Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Und sie sezte die Männer auf prächtige Seßel und Throne,
Mengte geriebenen Käse mit Mehl und gelblichem Honig
Unter pramnischen Wein, und mischte bethörende Säfte 235
In das Gericht, damit sie der Heimat gänzlich vergäßen.
Als sie dieses empfangen und ausgeleeret, da rührte
Kirkä sie mit der Rute, und sperrte sie dann in die Köfen.
Denn sie hatten von Schweinen die Köpfe, Stimmen und Leiber,
Auch die Borsten; allein ihr Verstand blieb völlig, wie vormals. 240
Weinend ließen sie sich einsperren; da schüttete Kirkä
Ihnen Eicheln und Buchenmast, und rothe Kornellen
Vor, das gewöhnliche Futter der erdaufwühlenden Schweine.

Und Eurülochos kam zu dem schwärzlichen Schiffe geeilet,
Uns das herbe Verhängniß der übrigen Freunde zu melden. 245
Aber er konnte kein Wort aussprechen, so gern er auch wollte.
Denn die entsezliche Angst beklemmte sein Herz; die Augen
Waren mit Thränen erfüllt, und Jammer umschwebte die Seele.
Lange hatten wir all' ihn voll Erstaunen befraget;
Endlich hub er an, und erzählte der Freunde Verderben: 250

Edler Odüßeus, wir gingen, wie du befahlst, durch die Waldung!
Fanden im Thal des Gebirgs die schöngebauete Wohnung,
Von gehauenen Steinen, in weitumschauender Gegend!
Alda wirkte jemand, und sang am großen Gewebe:
Eine Göttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern! 255
Jene kam, und öffnete schnell die stralende Pforte,
Nöthigte sie; und alle, die Unbesonnenen! folgten.
Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Böses!
Aber mit Einmal waren die andern verschwunden, und keiner
Kehrte zurück; solang' ich auch saß, und nach ihnen mich umsah! 260

Oduͤßee.
Und ſie ſezte die Maͤnner auf praͤchtige Seßel und Throne,
Mengte geriebenen Kaͤſe mit Mehl und gelblichem Honig
Unter pramniſchen Wein, und miſchte bethoͤrende Saͤfte 235
In das Gericht, damit ſie der Heimat gaͤnzlich vergaͤßen.
Als ſie dieſes empfangen und ausgeleeret, da ruͤhrte
Kirkaͤ ſie mit der Rute, und ſperrte ſie dann in die Koͤfen.
Denn ſie hatten von Schweinen die Koͤpfe, Stimmen und Leiber,
Auch die Borſten; allein ihr Verſtand blieb voͤllig, wie vormals. 240
Weinend ließen ſie ſich einſperren; da ſchuͤttete Kirkaͤ
Ihnen Eicheln und Buchenmaſt, und rothe Kornellen
Vor, das gewoͤhnliche Futter der erdaufwuͤhlenden Schweine.

Und Euruͤlochos kam zu dem ſchwaͤrzlichen Schiffe geeilet,
Uns das herbe Verhaͤngniß der uͤbrigen Freunde zu melden. 245
Aber er konnte kein Wort ausſprechen, ſo gern er auch wollte.
Denn die entſezliche Angſt beklemmte ſein Herz; die Augen
Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele.
Lange hatten wir all' ihn voll Erſtaunen befraget;
Endlich hub er an, und erzaͤhlte der Freunde Verderben: 250

Edler Oduͤßeus, wir gingen, wie du befahlſt, durch die Waldung!
Fanden im Thal des Gebirgs die ſchoͤngebauete Wohnung,
Von gehauenen Steinen, in weitumſchauender Gegend!
Alda wirkte jemand, und ſang am großen Gewebe:
Eine Goͤttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern! 255
Jene kam, und oͤffnete ſchnell die ſtralende Pforte,
Noͤthigte ſie; und alle, die Unbeſonnenen! folgten.
Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Boͤſes!
Aber mit Einmal waren die andern verſchwunden, und keiner
Kehrte zuruͤck; ſolang' ich auch ſaß, und nach ihnen mich umſah! 260

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="192"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Und &#x017F;ie &#x017F;ezte die Ma&#x0364;nner auf pra&#x0364;chtige Seßel und Throne,<lb/>
Mengte geriebenen Ka&#x0364;&#x017F;e mit Mehl und gelblichem Honig<lb/>
Unter pramni&#x017F;chen Wein, und mi&#x017F;chte betho&#x0364;rende Sa&#x0364;fte <note place="right">235</note><lb/>
In das Gericht, damit &#x017F;ie der Heimat ga&#x0364;nzlich verga&#x0364;ßen.<lb/>
Als &#x017F;ie die&#x017F;es empfangen und ausgeleeret, da ru&#x0364;hrte<lb/>
Kirka&#x0364; &#x017F;ie mit der Rute, und &#x017F;perrte &#x017F;ie dann in die Ko&#x0364;fen.<lb/>
Denn &#x017F;ie hatten von Schweinen die Ko&#x0364;pfe, Stimmen und Leiber,<lb/>
Auch die Bor&#x017F;ten; allein ihr Ver&#x017F;tand blieb vo&#x0364;llig, wie vormals. <note place="right">240</note><lb/>
Weinend ließen &#x017F;ie &#x017F;ich ein&#x017F;perren; da &#x017F;chu&#x0364;ttete Kirka&#x0364;<lb/>
Ihnen Eicheln und Buchenma&#x017F;t, und rothe Kornellen<lb/>
Vor, das gewo&#x0364;hnliche Futter der erdaufwu&#x0364;hlenden Schweine.</p><lb/>
        <p>Und Euru&#x0364;lochos kam zu dem &#x017F;chwa&#x0364;rzlichen Schiffe geeilet,<lb/>
Uns das herbe Verha&#x0364;ngniß der u&#x0364;brigen Freunde zu melden. <note place="right">245</note><lb/>
Aber er konnte kein Wort aus&#x017F;prechen, &#x017F;o gern er auch wollte.<lb/>
Denn die ent&#x017F;ezliche Ang&#x017F;t beklemmte &#x017F;ein Herz; die Augen<lb/>
Waren mit Thra&#x0364;nen erfu&#x0364;llt, und Jammer um&#x017F;chwebte die Seele.<lb/>
Lange hatten wir all' ihn voll Er&#x017F;taunen befraget;<lb/>
Endlich hub er an, und erza&#x0364;hlte der Freunde Verderben: <note place="right">250</note></p><lb/>
        <p>Edler Odu&#x0364;ßeus, wir gingen, wie du befahl&#x017F;t, durch die Waldung!<lb/>
Fanden im Thal des Gebirgs die &#x017F;cho&#x0364;ngebauete Wohnung,<lb/>
Von gehauenen Steinen, in weitum&#x017F;chauender Gegend!<lb/>
Alda wirkte jemand, und &#x017F;ang am großen Gewebe:<lb/>
Eine Go&#x0364;ttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern! <note place="right">255</note><lb/>
Jene kam, und o&#x0364;ffnete &#x017F;chnell die &#x017F;tralende Pforte,<lb/>
No&#x0364;thigte &#x017F;ie; und alle, die Unbe&#x017F;onnenen! folgten.<lb/>
Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Bo&#x0364;&#x017F;es!<lb/>
Aber mit Einmal waren die andern ver&#x017F;chwunden, und keiner<lb/>
Kehrte zuru&#x0364;ck; &#x017F;olang' ich auch &#x017F;aß, und nach ihnen mich um&#x017F;ah! <note place="right">260</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0198] Oduͤßee. Und ſie ſezte die Maͤnner auf praͤchtige Seßel und Throne, Mengte geriebenen Kaͤſe mit Mehl und gelblichem Honig Unter pramniſchen Wein, und miſchte bethoͤrende Saͤfte In das Gericht, damit ſie der Heimat gaͤnzlich vergaͤßen. Als ſie dieſes empfangen und ausgeleeret, da ruͤhrte Kirkaͤ ſie mit der Rute, und ſperrte ſie dann in die Koͤfen. Denn ſie hatten von Schweinen die Koͤpfe, Stimmen und Leiber, Auch die Borſten; allein ihr Verſtand blieb voͤllig, wie vormals. Weinend ließen ſie ſich einſperren; da ſchuͤttete Kirkaͤ Ihnen Eicheln und Buchenmaſt, und rothe Kornellen Vor, das gewoͤhnliche Futter der erdaufwuͤhlenden Schweine. 235 240 Und Euruͤlochos kam zu dem ſchwaͤrzlichen Schiffe geeilet, Uns das herbe Verhaͤngniß der uͤbrigen Freunde zu melden. Aber er konnte kein Wort ausſprechen, ſo gern er auch wollte. Denn die entſezliche Angſt beklemmte ſein Herz; die Augen Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele. Lange hatten wir all' ihn voll Erſtaunen befraget; Endlich hub er an, und erzaͤhlte der Freunde Verderben: 245 250 Edler Oduͤßeus, wir gingen, wie du befahlſt, durch die Waldung! Fanden im Thal des Gebirgs die ſchoͤngebauete Wohnung, Von gehauenen Steinen, in weitumſchauender Gegend! Alda wirkte jemand, und ſang am großen Gewebe: Eine Goͤttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern! Jene kam, und oͤffnete ſchnell die ſtralende Pforte, Noͤthigte ſie; und alle, die Unbeſonnenen! folgten. Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Boͤſes! Aber mit Einmal waren die andern verſchwunden, und keiner Kehrte zuruͤck; ſolang' ich auch ſaß, und nach ihnen mich umſah! 255 260

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/198
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/198>, abgerufen am 21.11.2024.