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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Elfter Gesang.
Aber ich blieb dort sizen am Rande der Grube, bis endlich
Meine Mutter kam, des schwarzen Blutes zu trinken.
Und sie erkannte mich gleich, und sprach mit trauriger Stimme:

Lieber Sohn, wie kamst du hinab ins nächtliche Dunkel, 155
Da du noch lebst? Denn schwer wird Lebenden dieses zu schauen.
Große Ströme fließen und furchtbare Fluten dazwischen;
Und vor allen der Strom des Ozeans, welchen zu Fuße
Niemand, sondern allein im rüstigen Schiffe durchwandert.
Schweifst du jezo hieher, nachdem du vom troischen Ufer 160
Mit dem Schiff' und den Freunden so lange geirret? Und kamst du
Noch gen Ithaka nicht, und sahst zu Hause die Gattin?

Also sprach sie; und ich antwortete wieder, und sagte:
Meine Mutter, mich trieb die Noth in Aidäs Wohnung,
Um des thäbaiischen Greises Teiresias Seele zu fragen. 165
Denn noch hab' ich Achaia, noch hab' ich unsere Heimat
Nicht berührt; ich irre noch stets von Leiden zu Leiden,
Seit ich zuerst in dem Heere des göttlichen Agamemnons
Hin gen Ilion zog, zum Kampf mit den Reisigen Troja's.
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit: 170
Welches Schicksal bezwang dich des schlummergebenden Todes?
Zehrte dich Krankheit aus? Oder traf dich die Freundin der Pfeile
Artemis unversehns mit ihrem sanften Geschoße?
Sage mir auch von dem Vater und Sohne, den ich daheim ließ.
Ruht noch meine Würde auf ihnen, oder empfing sie 175
Schon ein anderer Mann; und glaubt man, ich kehre nicht wieder?
Melde mir auch die Gesinnung von meiner Ehegenoßin:
Bleibt sie noch bei dem Sohn, und hält die Güter in Ordnung;
Oder ward sie bereits die Gattin des beßten Achaiers?

Elfter Geſang.
Aber ich blieb dort ſizen am Rande der Grube, bis endlich
Meine Mutter kam, des ſchwarzen Blutes zu trinken.
Und ſie erkannte mich gleich, und ſprach mit trauriger Stimme:

Lieber Sohn, wie kamſt du hinab ins naͤchtliche Dunkel, 155
Da du noch lebſt? Denn ſchwer wird Lebenden dieſes zu ſchauen.
Große Stroͤme fließen und furchtbare Fluten dazwiſchen;
Und vor allen der Strom des Ozeans, welchen zu Fuße
Niemand, ſondern allein im ruͤſtigen Schiffe durchwandert.
Schweifſt du jezo hieher, nachdem du vom troiſchen Ufer 160
Mit dem Schiff' und den Freunden ſo lange geirret? Und kamſt du
Noch gen Ithaka nicht, und ſahſt zu Hauſe die Gattin?

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte:
Meine Mutter, mich trieb die Noth in Aïdaͤs Wohnung,
Um des thaͤbaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. 165
Denn noch hab' ich Achaia, noch hab' ich unſere Heimat
Nicht beruͤhrt; ich irre noch ſtets von Leiden zu Leiden,
Seit ich zuerſt in dem Heere des goͤttlichen Agamemnons
Hin gen Ilion zog, zum Kampf mit den Reiſigen Troja's.
Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: 170
Welches Schickſal bezwang dich des ſchlummergebenden Todes?
Zehrte dich Krankheit aus? Oder traf dich die Freundin der Pfeile
Artemis unverſehns mit ihrem ſanften Geſchoße?
Sage mir auch von dem Vater und Sohne, den ich daheim ließ.
Ruht noch meine Wuͤrde auf ihnen, oder empfing ſie 175
Schon ein anderer Mann; und glaubt man, ich kehre nicht wieder?
Melde mir auch die Geſinnung von meiner Ehegenoßin:
Bleibt ſie noch bei dem Sohn, und haͤlt die Guͤter in Ordnung;
Oder ward ſie bereits die Gattin des beßten Achaiers?

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[211/0217] Elfter Geſang. Aber ich blieb dort ſizen am Rande der Grube, bis endlich Meine Mutter kam, des ſchwarzen Blutes zu trinken. Und ſie erkannte mich gleich, und ſprach mit trauriger Stimme: Lieber Sohn, wie kamſt du hinab ins naͤchtliche Dunkel, Da du noch lebſt? Denn ſchwer wird Lebenden dieſes zu ſchauen. Große Stroͤme fließen und furchtbare Fluten dazwiſchen; Und vor allen der Strom des Ozeans, welchen zu Fuße Niemand, ſondern allein im ruͤſtigen Schiffe durchwandert. Schweifſt du jezo hieher, nachdem du vom troiſchen Ufer Mit dem Schiff' und den Freunden ſo lange geirret? Und kamſt du Noch gen Ithaka nicht, und ſahſt zu Hauſe die Gattin? 155 160 Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Meine Mutter, mich trieb die Noth in Aïdaͤs Wohnung, Um des thaͤbaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. Denn noch hab' ich Achaia, noch hab' ich unſere Heimat Nicht beruͤhrt; ich irre noch ſtets von Leiden zu Leiden, Seit ich zuerſt in dem Heere des goͤttlichen Agamemnons Hin gen Ilion zog, zum Kampf mit den Reiſigen Troja's. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Welches Schickſal bezwang dich des ſchlummergebenden Todes? Zehrte dich Krankheit aus? Oder traf dich die Freundin der Pfeile Artemis unverſehns mit ihrem ſanften Geſchoße? Sage mir auch von dem Vater und Sohne, den ich daheim ließ. Ruht noch meine Wuͤrde auf ihnen, oder empfing ſie Schon ein anderer Mann; und glaubt man, ich kehre nicht wieder? Melde mir auch die Geſinnung von meiner Ehegenoßin: Bleibt ſie noch bei dem Sohn, und haͤlt die Guͤter in Ordnung; Oder ward ſie bereits die Gattin des beßten Achaiers? 165 170 175

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/217>, abgerufen am 23.11.2024.