ter allem Merkwürdigen, was er noch auf der Wanderung gesehen, stände dieser Paraplu oben an. Es ist auch ein Erdenwunder von Kunst, sagte Gelino.
Sie stiegen im Posthause ab, übergaben Trägern ihr Gepäck, und eilten zu einem Wechs¬ ler, wo der Lehrer Summen, für ihren Aufent¬ halt nöthig, in Empfang nehmen wollte. Un¬ terwegs stellte sich ihnen ein sonderbarer An¬ blick dar.
Ein Mensch bettelte. Dies war so unerhört, daß das aufgeregte Mitleid keine Gränzen kannte. Aus allen Häusern eilte man hervor, den Unglücklichen mit Wohlthaten zu überhäufen, der sich auch bald in Besitz so vielen Geldes sah, daß er flehend bitten mußte, nur einzu¬ halten.
Guido reichte ebenfalls hin, was er bei sich trug, und fragte den Lehrer: wie so eine, die Menschheit entwürdigende, Erscheinung möglich sei? Dieser erkundigte sich näher, und erfuhr: der Mann wäre aus dem südlichen Amerika, und durch einen Schiffbruch um seine Habe ge¬ kommen.
Guido schauderte bei der Nachricht von ei¬
ter allem Merkwuͤrdigen, was er noch auf der Wanderung geſehen, ſtaͤnde dieſer Paraplu oben an. Es iſt auch ein Erdenwunder von Kunſt, ſagte Gelino.
Sie ſtiegen im Poſthauſe ab, uͤbergaben Traͤgern ihr Gepaͤck, und eilten zu einem Wechs¬ ler, wo der Lehrer Summen, fuͤr ihren Aufent¬ halt noͤthig, in Empfang nehmen wollte. Un¬ terwegs ſtellte ſich ihnen ein ſonderbarer An¬ blick dar.
Ein Menſch bettelte. Dies war ſo unerhoͤrt, daß das aufgeregte Mitleid keine Graͤnzen kannte. Aus allen Haͤuſern eilte man hervor, den Ungluͤcklichen mit Wohlthaten zu uͤberhaͤufen, der ſich auch bald in Beſitz ſo vielen Geldes ſah, daß er flehend bitten mußte, nur einzu¬ halten.
Guido reichte ebenfalls hin, was er bei ſich trug, und fragte den Lehrer: wie ſo eine, die Menſchheit entwuͤrdigende, Erſcheinung moͤglich ſei? Dieſer erkundigte ſich naͤher, und erfuhr: der Mann waͤre aus dem ſuͤdlichen Amerika, und durch einen Schiffbruch um ſeine Habe ge¬ kommen.
Guido ſchauderte bei der Nachricht von ei¬
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ter allem Merkwuͤrdigen, was er noch auf der
Wanderung geſehen, ſtaͤnde dieſer Paraplu oben
an. Es iſt auch ein Erdenwunder von Kunſt,
ſagte Gelino.
Sie ſtiegen im Poſthauſe ab, uͤbergaben
Traͤgern ihr Gepaͤck, und eilten zu einem Wechs¬
ler, wo der Lehrer Summen, fuͤr ihren Aufent¬
halt noͤthig, in Empfang nehmen wollte. Un¬
terwegs ſtellte ſich ihnen ein ſonderbarer An¬
blick dar.
Ein Menſch bettelte. Dies war ſo unerhoͤrt,
daß das aufgeregte Mitleid keine Graͤnzen kannte.
Aus allen Haͤuſern eilte man hervor, den
Ungluͤcklichen mit Wohlthaten zu uͤberhaͤufen,
der ſich auch bald in Beſitz ſo vielen Geldes
ſah, daß er flehend bitten mußte, nur einzu¬
halten.
Guido reichte ebenfalls hin, was er bei ſich
trug, und fragte den Lehrer: wie ſo eine, die
Menſchheit entwuͤrdigende, Erſcheinung moͤglich
ſei? Dieſer erkundigte ſich naͤher, und erfuhr:
der Mann waͤre aus dem ſuͤdlichen Amerika, und
durch einen Schiffbruch um ſeine Habe ge¬
kommen.
Guido ſchauderte bei der Nachricht von ei¬
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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