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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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sie mit den Dunen ihres eigenen Körpers auskleiden, andere bereiten
auf der Erde mit Binsen oder Grashalmen eine kunstlose schüsselför-
mige Brutstätte. Manche langbeinige Vögel, wie die Flamingo's, sollen
besondere Erdhaufen aufthürmen, die zu der Länge ihrer Beine im
Verhältnisse stehen und auf deren Spitze sich das Nest befindet. Einige
Wasservögel wissen dasselbe so einzurichten und zu befestigen, daß es
auf dem Spiegel des Wassers selbst schwimmt und durch die Verän-
derungen des Wasserstandes keinen Schaden erleidet. Auch die Raub-
vögel bauen im Allgemeinen nur einen kunstlosen, schüsselförmigen,
flachen Horst, der meistens auf der Spitze hoher Bäume oder auf
unzugänglichen Felsen angebracht ist. Die größte Kunstfertigkeit im
Nestbaue entwickeln die Sing- und Schreivögel, die sich Bäume oder
niedere Sträuche, Astlöcher und ähnliche gedeckte Stellen, zur Stätte
aussuchen. Das Nest wird hier aus verschiedenen festeren Materia-
lien angelegt, aus Zweigen u. s. w., welche kunstreich zusammenge-
flochten werden und deren innere Höhlung mit weicheren Stoffen,

[Abbildung] Fig. 1217.

Nest des Distelfinks.

[Abbildung] Fig. 1218.

Nest der Schneidergrasmücke.

Federn, Heu, Wolle u. s. w. ausgekleidet wird. Bei unsern meisten
Singvögeln sind diese Nester oben offen, aber doch so angebracht,
daß kein Regen in sie hineinfallen kann. Einige, wie die Krähen
und Kreuzschnäbel, wölben sie zu und lassen nur eine, vom Nord-
winde abgewendete, seitliche Oeffnung. Den merkwürdigsten Instinkt

ſie mit den Dunen ihres eigenen Körpers auskleiden, andere bereiten
auf der Erde mit Binſen oder Grashalmen eine kunſtloſe ſchüſſelför-
mige Brutſtätte. Manche langbeinige Vögel, wie die Flamingo’s, ſollen
beſondere Erdhaufen aufthürmen, die zu der Länge ihrer Beine im
Verhältniſſe ſtehen und auf deren Spitze ſich das Neſt befindet. Einige
Waſſervögel wiſſen daſſelbe ſo einzurichten und zu befeſtigen, daß es
auf dem Spiegel des Waſſers ſelbſt ſchwimmt und durch die Verän-
derungen des Waſſerſtandes keinen Schaden erleidet. Auch die Raub-
vögel bauen im Allgemeinen nur einen kunſtloſen, ſchüſſelförmigen,
flachen Horſt, der meiſtens auf der Spitze hoher Bäume oder auf
unzugänglichen Felſen angebracht iſt. Die größte Kunſtfertigkeit im
Neſtbaue entwickeln die Sing- und Schreivögel, die ſich Bäume oder
niedere Sträuche, Aſtlöcher und ähnliche gedeckte Stellen, zur Stätte
ausſuchen. Das Neſt wird hier aus verſchiedenen feſteren Materia-
lien angelegt, aus Zweigen u. ſ. w., welche kunſtreich zuſammenge-
flochten werden und deren innere Höhlung mit weicheren Stoffen,

[Abbildung] Fig. 1217.

Neſt des Diſtelfinks.

[Abbildung] Fig. 1218.

Neſt der Schneidergrasmücke.

Federn, Heu, Wolle u. ſ. w. ausgekleidet wird. Bei unſern meiſten
Singvögeln ſind dieſe Neſter oben offen, aber doch ſo angebracht,
daß kein Regen in ſie hineinfallen kann. Einige, wie die Krähen
und Kreuzſchnäbel, wölben ſie zu und laſſen nur eine, vom Nord-
winde abgewendete, ſeitliche Oeffnung. Den merkwürdigſten Inſtinkt

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[320/0326] ſie mit den Dunen ihres eigenen Körpers auskleiden, andere bereiten auf der Erde mit Binſen oder Grashalmen eine kunſtloſe ſchüſſelför- mige Brutſtätte. Manche langbeinige Vögel, wie die Flamingo’s, ſollen beſondere Erdhaufen aufthürmen, die zu der Länge ihrer Beine im Verhältniſſe ſtehen und auf deren Spitze ſich das Neſt befindet. Einige Waſſervögel wiſſen daſſelbe ſo einzurichten und zu befeſtigen, daß es auf dem Spiegel des Waſſers ſelbſt ſchwimmt und durch die Verän- derungen des Waſſerſtandes keinen Schaden erleidet. Auch die Raub- vögel bauen im Allgemeinen nur einen kunſtloſen, ſchüſſelförmigen, flachen Horſt, der meiſtens auf der Spitze hoher Bäume oder auf unzugänglichen Felſen angebracht iſt. Die größte Kunſtfertigkeit im Neſtbaue entwickeln die Sing- und Schreivögel, die ſich Bäume oder niedere Sträuche, Aſtlöcher und ähnliche gedeckte Stellen, zur Stätte ausſuchen. Das Neſt wird hier aus verſchiedenen feſteren Materia- lien angelegt, aus Zweigen u. ſ. w., welche kunſtreich zuſammenge- flochten werden und deren innere Höhlung mit weicheren Stoffen, [Abbildung Fig. 1217. Neſt des Diſtelfinks.] [Abbildung Fig. 1218. Neſt der Schneidergrasmücke.] Federn, Heu, Wolle u. ſ. w. ausgekleidet wird. Bei unſern meiſten Singvögeln ſind dieſe Neſter oben offen, aber doch ſo angebracht, daß kein Regen in ſie hineinfallen kann. Einige, wie die Krähen und Kreuzſchnäbel, wölben ſie zu und laſſen nur eine, vom Nord- winde abgewendete, ſeitliche Oeffnung. Den merkwürdigſten Inſtinkt

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/326>, abgerufen am 22.11.2024.