Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

sich zu den Schwimmfüßen umwandeln, indem sie sich bei späteren
Häutungen theilen, wo dann auch nebst den anderen Anhängen der
gegliederte Hinterleib allmählig hervorsproßt.

Man hat diese Ordnung, von der man keine fossilen Repräsen-
tanten kennt, in zwei Familien getheilt, die sich nur durch die An-
ordnung der Augen unterscheiden, indem bei den Meerflöhen (Pon-
tida)
zwei Augen nahe der Mittellinie stehen (Pontia; Saphirina;
Hersilia.)
während bei den Cyclopen oder Monokeln (Cyclopida) nur
ein einziges mittleres Auge vorhanden ist, das zwischen den beiden
großen Fühlern auf der Stirn steht. (Cyclops; Cyclopsine).

Die Ordnung der Muschelkrebse oder Schalenkrebse (Ost-
racoda)
wird aus meist kleinen Gattungen zusammengesetzt, welche

[Abbildung] Fig. 503.

Schalenfloh (Cypris)
von der Seite gesehen. o
Auge. p Schwimmfüße.

fast nur die süßen Gewässer bewohnen, und
sich von den meisten übrigen Krustenthieren
durch die Existenz einer zweiklappigen Schale
unterscheiden, die den ganzen Körper einschließt
und auf dem Rücken zusammengeheftet ist. Die
Form dieser Schalen, ihre Struktur, die An-
wachsstreifen, welche sich auf ihrer Oberfläche
finden, alles dieß stimmt so vollkommen mit den
Schalen der gewöhnlichen Muschelthiere überein,
daß man versucht sein könnte, leere Gehäuse dieser Krustenthierchen
für Muschelschalen anzusehen, wenn nicht sowohl ein eigentliches Schloß,
wie auch jede Spur eines Schloßbandes gänzlich fehlten. Die Scha-
len werden durch den Körper selbst, der an der Rückengegend mit
ihnen durch einen Muskel verwachsen ist, zusammengehalten. Die
Bildung der Fühler und Füße ist nach den Familien ziemlich verschie-
den, indem bei den einen das erste, bei den anderen das zweite Füh-
lerpaar hauptsächlich zur Bewegung dient. Der Kopf der Thiere hängt
frei zwischen den Schalen und trägt bei den meisten ein einziges Auge,
welches bei der einen Familie festsitzt, bei der anderen durch einen
ziemlich bedeutenden Muskelapparat nach allen Seiten hin be-
wegt werden kann. Die eigentlichen Füße, welche an dem freien
Hinterleibe auf der Bauchseite befestigt sind, sind in mehrfacher Zahl
vorhanden und an dem Rande mit Borsten besetz, zuweilen auch
blattförmig erweitert; sie dienen nicht sowohl zur Ortsbewegung, als
vielmehr wesentlich in der Eigenschaft von Strudelorganen, welche
dazu bestimmt sind, stets frisches Wasser und Nahrungsstoffe zwischen
die Schalenblätter einzuführen. Der Hinterleib ist gewöhnlich frei,

ſich zu den Schwimmfüßen umwandeln, indem ſie ſich bei ſpäteren
Häutungen theilen, wo dann auch nebſt den anderen Anhängen der
gegliederte Hinterleib allmählig hervorſproßt.

Man hat dieſe Ordnung, von der man keine foſſilen Repräſen-
tanten kennt, in zwei Familien getheilt, die ſich nur durch die An-
ordnung der Augen unterſcheiden, indem bei den Meerflöhen (Pon-
tida)
zwei Augen nahe der Mittellinie ſtehen (Pontia; Saphirina;
Hersilia.)
während bei den Cyclopen oder Monokeln (Cyclopida) nur
ein einziges mittleres Auge vorhanden iſt, das zwiſchen den beiden
großen Fühlern auf der Stirn ſteht. (Cyclops; Cyclopsine).

Die Ordnung der Muſchelkrebſe oder Schalenkrebſe (Ost-
racoda)
wird aus meiſt kleinen Gattungen zuſammengeſetzt, welche

[Abbildung] Fig. 503.

Schalenfloh (Cypris)
von der Seite geſehen. o
Auge. p Schwimmfüße.

faſt nur die ſüßen Gewäſſer bewohnen, und
ſich von den meiſten übrigen Kruſtenthieren
durch die Exiſtenz einer zweiklappigen Schale
unterſcheiden, die den ganzen Körper einſchließt
und auf dem Rücken zuſammengeheftet iſt. Die
Form dieſer Schalen, ihre Struktur, die An-
wachsſtreifen, welche ſich auf ihrer Oberfläche
finden, alles dieß ſtimmt ſo vollkommen mit den
Schalen der gewöhnlichen Muſchelthiere überein,
daß man verſucht ſein könnte, leere Gehäuſe dieſer Kruſtenthierchen
für Muſchelſchalen anzuſehen, wenn nicht ſowohl ein eigentliches Schloß,
wie auch jede Spur eines Schloßbandes gänzlich fehlten. Die Scha-
len werden durch den Körper ſelbſt, der an der Rückengegend mit
ihnen durch einen Muskel verwachſen iſt, zuſammengehalten. Die
Bildung der Fühler und Füße iſt nach den Familien ziemlich verſchie-
den, indem bei den einen das erſte, bei den anderen das zweite Füh-
lerpaar hauptſächlich zur Bewegung dient. Der Kopf der Thiere hängt
frei zwiſchen den Schalen und trägt bei den meiſten ein einziges Auge,
welches bei der einen Familie feſtſitzt, bei der anderen durch einen
ziemlich bedeutenden Muskelapparat nach allen Seiten hin be-
wegt werden kann. Die eigentlichen Füße, welche an dem freien
Hinterleibe auf der Bauchſeite befeſtigt ſind, ſind in mehrfacher Zahl
vorhanden und an dem Rande mit Borſten beſetz, zuweilen auch
blattförmig erweitert; ſie dienen nicht ſowohl zur Ortsbewegung, als
vielmehr weſentlich in der Eigenſchaft von Strudelorganen, welche
dazu beſtimmt ſind, ſtets friſches Waſſer und Nahrungsſtoffe zwiſchen
die Schalenblätter einzuführen. Der Hinterleib iſt gewöhnlich frei,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0444" n="438"/>
&#x017F;ich zu den Schwimmfüßen umwandeln, indem &#x017F;ie &#x017F;ich bei &#x017F;päteren<lb/>
Häutungen theilen, wo dann auch neb&#x017F;t den anderen Anhängen der<lb/>
gegliederte Hinterleib allmählig hervor&#x017F;proßt.</p><lb/>
            <p>Man hat die&#x017F;e Ordnung, von der man keine fo&#x017F;&#x017F;ilen Reprä&#x017F;en-<lb/>
tanten kennt, in zwei Familien getheilt, die &#x017F;ich nur durch die An-<lb/>
ordnung der Augen unter&#x017F;cheiden, indem bei den <hi rendition="#b">Meerflöhen</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Pon-<lb/>
tida)</hi></hi> zwei Augen nahe der Mittellinie &#x017F;tehen <hi rendition="#aq">(Pontia; Saphirina;<lb/>
Hersilia.)</hi> während bei den <hi rendition="#b">Cyclopen</hi> oder <hi rendition="#b">Monokeln</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Cyclopida</hi></hi>) nur<lb/>
ein einziges mittleres Auge vorhanden i&#x017F;t, das zwi&#x017F;chen den beiden<lb/>
großen Fühlern auf der Stirn &#x017F;teht. <hi rendition="#aq">(Cyclops; Cyclopsine)</hi>.</p><lb/>
            <p>Die Ordnung der <hi rendition="#b">Mu&#x017F;chelkreb&#x017F;e</hi> oder <hi rendition="#b">Schalenkreb&#x017F;e <hi rendition="#aq">(Ost-<lb/>
racoda)</hi></hi> wird aus mei&#x017F;t kleinen Gattungen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, welche<lb/><figure><head>Fig. 503.</head><lb/><p>Schalenfloh <hi rendition="#aq">(Cypris)</hi><lb/>
von der Seite ge&#x017F;ehen. <hi rendition="#aq">o</hi><lb/>
Auge. <hi rendition="#aq">p</hi> Schwimmfüße.</p></figure><lb/>
fa&#x017F;t nur die &#x017F;üßen Gewä&#x017F;&#x017F;er bewohnen, und<lb/>
&#x017F;ich von den mei&#x017F;ten übrigen Kru&#x017F;tenthieren<lb/>
durch die Exi&#x017F;tenz einer zweiklappigen Schale<lb/>
unter&#x017F;cheiden, die den ganzen Körper ein&#x017F;chließt<lb/>
und auf dem Rücken zu&#x017F;ammengeheftet i&#x017F;t. Die<lb/>
Form die&#x017F;er Schalen, ihre Struktur, die An-<lb/>
wachs&#x017F;treifen, welche &#x017F;ich auf ihrer Oberfläche<lb/>
finden, alles dieß &#x017F;timmt &#x017F;o vollkommen mit den<lb/>
Schalen der gewöhnlichen Mu&#x017F;chelthiere überein,<lb/>
daß man ver&#x017F;ucht &#x017F;ein könnte, leere Gehäu&#x017F;e die&#x017F;er Kru&#x017F;tenthierchen<lb/>
für Mu&#x017F;chel&#x017F;chalen anzu&#x017F;ehen, wenn nicht &#x017F;owohl ein eigentliches Schloß,<lb/>
wie auch jede Spur eines Schloßbandes gänzlich fehlten. Die Scha-<lb/>
len werden durch den Körper &#x017F;elb&#x017F;t, der an der Rückengegend mit<lb/>
ihnen durch einen Muskel verwach&#x017F;en i&#x017F;t, zu&#x017F;ammengehalten. Die<lb/>
Bildung der Fühler und Füße i&#x017F;t nach den Familien ziemlich ver&#x017F;chie-<lb/>
den, indem bei den einen das er&#x017F;te, bei den anderen das zweite Füh-<lb/>
lerpaar haupt&#x017F;ächlich zur Bewegung dient. Der Kopf der Thiere hängt<lb/>
frei zwi&#x017F;chen den Schalen und trägt bei den mei&#x017F;ten ein einziges Auge,<lb/>
welches bei der einen Familie fe&#x017F;t&#x017F;itzt, bei der anderen durch einen<lb/>
ziemlich bedeutenden Muskelapparat nach allen Seiten hin be-<lb/>
wegt werden kann. Die eigentlichen Füße, welche an dem freien<lb/>
Hinterleibe auf der Bauch&#x017F;eite befe&#x017F;tigt &#x017F;ind, &#x017F;ind in mehrfacher Zahl<lb/>
vorhanden und an dem Rande mit Bor&#x017F;ten be&#x017F;etz, zuweilen auch<lb/>
blattförmig erweitert; &#x017F;ie dienen nicht &#x017F;owohl zur Ortsbewegung, als<lb/>
vielmehr we&#x017F;entlich in der Eigen&#x017F;chaft von Strudelorganen, welche<lb/>
dazu be&#x017F;timmt &#x017F;ind, &#x017F;tets fri&#x017F;ches Wa&#x017F;&#x017F;er und Nahrungs&#x017F;toffe zwi&#x017F;chen<lb/>
die Schalenblätter einzuführen. Der Hinterleib i&#x017F;t gewöhnlich frei,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0444] ſich zu den Schwimmfüßen umwandeln, indem ſie ſich bei ſpäteren Häutungen theilen, wo dann auch nebſt den anderen Anhängen der gegliederte Hinterleib allmählig hervorſproßt. Man hat dieſe Ordnung, von der man keine foſſilen Repräſen- tanten kennt, in zwei Familien getheilt, die ſich nur durch die An- ordnung der Augen unterſcheiden, indem bei den Meerflöhen (Pon- tida) zwei Augen nahe der Mittellinie ſtehen (Pontia; Saphirina; Hersilia.) während bei den Cyclopen oder Monokeln (Cyclopida) nur ein einziges mittleres Auge vorhanden iſt, das zwiſchen den beiden großen Fühlern auf der Stirn ſteht. (Cyclops; Cyclopsine). Die Ordnung der Muſchelkrebſe oder Schalenkrebſe (Ost- racoda) wird aus meiſt kleinen Gattungen zuſammengeſetzt, welche [Abbildung Fig. 503. Schalenfloh (Cypris) von der Seite geſehen. o Auge. p Schwimmfüße.] faſt nur die ſüßen Gewäſſer bewohnen, und ſich von den meiſten übrigen Kruſtenthieren durch die Exiſtenz einer zweiklappigen Schale unterſcheiden, die den ganzen Körper einſchließt und auf dem Rücken zuſammengeheftet iſt. Die Form dieſer Schalen, ihre Struktur, die An- wachsſtreifen, welche ſich auf ihrer Oberfläche finden, alles dieß ſtimmt ſo vollkommen mit den Schalen der gewöhnlichen Muſchelthiere überein, daß man verſucht ſein könnte, leere Gehäuſe dieſer Kruſtenthierchen für Muſchelſchalen anzuſehen, wenn nicht ſowohl ein eigentliches Schloß, wie auch jede Spur eines Schloßbandes gänzlich fehlten. Die Scha- len werden durch den Körper ſelbſt, der an der Rückengegend mit ihnen durch einen Muskel verwachſen iſt, zuſammengehalten. Die Bildung der Fühler und Füße iſt nach den Familien ziemlich verſchie- den, indem bei den einen das erſte, bei den anderen das zweite Füh- lerpaar hauptſächlich zur Bewegung dient. Der Kopf der Thiere hängt frei zwiſchen den Schalen und trägt bei den meiſten ein einziges Auge, welches bei der einen Familie feſtſitzt, bei der anderen durch einen ziemlich bedeutenden Muskelapparat nach allen Seiten hin be- wegt werden kann. Die eigentlichen Füße, welche an dem freien Hinterleibe auf der Bauchſeite befeſtigt ſind, ſind in mehrfacher Zahl vorhanden und an dem Rande mit Borſten beſetz, zuweilen auch blattförmig erweitert; ſie dienen nicht ſowohl zur Ortsbewegung, als vielmehr weſentlich in der Eigenſchaft von Strudelorganen, welche dazu beſtimmt ſind, ſtets friſches Waſſer und Nahrungsſtoffe zwiſchen die Schalenblätter einzuführen. Der Hinterleib iſt gewöhnlich frei,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/444
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/444>, abgerufen am 20.05.2024.