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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Schwanden in Licht; es erscholl, wie von tausend Nachtigallchören;
Und ein Gedüft, wie der Rosen, doch duftender, athmete ringsum.
Und nun trat aus dem Licht ein Unsterblicher: seine Gestalt war
Morgenglanz, sein Gewand ein feurigwallender Nordschein.
Zitternd verhüllt' ich mein Antliz; allein der Unsterbliche nahm mich
Sanft bei der Hand, und Wonne durchschauerte meine Gebeine.
Und er begann zu reden, und sprach mit melodischer Stimme:

Fürchte nicht, o Jüngling, den Maioniden Homäros,
Welchen du Einsamer oft mit herzlicher lauter Entzückung
Nanntest! Ich komme zu dir, nicht aus dem stügischen Abgrund;
Denn kein Aidäs herscht, kein Minos richtet die Todten
Drunten in ewiger Nacht: ich komm' aus dem lichten Gefilde,
Wo auch mein Gesang zum Vater aller emporsteigt.
Als mit himmlischer Harfe der isaidische Seher
Gott den Unsichtbaren im Allerheiligsten feirte,
Sang ich mit irdischer Harfe den schwacherleuchteten Völkern
Stammelnd den sichtbaren Gott im Heiligthume der Schöpfung;
Und, gleich Davids, lohnte der Vater mein kindliches Stammeln.
Sorgsam pflückte mein Lied die Blume jeglicher Tugend,
Wie sie am schwächeren Strale der göttlichen Wahrheit entblühte:
Unschuld, goldene Treu und Einfalt; dankende Ehrfurcht
Vor der Natur und der Kunst wohlthätigen Kräften, der Urkraft

Schwanden in Licht; es erſcholl, wie von tauſend Nachtigallchoͤren;
Und ein Geduͤft, wie der Roſen, doch duftender, athmete ringsum.
Und nun trat aus dem Licht ein Unſterblicher: ſeine Geſtalt war
Morgenglanz, ſein Gewand ein feurigwallender Nordſchein.
Zitternd verhuͤllt' ich mein Antliz; allein der Unſterbliche nahm mich
Sanft bei der Hand, und Wonne durchſchauerte meine Gebeine.
Und er begann zu reden, und ſprach mit melodiſcher Stimme:

Fuͤrchte nicht, o Juͤngling, den Maioniden Homaͤros,
Welchen du Einſamer oft mit herzlicher lauter Entzuͤckung
Nannteſt! Ich komme zu dir, nicht aus dem ſtuͤgiſchen Abgrund;
Denn kein Aïdaͤs herſcht, kein Minos richtet die Todten
Drunten in ewiger Nacht: ich komm' aus dem lichten Gefilde,
Wo auch mein Geſang zum Vater aller emporſteigt.
Als mit himmliſcher Harfe der iſaïdiſche Seher
Gott den Unſichtbaren im Allerheiligſten feirte,
Sang ich mit irdiſcher Harfe den ſchwacherleuchteten Voͤlkern
Stammelnd den ſichtbaren Gott im Heiligthume der Schoͤpfung;
Und, gleich Davids, lohnte der Vater mein kindliches Stammeln.
Sorgſam pfluͤckte mein Lied die Blume jeglicher Tugend,
Wie ſie am ſchwaͤcheren Strale der goͤttlichen Wahrheit entbluͤhte:
Unſchuld, goldene Treu und Einfalt; dankende Ehrfurcht
Vor der Natur und der Kunſt wohlthaͤtigen Kraͤften, der Urkraft

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[[4]/0010] Schwanden in Licht; es erſcholl, wie von tauſend Nachtigallchoͤren; Und ein Geduͤft, wie der Roſen, doch duftender, athmete ringsum. Und nun trat aus dem Licht ein Unſterblicher: ſeine Geſtalt war Morgenglanz, ſein Gewand ein feurigwallender Nordſchein. Zitternd verhuͤllt' ich mein Antliz; allein der Unſterbliche nahm mich Sanft bei der Hand, und Wonne durchſchauerte meine Gebeine. Und er begann zu reden, und ſprach mit melodiſcher Stimme: Fuͤrchte nicht, o Juͤngling, den Maioniden Homaͤros, Welchen du Einſamer oft mit herzlicher lauter Entzuͤckung Nannteſt! Ich komme zu dir, nicht aus dem ſtuͤgiſchen Abgrund; Denn kein Aïdaͤs herſcht, kein Minos richtet die Todten Drunten in ewiger Nacht: ich komm' aus dem lichten Gefilde, Wo auch mein Geſang zum Vater aller emporſteigt. Als mit himmliſcher Harfe der iſaïdiſche Seher Gott den Unſichtbaren im Allerheiligſten feirte, Sang ich mit irdiſcher Harfe den ſchwacherleuchteten Voͤlkern Stammelnd den ſichtbaren Gott im Heiligthume der Schoͤpfung; Und, gleich Davids, lohnte der Vater mein kindliches Stammeln. Sorgſam pfluͤckte mein Lied die Blume jeglicher Tugend, Wie ſie am ſchwaͤcheren Strale der goͤttlichen Wahrheit entbluͤhte: Unſchuld, goldene Treu und Einfalt; dankende Ehrfurcht Vor der Natur und der Kunſt wohlthaͤtigen Kraͤften, der Urkraft

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/10>, abgerufen am 21.11.2024.