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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Ist er aber schon todt und in der Schatten Behausung;
Weh mir! wie klag' ich Odüßeus, den Herlichen! der mich als Jüngling
Ueber die Rinder im Lande der Kefallänier sezte! V. 210. 210
Diese werden nun fast unzählbar; schwerlich hat jemand
Eine so frischaufwachsende Zucht breitstirniger Rinder.
Aber mich zwingen Fremde, sie ihnen zum üppigen Mahle
Herzuführen, und achten nicht des Sohnes im Hause,
Zittern auch nicht vor der Rache der Götter; ja ihnen gelüstet 215
Schon, die Güter zu theilen des langabwesenden Königs.
O wie oft hat mein Herz in Verzweifelung diesen Gedanken
Hin und wieder bewegt: Sehr unrecht wär's, da der Sohn lebt,
In ein anderes Land mit den Rindern zu fliehen, und Hülfe
Fremder Leute zu suchen; doch schrecklicher ist es, zu bleiben, 220
Und die Rinder für andre mit innigem Kummer zu hüten.
Und ich wäre schon längst zu einem mächtigen König
Außer dem Lande geflohn; (denn es ist nicht länger zu dulden!)
Aber ich hoffe noch immer, daß mein unglücklicher König
Wiederkomm', und die Schaar der Freier im Hause zerstreue! 225

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus:
Keinem geringen Manne noch thörichten gleichst du, o Kuhirt,
Und ich erkenn' es selber, du denkst vernünftig und edel;
Darum verkünd' ich dir jezt, und betheur' es mit hohem Eidschwur:
Zeus von den Göttern bezeug' es, und diese gastliche Tafel, 230
Und Odüßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe:
Du wirst selber zugegen sein, wann Odüßeus zurückkommt,

V. 210. In dem Theile des festen Landes, der dem kefallänischen Könige
Odüßeus gehörte. Nachmals ward der Name des Reichs Kefallänia auf die In-
sel Samä eingeschränkt.

Oduͤßee.
Iſt er aber ſchon todt und in der Schatten Behauſung;
Weh mir! wie klag' ich Oduͤßeus, den Herlichen! der mich als Juͤngling
Ueber die Rinder im Lande der Kefallaͤnier ſezte! V. 210. 210
Dieſe werden nun faſt unzaͤhlbar; ſchwerlich hat jemand
Eine ſo friſchaufwachſende Zucht breitſtirniger Rinder.
Aber mich zwingen Fremde, ſie ihnen zum uͤppigen Mahle
Herzufuͤhren, und achten nicht des Sohnes im Hauſe,
Zittern auch nicht vor der Rache der Goͤtter; ja ihnen geluͤſtet 215
Schon, die Guͤter zu theilen des langabweſenden Koͤnigs.
O wie oft hat mein Herz in Verzweifelung dieſen Gedanken
Hin und wieder bewegt: Sehr unrecht waͤr's, da der Sohn lebt,
In ein anderes Land mit den Rindern zu fliehen, und Huͤlfe
Fremder Leute zu ſuchen; doch ſchrecklicher iſt es, zu bleiben, 220
Und die Rinder fuͤr andre mit innigem Kummer zu huͤten.
Und ich waͤre ſchon laͤngſt zu einem maͤchtigen Koͤnig
Außer dem Lande geflohn; (denn es iſt nicht laͤnger zu dulden!)
Aber ich hoffe noch immer, daß mein ungluͤcklicher Koͤnig
Wiederkomm', und die Schaar der Freier im Hauſe zerſtreue! 225

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Keinem geringen Manne noch thoͤrichten gleichſt du, o Kuhirt,
Und ich erkenn' es ſelber, du denkſt vernuͤnftig und edel;
Darum verkuͤnd' ich dir jezt, und betheur' es mit hohem Eidſchwur:
Zeus von den Goͤttern bezeug' es, und dieſe gaſtliche Tafel, 230
Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe:
Du wirſt ſelber zugegen ſein, wann Oduͤßeus zuruͤckkommt,

V. 210. In dem Theile des feſten Landes, der dem kefallaͤniſchen Koͤnige
Oduͤßeus gehoͤrte. Nachmals ward der Name des Reichs Kefallaͤnia auf die In-
ſel Samaͤ eingeſchraͤnkt.
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[392/0398] Oduͤßee. Iſt er aber ſchon todt und in der Schatten Behauſung; Weh mir! wie klag' ich Oduͤßeus, den Herlichen! der mich als Juͤngling Ueber die Rinder im Lande der Kefallaͤnier ſezte! V. 210. Dieſe werden nun faſt unzaͤhlbar; ſchwerlich hat jemand Eine ſo friſchaufwachſende Zucht breitſtirniger Rinder. Aber mich zwingen Fremde, ſie ihnen zum uͤppigen Mahle Herzufuͤhren, und achten nicht des Sohnes im Hauſe, Zittern auch nicht vor der Rache der Goͤtter; ja ihnen geluͤſtet Schon, die Guͤter zu theilen des langabweſenden Koͤnigs. O wie oft hat mein Herz in Verzweifelung dieſen Gedanken Hin und wieder bewegt: Sehr unrecht waͤr's, da der Sohn lebt, In ein anderes Land mit den Rindern zu fliehen, und Huͤlfe Fremder Leute zu ſuchen; doch ſchrecklicher iſt es, zu bleiben, Und die Rinder fuͤr andre mit innigem Kummer zu huͤten. Und ich waͤre ſchon laͤngſt zu einem maͤchtigen Koͤnig Außer dem Lande geflohn; (denn es iſt nicht laͤnger zu dulden!) Aber ich hoffe noch immer, daß mein ungluͤcklicher Koͤnig Wiederkomm', und die Schaar der Freier im Hauſe zerſtreue! 210 215 220 225 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Keinem geringen Manne noch thoͤrichten gleichſt du, o Kuhirt, Und ich erkenn' es ſelber, du denkſt vernuͤnftig und edel; Darum verkuͤnd' ich dir jezt, und betheur' es mit hohem Eidſchwur: Zeus von den Goͤttern bezeug' es, und dieſe gaſtliche Tafel, Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe: Du wirſt ſelber zugegen ſein, wann Oduͤßeus zuruͤckkommt, 230 V. 210. In dem Theile des feſten Landes, der dem kefallaͤniſchen Koͤnige Oduͤßeus gehoͤrte. Nachmals ward der Name des Reichs Kefallaͤnia auf die In- ſel Samaͤ eingeſchraͤnkt.

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/398>, abgerufen am 22.11.2024.