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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Dreimal selig die Brüder! Ihr Herz muß ja immer von hoher 155
Ueberschwenglicher Wonne bei deiner Schöne sich heben,
Wenn sie sehn, wie ein solches Gewächs zum Reigen einhergeht!
Aber keiner ermißt die Wonne des seligen Jünglings,
Der, nach großen Geschenken, als Braut zu Hause dich führet!
Denn ich sahe noch nie solch einen sterblichen Menschen, 160
Weder Mann noch Weib! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick!
Ehmals sah ich in Dälos, am Altar Föbos Apollons,
Einen Sprößling der Palme von so erhabenem Wuchse.
Denn auch dorthin kam ich, von vielem Volke begleitet,
Jenes Weges, der mir so vielen Jammer gebracht hat! 165
Und ich stand auch also vor ihm, und betrachtet' ihn lange
Staunend; denn solch ein Stamm war nie dem Boden entwachsen.
Also bewundre ich dich, und staun', und zittre vor Ehrfurcht,
Deine Kniee zu rühren! Doch groß ist mein Elend, o Jungfrau!
Gestern am zwanzigsten Tag' entfloh ich dem dunkeln Gewäßer; 170
Denn so lange trieb mich die Flut und die wirbelnden Stürme
Von der ogügischen Insel. Nun warf ein Dämon mich hieher,
Daß ich auch hier noch dulde! Denn noch erwart' ich des Leidens
Ende nicht; mir ward viel mehr von den Göttern beschieden!
Aber erbarme dich, Hohe! Denn nach unendlicher Trübsal 175
Fand ich am ersten dich, und kenne der übrigen Menschen
Keinen, welche die Stadt und diese Gefilde bewohnen.
Zeige mich hin zur Stadt, und gieb mir ein Stück zur Bedeckung,
Etwa ein Wickeltuch, worin du die Wäsche gebracht hast!
Mögen die Götter dir schenken, so viel dein Herz nur begehret, 180
Einen Mann und ein Haus, und euch mit seliger Eintracht
Segnen! Denn nichts ist beßer und wünschenswehrter auf Erden,

Oduͤßee.
Dreimal ſelig die Bruͤder! Ihr Herz muß ja immer von hoher 155
Ueberſchwenglicher Wonne bei deiner Schoͤne ſich heben,
Wenn ſie ſehn, wie ein ſolches Gewaͤchs zum Reigen einhergeht!
Aber keiner ermißt die Wonne des ſeligen Juͤnglings,
Der, nach großen Geſchenken, als Braut zu Hauſe dich fuͤhret!
Denn ich ſahe noch nie ſolch einen ſterblichen Menſchen, 160
Weder Mann noch Weib! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick!
Ehmals ſah ich in Daͤlos, am Altar Foͤbos Apollons,
Einen Sproͤßling der Palme von ſo erhabenem Wuchſe.
Denn auch dorthin kam ich, von vielem Volke begleitet,
Jenes Weges, der mir ſo vielen Jammer gebracht hat! 165
Und ich ſtand auch alſo vor ihm, und betrachtet' ihn lange
Staunend; denn ſolch ein Stamm war nie dem Boden entwachſen.
Alſo bewundre ich dich, und ſtaun', und zittre vor Ehrfurcht,
Deine Kniee zu ruͤhren! Doch groß iſt mein Elend, o Jungfrau!
Geſtern am zwanzigſten Tag' entfloh ich dem dunkeln Gewaͤßer; 170
Denn ſo lange trieb mich die Flut und die wirbelnden Stuͤrme
Von der oguͤgiſchen Inſel. Nun warf ein Daͤmon mich hieher,
Daß ich auch hier noch dulde! Denn noch erwart' ich des Leidens
Ende nicht; mir ward viel mehr von den Goͤttern beſchieden!
Aber erbarme dich, Hohe! Denn nach unendlicher Truͤbſal 175
Fand ich am erſten dich, und kenne der uͤbrigen Menſchen
Keinen, welche die Stadt und dieſe Gefilde bewohnen.
Zeige mich hin zur Stadt, und gieb mir ein Stuͤck zur Bedeckung,
Etwa ein Wickeltuch, worin du die Waͤſche gebracht haſt!
Moͤgen die Goͤtter dir ſchenken, ſo viel dein Herz nur begehret, 180
Einen Mann und ein Haus, und euch mit ſeliger Eintracht
Segnen! Denn nichts iſt beßer und wuͤnſchenswehrter auf Erden,

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[120/0126] Oduͤßee. Dreimal ſelig die Bruͤder! Ihr Herz muß ja immer von hoher Ueberſchwenglicher Wonne bei deiner Schoͤne ſich heben, Wenn ſie ſehn, wie ein ſolches Gewaͤchs zum Reigen einhergeht! Aber keiner ermißt die Wonne des ſeligen Juͤnglings, Der, nach großen Geſchenken, als Braut zu Hauſe dich fuͤhret! Denn ich ſahe noch nie ſolch einen ſterblichen Menſchen, Weder Mann noch Weib! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick! Ehmals ſah ich in Daͤlos, am Altar Foͤbos Apollons, Einen Sproͤßling der Palme von ſo erhabenem Wuchſe. Denn auch dorthin kam ich, von vielem Volke begleitet, Jenes Weges, der mir ſo vielen Jammer gebracht hat! Und ich ſtand auch alſo vor ihm, und betrachtet' ihn lange Staunend; denn ſolch ein Stamm war nie dem Boden entwachſen. Alſo bewundre ich dich, und ſtaun', und zittre vor Ehrfurcht, Deine Kniee zu ruͤhren! Doch groß iſt mein Elend, o Jungfrau! Geſtern am zwanzigſten Tag' entfloh ich dem dunkeln Gewaͤßer; Denn ſo lange trieb mich die Flut und die wirbelnden Stuͤrme Von der oguͤgiſchen Inſel. Nun warf ein Daͤmon mich hieher, Daß ich auch hier noch dulde! Denn noch erwart' ich des Leidens Ende nicht; mir ward viel mehr von den Goͤttern beſchieden! Aber erbarme dich, Hohe! Denn nach unendlicher Truͤbſal Fand ich am erſten dich, und kenne der uͤbrigen Menſchen Keinen, welche die Stadt und dieſe Gefilde bewohnen. Zeige mich hin zur Stadt, und gieb mir ein Stuͤck zur Bedeckung, Etwa ein Wickeltuch, worin du die Waͤſche gebracht haſt! Moͤgen die Goͤtter dir ſchenken, ſo viel dein Herz nur begehret, Einen Mann und ein Haus, und euch mit ſeliger Eintracht Segnen! Denn nichts iſt beßer und wuͤnſchenswehrter auf Erden, 155 160 165 170 175 180

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/126>, abgerufen am 21.11.2024.