Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

fen, mittelst der von Guido erfundenen Gläser,
ungesehen ihren Feind. Dichte Negerschaaren,
wuthtrunken durch Opium und ein mit vor¬
überfliehender Tollheit füllendes Kraut, drangen
gleich schwarzen Hagelwolken daher und überzogen
den Boden der hellen Gefilde mit Nacht. Bald
schwieg ihr Mordruf und Blutströme rannen
zwischen den dunkeln Leichnamen hin.

Guido bestieg eine Luftgondel, aus der Höhe
den Streit zu überblicken. Zeichen lenkten den
Fortgang. Plan, Technik, Zeitgeist überwogen
hier, dort die Zahl, die Tapferkeit drückte mit
gleicher Schwere auf die Waage. Doch entschied
der Genius endlich, die Afrikaner flohen.

Guido ertheilte seine Befehle, zu kluger,
nachdrücklicher Verfolgung, und besah den Graus
der Wahlstäte. Nicht, wie vordem einst, durch¬
glühten ihn die Sieggefühle mit Entzücken,
schwermüthig sann er über die verderblichen Lei¬
denschaften, welche Völker anreitzen, sich zu er¬
schlagen. O, wann wird das enden! rief er,
wann die Fahne des Friedens wehn, auf allen
Hainen und Auen, Brudersinn die Zwietracht
ewig verbannen! Das einsame Jahr dort am
Pol, ihn abscheidend von Sinnenwahn und Täu¬

fen, mittelſt der von Guido erfundenen Glaͤſer,
ungeſehen ihren Feind. Dichte Negerſchaaren,
wuthtrunken durch Opium und ein mit vor¬
uͤberfliehender Tollheit fuͤllendes Kraut, drangen
gleich ſchwarzen Hagelwolken daher und uͤberzogen
den Boden der hellen Gefilde mit Nacht. Bald
ſchwieg ihr Mordruf und Blutſtroͤme rannen
zwiſchen den dunkeln Leichnamen hin.

Guido beſtieg eine Luftgondel, aus der Hoͤhe
den Streit zu uͤberblicken. Zeichen lenkten den
Fortgang. Plan, Technik, Zeitgeiſt uͤberwogen
hier, dort die Zahl, die Tapferkeit druͤckte mit
gleicher Schwere auf die Waage. Doch entſchied
der Genius endlich, die Afrikaner flohen.

Guido ertheilte ſeine Befehle, zu kluger,
nachdruͤcklicher Verfolgung, und beſah den Graus
der Wahlſtaͤte. Nicht, wie vordem einſt, durch¬
gluͤhten ihn die Sieggefuͤhle mit Entzuͤcken,
ſchwermuͤthig ſann er uͤber die verderblichen Lei¬
denſchaften, welche Voͤlker anreitzen, ſich zu er¬
ſchlagen. O, wann wird das enden! rief er,
wann die Fahne des Friedens wehn, auf allen
Hainen und Auen, Bruderſinn die Zwietracht
ewig verbannen! Das einſame Jahr dort am
Pol, ihn abſcheidend von Sinnenwahn und Taͤu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0359" n="347"/>
fen, mittel&#x017F;t der von Guido erfundenen Gla&#x0364;&#x017F;er,<lb/>
unge&#x017F;ehen ihren Feind. Dichte Neger&#x017F;chaaren,<lb/>
wuthtrunken durch Opium und ein mit vor¬<lb/>
u&#x0364;berfliehender Tollheit fu&#x0364;llendes Kraut, drangen<lb/>
gleich &#x017F;chwarzen Hagelwolken daher und u&#x0364;berzogen<lb/>
den Boden der hellen Gefilde mit Nacht. Bald<lb/>
&#x017F;chwieg ihr Mordruf und Blut&#x017F;tro&#x0364;me rannen<lb/>
zwi&#x017F;chen den dunkeln Leichnamen hin.</p><lb/>
          <p>Guido be&#x017F;tieg eine Luftgondel, aus der Ho&#x0364;he<lb/>
den Streit zu u&#x0364;berblicken. Zeichen lenkten den<lb/>
Fortgang. Plan, Technik, Zeitgei&#x017F;t u&#x0364;berwogen<lb/>
hier, dort die Zahl, die Tapferkeit dru&#x0364;ckte mit<lb/>
gleicher Schwere auf die Waage. Doch ent&#x017F;chied<lb/>
der Genius endlich, die Afrikaner flohen.</p><lb/>
          <p>Guido ertheilte &#x017F;eine Befehle, zu kluger,<lb/>
nachdru&#x0364;cklicher Verfolgung, und be&#x017F;ah den Graus<lb/>
der Wahl&#x017F;ta&#x0364;te. Nicht, wie vordem ein&#x017F;t, durch¬<lb/>
glu&#x0364;hten ihn die Sieggefu&#x0364;hle mit Entzu&#x0364;cken,<lb/>
&#x017F;chwermu&#x0364;thig &#x017F;ann er u&#x0364;ber die verderblichen Lei¬<lb/>
den&#x017F;chaften, welche Vo&#x0364;lker anreitzen, &#x017F;ich zu er¬<lb/>
&#x017F;chlagen. O, wann wird das enden! rief er,<lb/>
wann die Fahne des Friedens wehn, auf allen<lb/>
Hainen und Auen, Bruder&#x017F;inn die Zwietracht<lb/>
ewig verbannen! Das ein&#x017F;ame Jahr dort am<lb/>
Pol, ihn ab&#x017F;cheidend von Sinnenwahn und Ta&#x0364;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0359] fen, mittelſt der von Guido erfundenen Glaͤſer, ungeſehen ihren Feind. Dichte Negerſchaaren, wuthtrunken durch Opium und ein mit vor¬ uͤberfliehender Tollheit fuͤllendes Kraut, drangen gleich ſchwarzen Hagelwolken daher und uͤberzogen den Boden der hellen Gefilde mit Nacht. Bald ſchwieg ihr Mordruf und Blutſtroͤme rannen zwiſchen den dunkeln Leichnamen hin. Guido beſtieg eine Luftgondel, aus der Hoͤhe den Streit zu uͤberblicken. Zeichen lenkten den Fortgang. Plan, Technik, Zeitgeiſt uͤberwogen hier, dort die Zahl, die Tapferkeit druͤckte mit gleicher Schwere auf die Waage. Doch entſchied der Genius endlich, die Afrikaner flohen. Guido ertheilte ſeine Befehle, zu kluger, nachdruͤcklicher Verfolgung, und beſah den Graus der Wahlſtaͤte. Nicht, wie vordem einſt, durch¬ gluͤhten ihn die Sieggefuͤhle mit Entzuͤcken, ſchwermuͤthig ſann er uͤber die verderblichen Lei¬ denſchaften, welche Voͤlker anreitzen, ſich zu er¬ ſchlagen. O, wann wird das enden! rief er, wann die Fahne des Friedens wehn, auf allen Hainen und Auen, Bruderſinn die Zwietracht ewig verbannen! Das einſame Jahr dort am Pol, ihn abſcheidend von Sinnenwahn und Taͤu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/359
Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/359>, abgerufen am 23.11.2024.