Zeit vor dir, die Kraft in dir, werden mächtig fortgestalten. Nur vergiß nicht, daß du Gemüth und Geist in immer vollkommeneren Einklang bringen mußt, den Preis der höchsten Schönheit davon zu tragen. Noch gab' dein Gemüth oft zu vielen Ausschlag. Dieser Durst nach Helden¬ ruhm, um den ich dich einst anklagte, wenn er gleich dem Manne ziemt, muß sich der Betrach¬ tung über die schönere Eintracht der Menschheit unterwerfen. Das Wissen, die hellere Uebersicht, müssen diese Betrachtung rufen. Doch wenn Pflicht es gebeut, mußt du entsagen können, auch wirk¬ lich entsagen. Dies Wort verstehe wohl, dann wird erst das Göttliche in Herrlichkeit den inne¬ ren Menschen durchstrahlen, und von vollendeter Bildung die verklärte Gestalt zeugen. Roher Sinnenwahn, niedere Leidenschaft gebieten nicht mehr in dir, durch den letzten Kampf hast du dich ihnen ganz entwunden, des Denkers gereif¬ tere Kraft wohnt auf der weit vorgedrungenen Stirn, was den Linien im Antlitz sonst hie und da ein Mißverhältniß erzog, ist viel ausgeglichen. Viel -- nicht vollkommen. Noch Uebung im edlen Denken, im richtigen Empfinden, noch
Zeit vor dir, die Kraft in dir, werden maͤchtig fortgeſtalten. Nur vergiß nicht, daß du Gemuͤth und Geiſt in immer vollkommeneren Einklang bringen mußt, den Preis der hoͤchſten Schoͤnheit davon zu tragen. Noch gab' dein Gemuͤth oft zu vielen Ausſchlag. Dieſer Durſt nach Helden¬ ruhm, um den ich dich einſt anklagte, wenn er gleich dem Manne ziemt, muß ſich der Betrach¬ tung uͤber die ſchoͤnere Eintracht der Menſchheit unterwerfen. Das Wiſſen, die hellere Ueberſicht, muͤſſen dieſe Betrachtung rufen. Doch wenn Pflicht es gebeut, mußt du entſagen koͤnnen, auch wirk¬ lich entſagen. Dies Wort verſtehe wohl, dann wird erſt das Goͤttliche in Herrlichkeit den inne¬ ren Menſchen durchſtrahlen, und von vollendeter Bildung die verklaͤrte Geſtalt zeugen. Roher Sinnenwahn, niedere Leidenſchaft gebieten nicht mehr in dir, durch den letzten Kampf haſt du dich ihnen ganz entwunden, des Denkers gereif¬ tere Kraft wohnt auf der weit vorgedrungenen Stirn, was den Linien im Antlitz ſonſt hie und da ein Mißverhaͤltniß erzog, iſt viel ausgeglichen. Viel — nicht vollkommen. Noch Uebung im edlen Denken, im richtigen Empfinden, noch
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Zeit vor dir, die Kraft in dir, werden maͤchtig
fortgeſtalten. Nur vergiß nicht, daß du Gemuͤth
und Geiſt in immer vollkommeneren Einklang
bringen mußt, den Preis der hoͤchſten Schoͤnheit
davon zu tragen. Noch gab' dein Gemuͤth oft
zu vielen Ausſchlag. Dieſer Durſt nach Helden¬
ruhm, um den ich dich einſt anklagte, wenn er
gleich dem Manne ziemt, muß ſich der Betrach¬
tung uͤber die ſchoͤnere Eintracht der Menſchheit
unterwerfen. Das Wiſſen, die hellere Ueberſicht,
muͤſſen dieſe Betrachtung rufen. Doch wenn Pflicht
es gebeut, mußt du entſagen koͤnnen, auch wirk¬
lich entſagen. Dies Wort verſtehe wohl, dann
wird erſt das Goͤttliche in Herrlichkeit den inne¬
ren Menſchen durchſtrahlen, und von vollendeter
Bildung die verklaͤrte Geſtalt zeugen. Roher
Sinnenwahn, niedere Leidenſchaft gebieten nicht
mehr in dir, durch den letzten Kampf haſt du
dich ihnen ganz entwunden, des Denkers gereif¬
tere Kraft wohnt auf der weit vorgedrungenen
Stirn, was den Linien im Antlitz ſonſt hie und
da ein Mißverhaͤltniß erzog, iſt viel ausgeglichen.
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/243>, abgerufen am 21.11.2024.
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