nere der Seele, wenn die Menschen in der Tugendlarve heucheln. Es giebt doch hie und da einen Fürstenrath, einen hohen Priester des Gesetzes von gewichtigem Ansehn, entscheidenden Einfluß, der sein wahres Spiel birgt, und Zwie¬ tracht mit der Fremde, oder Zwietracht im In¬ nern hervorruft. Man muß auf seine Tugend baun, wer vermag sie genau zu erkennen?
Hier fühlte sich Guido von einem Gedanken ergriffen, dem er in der Folge eifrig nachhing. Jetzt antwortete er dem Lehrer: Die richtige Erkenntniß des Menschen scheint mir nicht un¬ möglich, aber den Frieden aller Völker zu knüp¬ fen, ist schwer. Ich sehe nicht ein, auch wenn ich Kaiser wäre, was ich da thun wollte. Da muß das Schicksal selbst freundlich zutreten.
Nun das wird auch einst geschehn, antwortete Gelino. Auch gebieten ja die Menschen dem Schicksal immer mehr, wie ihre Weisheit steigt. --
Die Reisenden erborgten in Paris vornehme Namen und knüpften Bekanntschaften an. Die angesehensten Einwohner, Künstler, Gelehrte, wurden zu ihrer Tafel, zu ihren Konzerten, nach ihren Gärten geladen, und baten sie dagegen zu
nere der Seele, wenn die Menſchen in der Tugendlarve heucheln. Es giebt doch hie und da einen Fuͤrſtenrath, einen hohen Prieſter des Geſetzes von gewichtigem Anſehn, entſcheidenden Einfluß, der ſein wahres Spiel birgt, und Zwie¬ tracht mit der Fremde, oder Zwietracht im In¬ nern hervorruft. Man muß auf ſeine Tugend baun, wer vermag ſie genau zu erkennen?
Hier fuͤhlte ſich Guido von einem Gedanken ergriffen, dem er in der Folge eifrig nachhing. Jetzt antwortete er dem Lehrer: Die richtige Erkenntniß des Menſchen ſcheint mir nicht un¬ moͤglich, aber den Frieden aller Voͤlker zu knuͤp¬ fen, iſt ſchwer. Ich ſehe nicht ein, auch wenn ich Kaiſer waͤre, was ich da thun wollte. Da muß das Schickſal ſelbſt freundlich zutreten.
Nun das wird auch einſt geſchehn, antwortete Gelino. Auch gebieten ja die Menſchen dem Schickſal immer mehr, wie ihre Weisheit ſteigt. —
Die Reiſenden erborgten in Paris vornehme Namen und knuͤpften Bekanntſchaften an. Die angeſehenſten Einwohner, Kuͤnſtler, Gelehrte, wurden zu ihrer Tafel, zu ihren Konzerten, nach ihren Gaͤrten geladen, und baten ſie dagegen zu
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nere der Seele, wenn die Menſchen in der
Tugendlarve heucheln. Es giebt doch hie und
da einen Fuͤrſtenrath, einen hohen Prieſter des
Geſetzes von gewichtigem Anſehn, entſcheidenden
Einfluß, der ſein wahres Spiel birgt, und Zwie¬
tracht mit der Fremde, oder Zwietracht im In¬
nern hervorruft. Man muß auf ſeine Tugend
baun, wer vermag ſie genau zu erkennen?
Hier fuͤhlte ſich Guido von einem Gedanken
ergriffen, dem er in der Folge eifrig nachhing.
Jetzt antwortete er dem Lehrer: Die richtige
Erkenntniß des Menſchen ſcheint mir nicht un¬
moͤglich, aber den Frieden aller Voͤlker zu knuͤp¬
fen, iſt ſchwer. Ich ſehe nicht ein, auch wenn
ich Kaiſer waͤre, was ich da thun wollte. Da
muß das Schickſal ſelbſt freundlich zutreten.
Nun das wird auch einſt geſchehn, antwortete
Gelino. Auch gebieten ja die Menſchen dem
Schickſal immer mehr, wie ihre Weisheit
ſteigt. —
Die Reiſenden erborgten in Paris vornehme
Namen und knuͤpften Bekanntſchaften an. Die
angeſehenſten Einwohner, Kuͤnſtler, Gelehrte,
wurden zu ihrer Tafel, zu ihren Konzerten, nach
ihren Gaͤrten geladen, und baten ſie dagegen zu
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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