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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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chen allein überlassen und hier entwickeln die meisten derselben eine
Sorgsamkeit, welche oft über die Grenzen des Instinktes hinausgeht.
Viele Arten freilich legen die Eier nur einfach dahin, wo sie vor Fein-
den soviel als möglich geschützt sind und wo die auskriechenden Lar-
ven ihren Lebensunterhalt finden können; andere aber bauen für die
zukünftige Larve oft mit großer Anstrengung besondere Zufluchtsorte,
und tragen dort den Proviant zu, dessen das junge Thier während
der Larvenzeit bedarf. Die Arten, deren Larven schmarotzend im
Inneren anderer Thiere wohnen, wissen oft mit ungemeiner Schlauig-
keit und Umsicht die vielfachen Gefahren zu vermeiden, welche ihnen
von den durch sie bedrohten Thieren bereitet werden. Bei den höchsten
Stufen finden wir eine mütterliche Sorgfalt, welche von keiner andern
Klasse übertroffen wird, indem die jungen Larven und Puppen in
gemeinschaftlichen Wohnungen erhalten, gefüttert und gepflegt, und mit
äußerster Hingebung gegen ihre Feinde vertheidigt werden. Diese
Sorgfalt geht selbst so weit, daß einzelne Arten den jungen Larven
bei Verfertigung ihrer Puppen helfen und zur rechten Zeit wieder
diese Puppen öffnen, um dem ausgebildeten Insekte seine Freiheit zu
verschaffen.

Die Eier der Insekten haben sehr verschiedene Formen und Far-
ben; doch findet man meistens die Eiform oder Cylinderform vorwie-
gend. Zuweilen haben diese Eier eigenthümliche Fortsätze, Stiele oder
Haken, welche meistens dazu dienen, sie an irgend einer Fläche festzu-
halten, ihr weiteres Einsinken im Schlamme z. B. zu verhindern. Bei
den in Haufen oder Gesellschaften lebenden Arten werden auch meist
die Eier schon im Beginn zusammengelegt, und durch einen Kitt in
bestimmter Art vereinigt. Oft sind mehrfache Hüllen vorhanden, die
besonders bei den im Freien ausdauernden Eiern zuweilen eine bedeu-
tende Härte zeigen und namentlich auch die Eier vor dem Einflusse
des Frostes auf das Kräftigste zu schützen scheinen. In dem gelegten
Eie zeigt sich stets nur ein körniger, mehr oder minder gefärbter
Dotter; das Keimbläschen und der Keimfleck, welche bei den inner-
halb der Eierröhren befindlichen unreifen Eiern so deutlich waren,
sind in den reifen Eiern vollkommen verschwunden.

Die Entwickelung der Eier geht nach dem bei den Glieder-
thieren allgemein herrschenden Typus in der Art vor sich, daß auf dem
durchaus homogenen Eie an einer bestimmten Stelle sich ein oberfläch-
licher Furchungsproceß einleitet, aus welchem ein beschränkter Keim

chen allein überlaſſen und hier entwickeln die meiſten derſelben eine
Sorgſamkeit, welche oft über die Grenzen des Inſtinktes hinausgeht.
Viele Arten freilich legen die Eier nur einfach dahin, wo ſie vor Fein-
den ſoviel als möglich geſchützt ſind und wo die auskriechenden Lar-
ven ihren Lebensunterhalt finden können; andere aber bauen für die
zukünftige Larve oft mit großer Anſtrengung beſondere Zufluchtsorte,
und tragen dort den Proviant zu, deſſen das junge Thier während
der Larvenzeit bedarf. Die Arten, deren Larven ſchmarotzend im
Inneren anderer Thiere wohnen, wiſſen oft mit ungemeiner Schlauig-
keit und Umſicht die vielfachen Gefahren zu vermeiden, welche ihnen
von den durch ſie bedrohten Thieren bereitet werden. Bei den höchſten
Stufen finden wir eine mütterliche Sorgfalt, welche von keiner andern
Klaſſe übertroffen wird, indem die jungen Larven und Puppen in
gemeinſchaftlichen Wohnungen erhalten, gefüttert und gepflegt, und mit
äußerſter Hingebung gegen ihre Feinde vertheidigt werden. Dieſe
Sorgfalt geht ſelbſt ſo weit, daß einzelne Arten den jungen Larven
bei Verfertigung ihrer Puppen helfen und zur rechten Zeit wieder
dieſe Puppen öffnen, um dem ausgebildeten Inſekte ſeine Freiheit zu
verſchaffen.

Die Eier der Inſekten haben ſehr verſchiedene Formen und Far-
ben; doch findet man meiſtens die Eiform oder Cylinderform vorwie-
gend. Zuweilen haben dieſe Eier eigenthümliche Fortſätze, Stiele oder
Haken, welche meiſtens dazu dienen, ſie an irgend einer Fläche feſtzu-
halten, ihr weiteres Einſinken im Schlamme z. B. zu verhindern. Bei
den in Haufen oder Geſellſchaften lebenden Arten werden auch meiſt
die Eier ſchon im Beginn zuſammengelegt, und durch einen Kitt in
beſtimmter Art vereinigt. Oft ſind mehrfache Hüllen vorhanden, die
beſonders bei den im Freien ausdauernden Eiern zuweilen eine bedeu-
tende Härte zeigen und namentlich auch die Eier vor dem Einfluſſe
des Froſtes auf das Kräftigſte zu ſchützen ſcheinen. In dem gelegten
Eie zeigt ſich ſtets nur ein körniger, mehr oder minder gefärbter
Dotter; das Keimbläschen und der Keimfleck, welche bei den inner-
halb der Eierröhren befindlichen unreifen Eiern ſo deutlich waren,
ſind in den reifen Eiern vollkommen verſchwunden.

Die Entwickelung der Eier geht nach dem bei den Glieder-
thieren allgemein herrſchenden Typus in der Art vor ſich, daß auf dem
durchaus homogenen Eie an einer beſtimmten Stelle ſich ein oberfläch-
licher Furchungsproceß einleitet, aus welchem ein beſchränkter Keim

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[543/0549] chen allein überlaſſen und hier entwickeln die meiſten derſelben eine Sorgſamkeit, welche oft über die Grenzen des Inſtinktes hinausgeht. Viele Arten freilich legen die Eier nur einfach dahin, wo ſie vor Fein- den ſoviel als möglich geſchützt ſind und wo die auskriechenden Lar- ven ihren Lebensunterhalt finden können; andere aber bauen für die zukünftige Larve oft mit großer Anſtrengung beſondere Zufluchtsorte, und tragen dort den Proviant zu, deſſen das junge Thier während der Larvenzeit bedarf. Die Arten, deren Larven ſchmarotzend im Inneren anderer Thiere wohnen, wiſſen oft mit ungemeiner Schlauig- keit und Umſicht die vielfachen Gefahren zu vermeiden, welche ihnen von den durch ſie bedrohten Thieren bereitet werden. Bei den höchſten Stufen finden wir eine mütterliche Sorgfalt, welche von keiner andern Klaſſe übertroffen wird, indem die jungen Larven und Puppen in gemeinſchaftlichen Wohnungen erhalten, gefüttert und gepflegt, und mit äußerſter Hingebung gegen ihre Feinde vertheidigt werden. Dieſe Sorgfalt geht ſelbſt ſo weit, daß einzelne Arten den jungen Larven bei Verfertigung ihrer Puppen helfen und zur rechten Zeit wieder dieſe Puppen öffnen, um dem ausgebildeten Inſekte ſeine Freiheit zu verſchaffen. Die Eier der Inſekten haben ſehr verſchiedene Formen und Far- ben; doch findet man meiſtens die Eiform oder Cylinderform vorwie- gend. Zuweilen haben dieſe Eier eigenthümliche Fortſätze, Stiele oder Haken, welche meiſtens dazu dienen, ſie an irgend einer Fläche feſtzu- halten, ihr weiteres Einſinken im Schlamme z. B. zu verhindern. Bei den in Haufen oder Geſellſchaften lebenden Arten werden auch meiſt die Eier ſchon im Beginn zuſammengelegt, und durch einen Kitt in beſtimmter Art vereinigt. Oft ſind mehrfache Hüllen vorhanden, die beſonders bei den im Freien ausdauernden Eiern zuweilen eine bedeu- tende Härte zeigen und namentlich auch die Eier vor dem Einfluſſe des Froſtes auf das Kräftigſte zu ſchützen ſcheinen. In dem gelegten Eie zeigt ſich ſtets nur ein körniger, mehr oder minder gefärbter Dotter; das Keimbläschen und der Keimfleck, welche bei den inner- halb der Eierröhren befindlichen unreifen Eiern ſo deutlich waren, ſind in den reifen Eiern vollkommen verſchwunden. Die Entwickelung der Eier geht nach dem bei den Glieder- thieren allgemein herrſchenden Typus in der Art vor ſich, daß auf dem durchaus homogenen Eie an einer beſtimmten Stelle ſich ein oberfläch- licher Furchungsproceß einleitet, aus welchem ein beſchränkter Keim

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/549>, abgerufen am 18.10.2024.