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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Jahre um, sprach sie, und wir haben Beide er¬
reicht, was wir wollten, dann liegt es schon in
der ganzen Natur dieser Schönheit, daß wir
uns besitzen müssen. Und nun scheide mit einem
männlichen Lebewohl.

Daß es nicht sehr männlich war, und die
ermannende Rathgeberin selbst im Geheim der
Fassung entrathete, ist zu vermuthen. Bei dem
Allen ließ die hohe Wehmuth des Abschiedes auf
lange Dauer wieder einen neuen Zug von Schön¬
heit zurück.

Guido sollte nicht immer durch die Höhen rei¬
sen, weil ihm die Tiefe dann nicht kund geworden
wäre. Ein segelfertig Schiff im Hafen ward
bestiegen, das den Lehrer und Zögling nach der
jetzigen Ostmark des Staates von Europa tra¬
gen sollte.

Die Kunst zu schiffen hatte bedeutend ge¬
wonnen. Unendlich geringer war die Gefahr
dabei. Strand, Klippen, Meergrund hatte die
viel erweitete Geographie treflich bezeichnet,
der gute Pilot wußte den Strich, kannte die
Tiefen seines Fahrwassers genau. Nächtliches
Dunkel bereitete kein Hinderniß, weil man die
Fahrzeuge mit Reverberen umhing, die im Um¬

Jahre um, ſprach ſie, und wir haben Beide er¬
reicht, was wir wollten, dann liegt es ſchon in
der ganzen Natur dieſer Schoͤnheit, daß wir
uns beſitzen muͤſſen. Und nun ſcheide mit einem
maͤnnlichen Lebewohl.

Daß es nicht ſehr maͤnnlich war, und die
ermannende Rathgeberin ſelbſt im Geheim der
Faſſung entrathete, iſt zu vermuthen. Bei dem
Allen ließ die hohe Wehmuth des Abſchiedes auf
lange Dauer wieder einen neuen Zug von Schoͤn¬
heit zuruͤck.

Guido ſollte nicht immer durch die Hoͤhen rei¬
ſen, weil ihm die Tiefe dann nicht kund geworden
waͤre. Ein ſegelfertig Schiff im Hafen ward
beſtiegen, das den Lehrer und Zoͤgling nach der
jetzigen Oſtmark des Staates von Europa tra¬
gen ſollte.

Die Kunſt zu ſchiffen hatte bedeutend ge¬
wonnen. Unendlich geringer war die Gefahr
dabei. Strand, Klippen, Meergrund hatte die
viel erweitete Geographie treflich bezeichnet,
der gute Pilot wußte den Strich, kannte die
Tiefen ſeines Fahrwaſſers genau. Naͤchtliches
Dunkel bereitete kein Hinderniß, weil man die
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[34/0046] Jahre um, ſprach ſie, und wir haben Beide er¬ reicht, was wir wollten, dann liegt es ſchon in der ganzen Natur dieſer Schoͤnheit, daß wir uns beſitzen muͤſſen. Und nun ſcheide mit einem maͤnnlichen Lebewohl. Daß es nicht ſehr maͤnnlich war, und die ermannende Rathgeberin ſelbſt im Geheim der Faſſung entrathete, iſt zu vermuthen. Bei dem Allen ließ die hohe Wehmuth des Abſchiedes auf lange Dauer wieder einen neuen Zug von Schoͤn¬ heit zuruͤck. Guido ſollte nicht immer durch die Hoͤhen rei¬ ſen, weil ihm die Tiefe dann nicht kund geworden waͤre. Ein ſegelfertig Schiff im Hafen ward beſtiegen, das den Lehrer und Zoͤgling nach der jetzigen Oſtmark des Staates von Europa tra¬ gen ſollte. Die Kunſt zu ſchiffen hatte bedeutend ge¬ wonnen. Unendlich geringer war die Gefahr dabei. Strand, Klippen, Meergrund hatte die viel erweitete Geographie treflich bezeichnet, der gute Pilot wußte den Strich, kannte die Tiefen ſeines Fahrwaſſers genau. Naͤchtliches Dunkel bereitete kein Hinderniß, weil man die Fahrzeuge mit Reverberen umhing, die im Um¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/46>, abgerufen am 26.04.2024.