Erziehung und Moral wieder so viel an Voll¬ kommenheit gewonnen, das solche Verbrecher wohl nicht mehr aufständen. -- So gebührt mir die Strafe jener Zeit. Sendet mich in die Ver¬ weisung, entgegnete er.
"Nein, nein, die Vorwelt wollte deine Be¬ gnadigung selbst, wenn du die lange Verwei¬ sung aus der Gesellschaft überständest."
Gut! Laßt mich ein Jahrlang unter euch leben. Dann will ich, mein Gewissen zu ent¬ laden, freiwillig abermal in das Gefäß. Ihr übergebt mich den Enkeln auf Hundert Jahre. Weit nützlicher kann ich einst jener Zeit sein, mir ist es gleich, den Rest meiner Tage nun oder dann zu beschließen, ja es ist wohl im letzten Fall noch weit merkwürdiger. In diesem Jahre will ich mich von den Veränderungen der Welt wäh¬ rend meines Schlafes überzeugen, und ohne Zweifel werde ich oft staunen.
Man konnte nicht umhin, den Zustand dieses Menschen von einer Seite zu beneiden, und willfahrtete ihm übrigens.
Guido und sein Lehrer warteten jedoch nichts mehr davon ab, sondern machten sich auf den Weg nach England. Der Luftpostillion fuhr
S
Erziehung und Moral wieder ſo viel an Voll¬ kommenheit gewonnen, das ſolche Verbrecher wohl nicht mehr aufſtaͤnden. — So gebuͤhrt mir die Strafe jener Zeit. Sendet mich in die Ver¬ weiſung, entgegnete er.
„Nein, nein, die Vorwelt wollte deine Be¬ gnadigung ſelbſt, wenn du die lange Verwei¬ ſung aus der Geſellſchaft uͤberſtaͤndeſt.“
Gut! Laßt mich ein Jahrlang unter euch leben. Dann will ich, mein Gewiſſen zu ent¬ laden, freiwillig abermal in das Gefaͤß. Ihr uͤbergebt mich den Enkeln auf Hundert Jahre. Weit nuͤtzlicher kann ich einſt jener Zeit ſein, mir iſt es gleich, den Reſt meiner Tage nun oder dann zu beſchließen, ja es iſt wohl im letzten Fall noch weit merkwuͤrdiger. In dieſem Jahre will ich mich von den Veraͤnderungen der Welt waͤh¬ rend meines Schlafes uͤberzeugen, und ohne Zweifel werde ich oft ſtaunen.
Man konnte nicht umhin, den Zuſtand dieſes Menſchen von einer Seite zu beneiden, und willfahrtete ihm uͤbrigens.
Guido und ſein Lehrer warteten jedoch nichts mehr davon ab, ſondern machten ſich auf den Weg nach England. Der Luftpoſtillion fuhr
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Erziehung und Moral wieder ſo viel an Voll¬
kommenheit gewonnen, das ſolche Verbrecher
wohl nicht mehr aufſtaͤnden. — So gebuͤhrt mir
die Strafe jener Zeit. Sendet mich in die Ver¬
weiſung, entgegnete er.
„Nein, nein, die Vorwelt wollte deine Be¬
gnadigung ſelbſt, wenn du die lange Verwei¬
ſung aus der Geſellſchaft uͤberſtaͤndeſt.“
Gut! Laßt mich ein Jahrlang unter euch
leben. Dann will ich, mein Gewiſſen zu ent¬
laden, freiwillig abermal in das Gefaͤß. Ihr
uͤbergebt mich den Enkeln auf Hundert Jahre.
Weit nuͤtzlicher kann ich einſt jener Zeit ſein,
mir iſt es gleich, den Reſt meiner Tage nun oder
dann zu beſchließen, ja es iſt wohl im letzten Fall
noch weit merkwuͤrdiger. In dieſem Jahre will
ich mich von den Veraͤnderungen der Welt waͤh¬
rend meines Schlafes uͤberzeugen, und ohne
Zweifel werde ich oft ſtaunen.
Man konnte nicht umhin, den Zuſtand dieſes
Menſchen von einer Seite zu beneiden, und
willfahrtete ihm uͤbrigens.
Guido und ſein Lehrer warteten jedoch nichts
mehr davon ab, ſondern machten ſich auf den
Weg nach England. Der Luftpoſtillion fuhr
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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