Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.pvi_VII.001 Niemand wird meinen, ich sei so wenig fortgeschritten, daß ich mit pvi_VII.013 pvi_VII.001 Niemand wird meinen, ich sei so wenig fortgeschritten, daß ich mit pvi_VII.013 <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="RVII"/><lb n="pvi_VII.001"/> konnte, mit ausdrücklicher Angabe der Stelle aufzunehmen. Mein Werk <lb n="pvi_VII.002"/> sollte zugleich eine Fundgrube für die gesammte Literatur der Aesthetik, <lb n="pvi_VII.003"/> ja für Alles sein, was da und dort von einzelnen bedeutenden Gedanken <lb n="pvi_VII.004"/> über den Jnhalt dieser Wissenschaft zerstreut ist. Die Trockenheit <lb n="pvi_VII.005"/> seines Charakters ist allerdings auch dadurch, nur dieß nicht zufällig, <lb n="pvi_VII.006"/> sondern mit Wissen, verstärkt worden. Jm Uebrigen bedenke man auch <lb n="pvi_VII.007"/> billig, welch massenhafter, aufquellender Stoff zusammenzupressen war; <lb n="pvi_VII.008"/> man wird, wenn man genauer zusieht, wohl finden, wie oft ich gewaltsam <lb n="pvi_VII.009"/> anhielt, wo der Zug der Darstellung in's Weite gehen und <lb n="pvi_VII.010"/> sich der Ergießung in die gefällige Form hingeben wollte, so daß Gefahr <lb n="pvi_VII.011"/> eintrat, mehr schön, als über das Schöne zu schreiben.</p> <lb n="pvi_VII.012"/> <p> Niemand wird meinen, ich sei so wenig fortgeschritten, daß ich mit <lb n="pvi_VII.013"/> einer Arbeit, deren Anfang so weit hinter mir liegt, ganz zufrieden <lb n="pvi_VII.014"/> wäre. Was ich von der Kritik im Einzelnen gelernt, worin ich sie <lb n="pvi_VII.015"/> ungerecht, ja feindselig, hämisch, selbst lügnerisch gefunden, dieß auseinanderzusetzen <lb n="pvi_VII.016"/> gehört nicht in das Vorwort eines Werkes, das auf <lb n="pvi_VII.017"/> Objectivität Anspruch macht. Nur das kann ich nicht ganz unterdrücken, <lb n="pvi_VII.018"/> daß ich mich verwundert habe, die Schwächen und Mängel, die mir <lb n="pvi_VII.019"/> selbst am klarsten sich aufgedeckt haben, so wenig von Andern aufgezeigt <lb n="pvi_VII.020"/> zu sehen, während sie mir so häufig wesentliche Lücken und Fehler vorrückten, <lb n="pvi_VII.021"/> wo das Vermißte, Ergänzende, Zurechtstellende nur an andern <lb n="pvi_VII.022"/> Stellen ausgeführt ist, als an welchen sie es suchten. Uebrigens wird <lb n="pvi_VII.023"/> man nicht verlangen, daß ich über die Gebrechen, die mir zum Bewußtsein <lb n="pvi_VII.024"/> gekommen sind, hier ein Bekenntniß ablege, man wird diese <lb n="pvi_VII.025"/> Unterlassung mir mindestens dafür verzeihen, daß ich auch nicht verkündige, <lb n="pvi_VII.026"/> was nach meiner Ueberzeugung in dem Buche neu und gut ist. <lb n="pvi_VII.027"/> Nur über eine Hauptfrage halte ich für Pflicht mich hier auszusprechen. <lb n="pvi_VII.028"/> Die meisten und stärksten Angriffe hat der Aufbau meines Systems <lb n="pvi_VII.029"/> auf der Grundlage einer Metaphysik des Schönen erfahren, welche den <lb n="pvi_VII.030"/> Satz, daß das Schöne in der Auffassung und Thätigkeit des Geistes <lb n="pvi_VII.031"/> liegt, noch unentwickelt läßt; man hat mir vorgeworfen, daß ich in der <lb n="pvi_VII.032"/> Weise des Platonischen Jdealismus den Begriff hypostasire, wie ein <lb n="pvi_VII.033"/> Wesen für sich in die Luft hinstelle. Was ich schon in der Vorrede <lb n="pvi_VII.034"/> zum ersten Theile, was ich an hundert Orten im Zusammenhange des <lb n="pvi_VII.035"/> Systems zu meiner Rechtfertigung hierüber vorgebracht habe, wurde nicht </p> </div> </front> </text> </TEI> [RVII/0011]
pvi_VII.001
konnte, mit ausdrücklicher Angabe der Stelle aufzunehmen. Mein Werk pvi_VII.002
sollte zugleich eine Fundgrube für die gesammte Literatur der Aesthetik, pvi_VII.003
ja für Alles sein, was da und dort von einzelnen bedeutenden Gedanken pvi_VII.004
über den Jnhalt dieser Wissenschaft zerstreut ist. Die Trockenheit pvi_VII.005
seines Charakters ist allerdings auch dadurch, nur dieß nicht zufällig, pvi_VII.006
sondern mit Wissen, verstärkt worden. Jm Uebrigen bedenke man auch pvi_VII.007
billig, welch massenhafter, aufquellender Stoff zusammenzupressen war; pvi_VII.008
man wird, wenn man genauer zusieht, wohl finden, wie oft ich gewaltsam pvi_VII.009
anhielt, wo der Zug der Darstellung in's Weite gehen und pvi_VII.010
sich der Ergießung in die gefällige Form hingeben wollte, so daß Gefahr pvi_VII.011
eintrat, mehr schön, als über das Schöne zu schreiben.
pvi_VII.012
Niemand wird meinen, ich sei so wenig fortgeschritten, daß ich mit pvi_VII.013
einer Arbeit, deren Anfang so weit hinter mir liegt, ganz zufrieden pvi_VII.014
wäre. Was ich von der Kritik im Einzelnen gelernt, worin ich sie pvi_VII.015
ungerecht, ja feindselig, hämisch, selbst lügnerisch gefunden, dieß auseinanderzusetzen pvi_VII.016
gehört nicht in das Vorwort eines Werkes, das auf pvi_VII.017
Objectivität Anspruch macht. Nur das kann ich nicht ganz unterdrücken, pvi_VII.018
daß ich mich verwundert habe, die Schwächen und Mängel, die mir pvi_VII.019
selbst am klarsten sich aufgedeckt haben, so wenig von Andern aufgezeigt pvi_VII.020
zu sehen, während sie mir so häufig wesentliche Lücken und Fehler vorrückten, pvi_VII.021
wo das Vermißte, Ergänzende, Zurechtstellende nur an andern pvi_VII.022
Stellen ausgeführt ist, als an welchen sie es suchten. Uebrigens wird pvi_VII.023
man nicht verlangen, daß ich über die Gebrechen, die mir zum Bewußtsein pvi_VII.024
gekommen sind, hier ein Bekenntniß ablege, man wird diese pvi_VII.025
Unterlassung mir mindestens dafür verzeihen, daß ich auch nicht verkündige, pvi_VII.026
was nach meiner Ueberzeugung in dem Buche neu und gut ist. pvi_VII.027
Nur über eine Hauptfrage halte ich für Pflicht mich hier auszusprechen. pvi_VII.028
Die meisten und stärksten Angriffe hat der Aufbau meines Systems pvi_VII.029
auf der Grundlage einer Metaphysik des Schönen erfahren, welche den pvi_VII.030
Satz, daß das Schöne in der Auffassung und Thätigkeit des Geistes pvi_VII.031
liegt, noch unentwickelt läßt; man hat mir vorgeworfen, daß ich in der pvi_VII.032
Weise des Platonischen Jdealismus den Begriff hypostasire, wie ein pvi_VII.033
Wesen für sich in die Luft hinstelle. Was ich schon in der Vorrede pvi_VII.034
zum ersten Theile, was ich an hundert Orten im Zusammenhange des pvi_VII.035
Systems zu meiner Rechtfertigung hierüber vorgebracht habe, wurde nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |