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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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hornigen Säulchenzellen zusammengesetzt ist, welche mit Kalkmasse ge-
füllt sind. Es stehen diese Säulchenzellen meist gerade oder schief von
außen nach innen; -- ihre Absonderung, so wie diejenige des kohlen-
sauren Kalkes, welcher sie erfüllt, geht offenbar von dem verdickten
Rande des Mantels aus, und da sie nicht beständig, sondern periodisch
stattfindet, so werden hierdurch einzelne Blätter gebildet, welche dach-
ziegelförmig übereinander liegen und concentrische Kreise bilden, die
dem jeweiligen Umriß der Muschel bei jeder Wachsthumsperiode ent-
sprechen. Die Anwachsstreifen, wie man diese durch die einzel-
nen Lamellen gebildeten Linien genannt hat, bieten manche Anhalts-
punkte für die Charakterisirung der Arten insbesondere. Oft stehen
sie nämlich auf der Oberfläche der Muschel mit scharfen Rändern her-
vor oder bilden auch hier und da Zacken, Spitzen und Röhrchen;
meist aber zeigen sie sich nur als feine Linien, die gewöhnlich dem
äußeren Umrisse der Muschel parallel laufen. In dieser Lamellen-
schicht
sind hauptsächlich die verschiedenen Pigmente abgelagert, welche
manche Muschel so herrlich färben. Die Ablagerung dieser Farbstoffe
machte es möglich zu bestimmen, daß wirklich der Mantelrand allein
diese Schicht absondere. Muscheln nämlich, welche über dem Mantel-
rande verletzt wurden, ersetzen den Substanzverlust ihrer Schalen
durch eine Masse, welche der ungefärbten Schichte der inneren Schale
entspricht; geschieht aber die Verletzung am Mantelrande, so erhält
die Ersatzstelle die Farbe, welche der Mantelrand an der verletzten
Stelle besitzt. Die dritte innerste Schalenschicht hat einen mehr blätte-
rigen Bau und eine gleichförmige Grundmasse, welche äußerst fein
gefaltet erscheint, und durch die Brechung des Lichtes den eigenthüm-
lichen Perlmutterglanz hervorbringt, welcher so vielen Muscheln eigen-
thümlich ist. Die Perlen selbst sind nur krankhafte Ausschwitzungen
der äußeren Mantelfläche, welche diese Schicht hervorbringt, in der
nur selten Farbestoffe abgelagert werden.

Betrachtet man die Lagerung der Schalen in ihrem Verhältnisse
zu dem Körper, so läßt sich sogleich entscheiden, was oben und unten,
rechts und links, vorn und hinten sei. Obgleich kein Muschelthier
einen deutlichen Kopf besitzt, so finden sich doch fast bei Allen Mund
und After an entgegengesetzten Enden und bei den Freilebenden das
kielförmige Bewegungsorgan, der Fuß, auf der Unterfläche. Diese
drei Organe bestimmen demnach bei allen Muschelthieren die Benen-
nung der einzelnen Regionen. Der freie Rand der Schalen, durch
welchen der Fuß hervorgestreckt wird, ist der untere Rand; der Schloß-
rand, wo die beiden Schalen zusammengefügt sind, der obere Rand;

hornigen Säulchenzellen zuſammengeſetzt iſt, welche mit Kalkmaſſe ge-
füllt ſind. Es ſtehen dieſe Säulchenzellen meiſt gerade oder ſchief von
außen nach innen; — ihre Abſonderung, ſo wie diejenige des kohlen-
ſauren Kalkes, welcher ſie erfüllt, geht offenbar von dem verdickten
Rande des Mantels aus, und da ſie nicht beſtändig, ſondern periodiſch
ſtattfindet, ſo werden hierdurch einzelne Blätter gebildet, welche dach-
ziegelförmig übereinander liegen und concentriſche Kreiſe bilden, die
dem jeweiligen Umriß der Muſchel bei jeder Wachsthumsperiode ent-
ſprechen. Die Anwachsſtreifen, wie man dieſe durch die einzel-
nen Lamellen gebildeten Linien genannt hat, bieten manche Anhalts-
punkte für die Charakteriſirung der Arten insbeſondere. Oft ſtehen
ſie nämlich auf der Oberfläche der Muſchel mit ſcharfen Rändern her-
vor oder bilden auch hier und da Zacken, Spitzen und Röhrchen;
meiſt aber zeigen ſie ſich nur als feine Linien, die gewöhnlich dem
äußeren Umriſſe der Muſchel parallel laufen. In dieſer Lamellen-
ſchicht
ſind hauptſächlich die verſchiedenen Pigmente abgelagert, welche
manche Muſchel ſo herrlich färben. Die Ablagerung dieſer Farbſtoffe
machte es möglich zu beſtimmen, daß wirklich der Mantelrand allein
dieſe Schicht abſondere. Muſcheln nämlich, welche über dem Mantel-
rande verletzt wurden, erſetzen den Subſtanzverluſt ihrer Schalen
durch eine Maſſe, welche der ungefärbten Schichte der inneren Schale
entſpricht; geſchieht aber die Verletzung am Mantelrande, ſo erhält
die Erſatzſtelle die Farbe, welche der Mantelrand an der verletzten
Stelle beſitzt. Die dritte innerſte Schalenſchicht hat einen mehr blätte-
rigen Bau und eine gleichförmige Grundmaſſe, welche äußerſt fein
gefaltet erſcheint, und durch die Brechung des Lichtes den eigenthüm-
lichen Perlmutterglanz hervorbringt, welcher ſo vielen Muſcheln eigen-
thümlich iſt. Die Perlen ſelbſt ſind nur krankhafte Ausſchwitzungen
der äußeren Mantelfläche, welche dieſe Schicht hervorbringt, in der
nur ſelten Farbeſtoffe abgelagert werden.

Betrachtet man die Lagerung der Schalen in ihrem Verhältniſſe
zu dem Körper, ſo läßt ſich ſogleich entſcheiden, was oben und unten,
rechts und links, vorn und hinten ſei. Obgleich kein Muſchelthier
einen deutlichen Kopf beſitzt, ſo finden ſich doch faſt bei Allen Mund
und After an entgegengeſetzten Enden und bei den Freilebenden das
kielförmige Bewegungsorgan, der Fuß, auf der Unterfläche. Dieſe
drei Organe beſtimmen demnach bei allen Muſchelthieren die Benen-
nung der einzelnen Regionen. Der freie Rand der Schalen, durch
welchen der Fuß hervorgeſtreckt wird, iſt der untere Rand; der Schloß-
rand, wo die beiden Schalen zuſammengefügt ſind, der obere Rand;

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[276/0282] hornigen Säulchenzellen zuſammengeſetzt iſt, welche mit Kalkmaſſe ge- füllt ſind. Es ſtehen dieſe Säulchenzellen meiſt gerade oder ſchief von außen nach innen; — ihre Abſonderung, ſo wie diejenige des kohlen- ſauren Kalkes, welcher ſie erfüllt, geht offenbar von dem verdickten Rande des Mantels aus, und da ſie nicht beſtändig, ſondern periodiſch ſtattfindet, ſo werden hierdurch einzelne Blätter gebildet, welche dach- ziegelförmig übereinander liegen und concentriſche Kreiſe bilden, die dem jeweiligen Umriß der Muſchel bei jeder Wachsthumsperiode ent- ſprechen. Die Anwachsſtreifen, wie man dieſe durch die einzel- nen Lamellen gebildeten Linien genannt hat, bieten manche Anhalts- punkte für die Charakteriſirung der Arten insbeſondere. Oft ſtehen ſie nämlich auf der Oberfläche der Muſchel mit ſcharfen Rändern her- vor oder bilden auch hier und da Zacken, Spitzen und Röhrchen; meiſt aber zeigen ſie ſich nur als feine Linien, die gewöhnlich dem äußeren Umriſſe der Muſchel parallel laufen. In dieſer Lamellen- ſchicht ſind hauptſächlich die verſchiedenen Pigmente abgelagert, welche manche Muſchel ſo herrlich färben. Die Ablagerung dieſer Farbſtoffe machte es möglich zu beſtimmen, daß wirklich der Mantelrand allein dieſe Schicht abſondere. Muſcheln nämlich, welche über dem Mantel- rande verletzt wurden, erſetzen den Subſtanzverluſt ihrer Schalen durch eine Maſſe, welche der ungefärbten Schichte der inneren Schale entſpricht; geſchieht aber die Verletzung am Mantelrande, ſo erhält die Erſatzſtelle die Farbe, welche der Mantelrand an der verletzten Stelle beſitzt. Die dritte innerſte Schalenſchicht hat einen mehr blätte- rigen Bau und eine gleichförmige Grundmaſſe, welche äußerſt fein gefaltet erſcheint, und durch die Brechung des Lichtes den eigenthüm- lichen Perlmutterglanz hervorbringt, welcher ſo vielen Muſcheln eigen- thümlich iſt. Die Perlen ſelbſt ſind nur krankhafte Ausſchwitzungen der äußeren Mantelfläche, welche dieſe Schicht hervorbringt, in der nur ſelten Farbeſtoffe abgelagert werden. Betrachtet man die Lagerung der Schalen in ihrem Verhältniſſe zu dem Körper, ſo läßt ſich ſogleich entſcheiden, was oben und unten, rechts und links, vorn und hinten ſei. Obgleich kein Muſchelthier einen deutlichen Kopf beſitzt, ſo finden ſich doch faſt bei Allen Mund und After an entgegengeſetzten Enden und bei den Freilebenden das kielförmige Bewegungsorgan, der Fuß, auf der Unterfläche. Dieſe drei Organe beſtimmen demnach bei allen Muſchelthieren die Benen- nung der einzelnen Regionen. Der freie Rand der Schalen, durch welchen der Fuß hervorgeſtreckt wird, iſt der untere Rand; der Schloß- rand, wo die beiden Schalen zuſammengefügt ſind, der obere Rand;

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/282>, abgerufen am 20.05.2024.