchlüpften. Einmal, ja, in
der Zeit vor ſeiner Entlaſſung, als ihm eine hieſige
Frau durchaus kuppeln wollte — die Frau des Herrn
Tetem, — gewiß auf wohlgemeintes, beſſerungseifriges
Zureden ihres Mannes, — da wurde er ſehr wild,
ſprang dann auf ſein Studierzimmer, polterte wieder
herab und hielt mir das eine Bild unter die Augen,
das da (ſie zeigte auf die Dämoniſche), und ſtieß her¬
vor: ‚Die Valandinne hat mir's vertrieben!' Das
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/63>, abgerufen am 25.11.2024.
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