Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.pvi_1322.001 b. Die lyrische Dichtung. pvi_1322.0021. Jhr Wesen. pvi_1322.003§. 884. pvi_1322.004Die einfache Synthese des Subjects mit dem Objecte, worin jenes diesem pvi_1322.005 Die allgemeine Begründung des Uebergangs von der epischen zur pvi_1322.018 pvi_1322.001 β. Die lyrische Dichtung. pvi_1322.0021. Jhr Wesen. pvi_1322.003§. 884. pvi_1322.004Die einfache Synthese des Subjects mit dem Objecte, worin jenes diesem pvi_1322.005 Die allgemeine Begründung des Uebergangs von der epischen zur pvi_1322.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0184" n="1322"/> </div> </div> <div n="2"> <lb n="pvi_1322.001"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">β</foreign>. <hi rendition="#g">Die lyrische Dichtung.</hi></hi> </head> <lb n="pvi_1322.002"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">1. Jhr Wesen.</hi> </head> <lb n="pvi_1322.003"/> <div n="4"> <p> <hi rendition="#c">§. 884.</hi> </p> <lb n="pvi_1322.004"/> <p> Die einfache Synthese des Subjects mit dem Objecte, worin jenes diesem <lb n="pvi_1322.005"/> sich unterordnet (vergl. §. 865), kann dem Geiste der Kunst nicht genügen; <lb n="pvi_1322.006"/> er fordert eine weitere Stufe, auf welcher dem Wesen nach die Welt in das <lb n="pvi_1322.007"/> <hi rendition="#g">Subject</hi> eingeht und von ihm durchdrungen wird, so daß alles Objective als <lb n="pvi_1322.008"/> dessen inneres Leben erscheint, und dem Verfahren nach die Umständlichkeit <lb n="pvi_1322.009"/> schwindet, durch welche das Epos der bildenden Kunst verwandt ist. Der Act <lb n="pvi_1322.010"/> der Freiheit, der diesem Verhalten zu Grunde liegt, wird jedoch in der verhüllten <lb n="pvi_1322.011"/> Form des Bestimmtseins, des Zustands, der Geist als Seele auftreten: <lb n="pvi_1322.012"/> die dichtende Phantasie stellt sich auf den Standpunct der <hi rendition="#g">empfindenden.</hi> <lb n="pvi_1322.013"/> Dieser Fortgang entspricht also demjenigen, der von der bildenden Kunst zu <lb n="pvi_1322.014"/> der Musik führt (vergl. §. 746). Die lyrische Dichtung, die er begründet, <lb n="pvi_1322.015"/> kann sich der Geschichte, wie dem Begriffe nach zu der epischen nur als die <lb n="pvi_1322.016"/> nachfolgende verhalten.</p> <lb n="pvi_1322.017"/> <p> <hi rendition="#et"> Die allgemeine Begründung des Uebergangs von der epischen zur <lb n="pvi_1322.018"/> lyrischen Poesie ist auf anderer Stufe dieselbe, wie die des Uebergangs von <lb n="pvi_1322.019"/> der bildenden Kunst zu der Musik. Jn der epischen Poesie ist zwar die <lb n="pvi_1322.020"/> Welt der Gegenstände geistig durcharbeitet, bewegt, wie sie es in der Malerei <lb n="pvi_1322.021"/> noch nicht sein kann, aber die dichtende Phantasie hat sich doch wieder auf <lb n="pvi_1322.022"/> den Boden der bildenden gestellt, sich das Object geben, sich durch es <lb n="pvi_1322.023"/> bestimmen lassen; sie hat den Geist wie ein Natursein angeschaut. Dagegen <lb n="pvi_1322.024"/> tritt nun in der Kunst dieselbe Forderung des Geistes auf, wie jene in der <lb n="pvi_1322.025"/> Philosophie, die vom Realismus zum subjectiven Jdealismus fortdrängt und <lb n="pvi_1322.026"/> aus dem Satz Ernst macht, daß der Mensch das Maaß aller Dinge ist, <lb n="pvi_1322.027"/> indem er begreift, daß für ihn Alles nur so viel ist, als es für sein Bewußtsein <lb n="pvi_1322.028"/> ist. Es kann bei der Naivetät nicht bleiben, welcher die Gegenständlichkeit <lb n="pvi_1322.029"/> imponirt; die Welt soll vom Geiste ganz durchdrungen, durchkocht <lb n="pvi_1322.030"/> erscheinen und dieß kann, – auf dem Standpuncte, dem hier der <lb n="pvi_1322.031"/> objective zunächst Platz macht, – nur dadurch geschehen, daß sie überhaupt <lb n="pvi_1322.032"/> nicht für sich erscheint, sondern nur so, wie sie im Geiste gesetzt, zu seinem <lb n="pvi_1322.033"/> innern Bild und Leben geworden, ganz in ihn ein und aufgegangen ist. <lb n="pvi_1322.034"/> Speziell macht sich die innere Nothwendigkeit des Fortgangs zu der subjectiven <lb n="pvi_1322.035"/> Form in der Weise des epischen Verfahrens fühlbar. Wohl gewinnen <lb n="pvi_1322.036"/> wir dadurch jenes sonnenklare Bild der Dinge, aber es geht zu langsam. </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1322/0184]
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β. Die lyrische Dichtung. pvi_1322.002
1. Jhr Wesen. pvi_1322.003
§. 884.
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Die einfache Synthese des Subjects mit dem Objecte, worin jenes diesem pvi_1322.005
sich unterordnet (vergl. §. 865), kann dem Geiste der Kunst nicht genügen; pvi_1322.006
er fordert eine weitere Stufe, auf welcher dem Wesen nach die Welt in das pvi_1322.007
Subject eingeht und von ihm durchdrungen wird, so daß alles Objective als pvi_1322.008
dessen inneres Leben erscheint, und dem Verfahren nach die Umständlichkeit pvi_1322.009
schwindet, durch welche das Epos der bildenden Kunst verwandt ist. Der Act pvi_1322.010
der Freiheit, der diesem Verhalten zu Grunde liegt, wird jedoch in der verhüllten pvi_1322.011
Form des Bestimmtseins, des Zustands, der Geist als Seele auftreten: pvi_1322.012
die dichtende Phantasie stellt sich auf den Standpunct der empfindenden. pvi_1322.013
Dieser Fortgang entspricht also demjenigen, der von der bildenden Kunst zu pvi_1322.014
der Musik führt (vergl. §. 746). Die lyrische Dichtung, die er begründet, pvi_1322.015
kann sich der Geschichte, wie dem Begriffe nach zu der epischen nur als die pvi_1322.016
nachfolgende verhalten.
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Die allgemeine Begründung des Uebergangs von der epischen zur pvi_1322.018
lyrischen Poesie ist auf anderer Stufe dieselbe, wie die des Uebergangs von pvi_1322.019
der bildenden Kunst zu der Musik. Jn der epischen Poesie ist zwar die pvi_1322.020
Welt der Gegenstände geistig durcharbeitet, bewegt, wie sie es in der Malerei pvi_1322.021
noch nicht sein kann, aber die dichtende Phantasie hat sich doch wieder auf pvi_1322.022
den Boden der bildenden gestellt, sich das Object geben, sich durch es pvi_1322.023
bestimmen lassen; sie hat den Geist wie ein Natursein angeschaut. Dagegen pvi_1322.024
tritt nun in der Kunst dieselbe Forderung des Geistes auf, wie jene in der pvi_1322.025
Philosophie, die vom Realismus zum subjectiven Jdealismus fortdrängt und pvi_1322.026
aus dem Satz Ernst macht, daß der Mensch das Maaß aller Dinge ist, pvi_1322.027
indem er begreift, daß für ihn Alles nur so viel ist, als es für sein Bewußtsein pvi_1322.028
ist. Es kann bei der Naivetät nicht bleiben, welcher die Gegenständlichkeit pvi_1322.029
imponirt; die Welt soll vom Geiste ganz durchdrungen, durchkocht pvi_1322.030
erscheinen und dieß kann, – auf dem Standpuncte, dem hier der pvi_1322.031
objective zunächst Platz macht, – nur dadurch geschehen, daß sie überhaupt pvi_1322.032
nicht für sich erscheint, sondern nur so, wie sie im Geiste gesetzt, zu seinem pvi_1322.033
innern Bild und Leben geworden, ganz in ihn ein und aufgegangen ist. pvi_1322.034
Speziell macht sich die innere Nothwendigkeit des Fortgangs zu der subjectiven pvi_1322.035
Form in der Weise des epischen Verfahrens fühlbar. Wohl gewinnen pvi_1322.036
wir dadurch jenes sonnenklare Bild der Dinge, aber es geht zu langsam.
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