Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

terlinge aber sie nach oben zusammenschlagen. Der Flug der Insek-
ten ist begreiflicherweise je nach der Beschaffenheit und Ausbildung der
Flügel außerordentlich verschieden, beruht aber im Wesentlichen darauf,
daß der Flügel beim Aufheben der Luft eine geringere Fläche darbietet,
als beim Niederschlagen, wodurch sich der zwischen den Flügeln ange-
brachte Körper erhebt. Die Flugkraft vieler Hautflügler, Adlerflügler
und Zweiflügler übersteigt alles, was wir an anderen Thieren kennen.
Eine Bremse ist fähig, beim schnellsten Fahren einer Eisenbahn den
Wagen Meilen weit zu verfolgen und während der Fahrt die Reisenden
beständig in Kreisen zu umschwärmen, mithin den Weg, welchen der
Wagen in gerader Linie macht, in Radlinien zu beschreiben.

Die Beine der Insekten sind trotz der verschiedenen Ausbildung
nach demselben Grundgesetze gebaut, und enthalten selbst bei ihrer Ver-
kümmerung gewöhnlich dieselbe Zahl von einzelnen Theilen. Die Hüfte
(coxa), mittelst welcher das Bein in die Gelenkgrube des betreffenden
Ringes eingelenkt ist, bildet meistens einen drehrunden oder länglichen
Gelenkknopf, mit dem ein zweites Hornstück, der Schenkelanhang
oder Trochanter, unbeweglich verbunden ist. Gewöhnlich können diese
beiden Hüftstücke zusammen in dem Gelenke in ähnlicher Weise bewegt
werden, wie unser Oberarm, in anderen Fällen ist die Rollung un-
vollständiger. An den Hüftstücken sitzt ebenfalls durch ein unvollstän-
diges Kugelgelenk mit ihnen verbunden, der Schenkel (femur), der
fast immer eine walzenförmige Gestalt hat, oft bestachelt oder bezähnt
ist und an den Hinterbeinen der springenden Insekten gewöhnlich be-
deutend verdickt erscheint. Mit dem Schenkel steht ein zweites, meist
längeres und dünneres Stück durch ein Charniergelenk in Verbindung,

[Abbildung] Fig. 620.

Fünfgliedriger
Fuß (Tarsus)
eines Käfers mit
erweiterten Glie-
dern und Bürsten-
haaren.

das man die Schiene (tibia) nennt, und das an seinem
Ende den Fuß (tarsus) trägt. Dieser letztere besteht nur
sehr selten aus Einem, meist aus mehreren, gewöhnlich aus
fünf Gliedern, die oft erweitert und auf ihrer Unterfläche
mit besonderen Ballen, Bürsten oder Wärzchen zum An-
halten an glatten Oberflächen besetzt sind. Das letzte Tar-
salglied trägt an seinem Ende gewöhnlich zwei, seltener
eine gekrümmte, meist scharfe Hornklaue, die nur in äußerst
seltenen Fällen gänzlich fehlt. Wesentliche Modifikationen erleiden die
Beine häufig durch ihre Beziehungen zur Lebensart der Insekten. So
besitzen Manche breite, quergestellte Vorderbeine, die zum Aufwühlen
der Erde geschickt erscheinen, sogenannte Grabfüße. Bei den Spring-

terlinge aber ſie nach oben zuſammenſchlagen. Der Flug der Inſek-
ten iſt begreiflicherweiſe je nach der Beſchaffenheit und Ausbildung der
Flügel außerordentlich verſchieden, beruht aber im Weſentlichen darauf,
daß der Flügel beim Aufheben der Luft eine geringere Fläche darbietet,
als beim Niederſchlagen, wodurch ſich der zwiſchen den Flügeln ange-
brachte Körper erhebt. Die Flugkraft vieler Hautflügler, Adlerflügler
und Zweiflügler überſteigt alles, was wir an anderen Thieren kennen.
Eine Bremſe iſt fähig, beim ſchnellſten Fahren einer Eiſenbahn den
Wagen Meilen weit zu verfolgen und während der Fahrt die Reiſenden
beſtändig in Kreiſen zu umſchwärmen, mithin den Weg, welchen der
Wagen in gerader Linie macht, in Radlinien zu beſchreiben.

Die Beine der Inſekten ſind trotz der verſchiedenen Ausbildung
nach demſelben Grundgeſetze gebaut, und enthalten ſelbſt bei ihrer Ver-
kümmerung gewöhnlich dieſelbe Zahl von einzelnen Theilen. Die Hüfte
(coxa), mittelſt welcher das Bein in die Gelenkgrube des betreffenden
Ringes eingelenkt iſt, bildet meiſtens einen drehrunden oder länglichen
Gelenkknopf, mit dem ein zweites Hornſtück, der Schenkelanhang
oder Trochanter, unbeweglich verbunden iſt. Gewöhnlich können dieſe
beiden Hüftſtücke zuſammen in dem Gelenke in ähnlicher Weiſe bewegt
werden, wie unſer Oberarm, in anderen Fällen iſt die Rollung un-
vollſtändiger. An den Hüftſtücken ſitzt ebenfalls durch ein unvollſtän-
diges Kugelgelenk mit ihnen verbunden, der Schenkel (femur), der
faſt immer eine walzenförmige Geſtalt hat, oft beſtachelt oder bezähnt
iſt und an den Hinterbeinen der ſpringenden Inſekten gewöhnlich be-
deutend verdickt erſcheint. Mit dem Schenkel ſteht ein zweites, meiſt
längeres und dünneres Stück durch ein Charniergelenk in Verbindung,

[Abbildung] Fig. 620.

Fünfgliedriger
Fuß (Tarsus)
eines Käfers mit
erweiterten Glie-
dern und Bürſten-
haaren.

das man die Schiene (tibia) nennt, und das an ſeinem
Ende den Fuß (tarsus) trägt. Dieſer letztere beſteht nur
ſehr ſelten aus Einem, meiſt aus mehreren, gewöhnlich aus
fünf Gliedern, die oft erweitert und auf ihrer Unterfläche
mit beſonderen Ballen, Bürſten oder Wärzchen zum An-
halten an glatten Oberflächen beſetzt ſind. Das letzte Tar-
ſalglied trägt an ſeinem Ende gewöhnlich zwei, ſeltener
eine gekrümmte, meiſt ſcharfe Hornklaue, die nur in äußerſt
ſeltenen Fällen gänzlich fehlt. Weſentliche Modifikationen erleiden die
Beine häufig durch ihre Beziehungen zur Lebensart der Inſekten. So
beſitzen Manche breite, quergeſtellte Vorderbeine, die zum Aufwühlen
der Erde geſchickt erſcheinen, ſogenannte Grabfüße. Bei den Spring-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0534" n="528"/>
terlinge aber &#x017F;ie nach oben zu&#x017F;ammen&#x017F;chlagen. Der Flug der In&#x017F;ek-<lb/>
ten i&#x017F;t begreiflicherwei&#x017F;e je nach der Be&#x017F;chaffenheit und Ausbildung der<lb/>
Flügel außerordentlich ver&#x017F;chieden, beruht aber im We&#x017F;entlichen darauf,<lb/>
daß der Flügel beim Aufheben der Luft eine geringere Fläche darbietet,<lb/>
als beim Nieder&#x017F;chlagen, wodurch &#x017F;ich der zwi&#x017F;chen den Flügeln ange-<lb/>
brachte Körper erhebt. Die Flugkraft vieler Hautflügler, Adlerflügler<lb/>
und Zweiflügler über&#x017F;teigt alles, was wir an anderen Thieren kennen.<lb/>
Eine Brem&#x017F;e i&#x017F;t fähig, beim &#x017F;chnell&#x017F;ten Fahren einer Ei&#x017F;enbahn den<lb/>
Wagen Meilen weit zu verfolgen und während der Fahrt die Rei&#x017F;enden<lb/>
be&#x017F;tändig in Krei&#x017F;en zu um&#x017F;chwärmen, mithin den Weg, welchen der<lb/>
Wagen in gerader Linie macht, in Radlinien zu be&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Beine</hi> der In&#x017F;ekten &#x017F;ind trotz der ver&#x017F;chiedenen Ausbildung<lb/>
nach dem&#x017F;elben Grundge&#x017F;etze gebaut, und enthalten &#x017F;elb&#x017F;t bei ihrer Ver-<lb/>
kümmerung gewöhnlich die&#x017F;elbe Zahl von einzelnen Theilen. Die <hi rendition="#g">Hüfte</hi><lb/><hi rendition="#aq">(coxa)</hi>, mittel&#x017F;t welcher das Bein in die Gelenkgrube des betreffenden<lb/>
Ringes eingelenkt i&#x017F;t, bildet mei&#x017F;tens einen drehrunden oder länglichen<lb/>
Gelenkknopf, mit dem ein zweites Horn&#x017F;tück, der <hi rendition="#g">Schenkelanhang</hi><lb/>
oder Trochanter, unbeweglich verbunden i&#x017F;t. Gewöhnlich können die&#x017F;e<lb/>
beiden Hüft&#x017F;tücke zu&#x017F;ammen in dem Gelenke in ähnlicher Wei&#x017F;e bewegt<lb/>
werden, wie un&#x017F;er Oberarm, in anderen Fällen i&#x017F;t die Rollung un-<lb/>
voll&#x017F;tändiger. An den Hüft&#x017F;tücken &#x017F;itzt ebenfalls durch ein unvoll&#x017F;tän-<lb/>
diges Kugelgelenk mit ihnen verbunden, der <hi rendition="#g">Schenkel</hi> <hi rendition="#aq">(femur)</hi>, der<lb/>
fa&#x017F;t immer eine walzenförmige Ge&#x017F;talt hat, oft be&#x017F;tachelt oder bezähnt<lb/>
i&#x017F;t und an den Hinterbeinen der &#x017F;pringenden In&#x017F;ekten gewöhnlich be-<lb/>
deutend verdickt er&#x017F;cheint. Mit dem Schenkel &#x017F;teht ein zweites, mei&#x017F;t<lb/>
längeres und dünneres Stück durch ein Charniergelenk in Verbindung,<lb/><figure><head>Fig. 620.</head><lb/><p>Fünfgliedriger<lb/>
Fuß <hi rendition="#aq">(Tarsus)</hi><lb/>
eines Käfers mit<lb/>
erweiterten Glie-<lb/>
dern und Bür&#x017F;ten-<lb/>
haaren.</p></figure><lb/>
das man die <hi rendition="#g">Schiene</hi> <hi rendition="#aq">(tibia)</hi> nennt, und das an &#x017F;einem<lb/>
Ende den <hi rendition="#g">Fuß</hi> <hi rendition="#aq">(tarsus)</hi> trägt. Die&#x017F;er letztere be&#x017F;teht nur<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;elten aus Einem, mei&#x017F;t aus mehreren, gewöhnlich aus<lb/>
fünf Gliedern, die oft erweitert und auf ihrer Unterfläche<lb/>
mit be&#x017F;onderen Ballen, Bür&#x017F;ten oder Wärzchen zum An-<lb/>
halten an glatten Oberflächen be&#x017F;etzt &#x017F;ind. Das letzte Tar-<lb/>
&#x017F;alglied trägt an &#x017F;einem Ende gewöhnlich zwei, &#x017F;eltener<lb/>
eine gekrümmte, mei&#x017F;t &#x017F;charfe Hornklaue, die nur in äußer&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eltenen Fällen gänzlich fehlt. We&#x017F;entliche Modifikationen erleiden die<lb/>
Beine häufig durch ihre Beziehungen zur Lebensart der In&#x017F;ekten. So<lb/>
be&#x017F;itzen Manche breite, querge&#x017F;tellte Vorderbeine, die zum Aufwühlen<lb/>
der Erde ge&#x017F;chickt er&#x017F;cheinen, &#x017F;ogenannte Grabfüße. Bei den Spring-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[528/0534] terlinge aber ſie nach oben zuſammenſchlagen. Der Flug der Inſek- ten iſt begreiflicherweiſe je nach der Beſchaffenheit und Ausbildung der Flügel außerordentlich verſchieden, beruht aber im Weſentlichen darauf, daß der Flügel beim Aufheben der Luft eine geringere Fläche darbietet, als beim Niederſchlagen, wodurch ſich der zwiſchen den Flügeln ange- brachte Körper erhebt. Die Flugkraft vieler Hautflügler, Adlerflügler und Zweiflügler überſteigt alles, was wir an anderen Thieren kennen. Eine Bremſe iſt fähig, beim ſchnellſten Fahren einer Eiſenbahn den Wagen Meilen weit zu verfolgen und während der Fahrt die Reiſenden beſtändig in Kreiſen zu umſchwärmen, mithin den Weg, welchen der Wagen in gerader Linie macht, in Radlinien zu beſchreiben. Die Beine der Inſekten ſind trotz der verſchiedenen Ausbildung nach demſelben Grundgeſetze gebaut, und enthalten ſelbſt bei ihrer Ver- kümmerung gewöhnlich dieſelbe Zahl von einzelnen Theilen. Die Hüfte (coxa), mittelſt welcher das Bein in die Gelenkgrube des betreffenden Ringes eingelenkt iſt, bildet meiſtens einen drehrunden oder länglichen Gelenkknopf, mit dem ein zweites Hornſtück, der Schenkelanhang oder Trochanter, unbeweglich verbunden iſt. Gewöhnlich können dieſe beiden Hüftſtücke zuſammen in dem Gelenke in ähnlicher Weiſe bewegt werden, wie unſer Oberarm, in anderen Fällen iſt die Rollung un- vollſtändiger. An den Hüftſtücken ſitzt ebenfalls durch ein unvollſtän- diges Kugelgelenk mit ihnen verbunden, der Schenkel (femur), der faſt immer eine walzenförmige Geſtalt hat, oft beſtachelt oder bezähnt iſt und an den Hinterbeinen der ſpringenden Inſekten gewöhnlich be- deutend verdickt erſcheint. Mit dem Schenkel ſteht ein zweites, meiſt längeres und dünneres Stück durch ein Charniergelenk in Verbindung, [Abbildung Fig. 620. Fünfgliedriger Fuß (Tarsus) eines Käfers mit erweiterten Glie- dern und Bürſten- haaren.] das man die Schiene (tibia) nennt, und das an ſeinem Ende den Fuß (tarsus) trägt. Dieſer letztere beſteht nur ſehr ſelten aus Einem, meiſt aus mehreren, gewöhnlich aus fünf Gliedern, die oft erweitert und auf ihrer Unterfläche mit beſonderen Ballen, Bürſten oder Wärzchen zum An- halten an glatten Oberflächen beſetzt ſind. Das letzte Tar- ſalglied trägt an ſeinem Ende gewöhnlich zwei, ſeltener eine gekrümmte, meiſt ſcharfe Hornklaue, die nur in äußerſt ſeltenen Fällen gänzlich fehlt. Weſentliche Modifikationen erleiden die Beine häufig durch ihre Beziehungen zur Lebensart der Inſekten. So beſitzen Manche breite, quergeſtellte Vorderbeine, die zum Aufwühlen der Erde geſchickt erſcheinen, ſogenannte Grabfüße. Bei den Spring-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/534
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/534>, abgerufen am 23.12.2024.