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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Zwanzigster Gesang.
Und, so du willst, auch selber mit deinen Augen es ansehn.
Wie er die Freier vertilgt, die hier im Hause gebieten.

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder: 235
Fremdling, erfüllte doch Zeus, was du verkündet! Du solltest
Sehn, was auch meine Kraft und meine Hände vermöchten!

Auch Eumaios flehte zu allen unsterblichen Göttern,
Daß sie dem weisen Odüßeus verstateten wiederzukehren.
Also besprachen diese sich jezo untereinander. 240

Und die Freier beschloßen, Tälemachos heimlich zu tödten.
Aber linksher kam ein unglückdrohender Vogel,
Ein hochfliegender Adler, und hielt die bebende Taube.
Als ihn Amfinomos sahe, da sprach er zu der Versammlung:

Freunde, nimmer gelingt uns dieser heimliche Rathschluß 245
Ueber Tälemachos Tod; wohlauf! und gedenket des Mahles!

Also sprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede.
Und sie gingen ins Haus des göttergleichen Odüßeus,
Legten die Mäntel nieder auf prächtige Seßel und Throne,
Opferten große Schafe zum Mahl, und gemästete Ziegen, 250
Opferten fette Schwein' und eine Kuh von der Weide.
Brieten und reichten umher die Eingeweide; und mischten
Dann des Weines in Kelchen; die Becher vertheilte der Sauhirt;
Und der Männerbeherscher Filötios reichte den Freiern
Brot in zierlichen Körben; Melanthios schenkte den Wein ein: 255
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

Aber Tälemachos hieß, auf Listen sinnend, Odüßeus
Sizen im schöngemauerten Saal, an der steinernen Schwelle,
Neben dem kleinen Tisch, auf einem der schlechteren Stühle.
Und er bracht' ihm ein Theil der Eingeweide, und schenkte 260

Zwanzigſter Geſang.
Und, ſo du willſt, auch ſelber mit deinen Augen es anſehn.
Wie er die Freier vertilgt, die hier im Hauſe gebieten.

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder: 235
Fremdling, erfuͤllte doch Zeus, was du verkuͤndet! Du ſollteſt
Sehn, was auch meine Kraft und meine Haͤnde vermoͤchten!

Auch Eumaios flehte zu allen unſterblichen Goͤttern,
Daß ſie dem weiſen Oduͤßeus verſtateten wiederzukehren.
Alſo beſprachen dieſe ſich jezo untereinander. 240

Und die Freier beſchloßen, Taͤlemachos heimlich zu toͤdten.
Aber linksher kam ein ungluͤckdrohender Vogel,
Ein hochfliegender Adler, und hielt die bebende Taube.
Als ihn Amfinomos ſahe, da ſprach er zu der Verſammlung:

Freunde, nimmer gelingt uns dieſer heimliche Rathſchluß 245
Ueber Taͤlemachos Tod; wohlauf! und gedenket des Mahles!

Alſo ſprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede.
Und ſie gingen ins Haus des goͤttergleichen Oduͤßeus,
Legten die Maͤntel nieder auf praͤchtige Seßel und Throne,
Opferten große Schafe zum Mahl, und gemaͤſtete Ziegen, 250
Opferten fette Schwein' und eine Kuh von der Weide.
Brieten und reichten umher die Eingeweide; und miſchten
Dann des Weines in Kelchen; die Becher vertheilte der Sauhirt;
Und der Maͤnnerbeherſcher Filoͤtios reichte den Freiern
Brot in zierlichen Koͤrben; Melanthios ſchenkte den Wein ein: 255
Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.

Aber Taͤlemachos hieß, auf Liſten ſinnend, Oduͤßeus
Sizen im ſchoͤngemauerten Saal, an der ſteinernen Schwelle,
Neben dem kleinen Tiſch, auf einem der ſchlechteren Stuͤhle.
Und er bracht' ihm ein Theil der Eingeweide, und ſchenkte 260

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[393/0399] Zwanzigſter Geſang. Und, ſo du willſt, auch ſelber mit deinen Augen es anſehn. Wie er die Freier vertilgt, die hier im Hauſe gebieten. Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder: Fremdling, erfuͤllte doch Zeus, was du verkuͤndet! Du ſollteſt Sehn, was auch meine Kraft und meine Haͤnde vermoͤchten! 235 Auch Eumaios flehte zu allen unſterblichen Goͤttern, Daß ſie dem weiſen Oduͤßeus verſtateten wiederzukehren. Alſo beſprachen dieſe ſich jezo untereinander. 240 Und die Freier beſchloßen, Taͤlemachos heimlich zu toͤdten. Aber linksher kam ein ungluͤckdrohender Vogel, Ein hochfliegender Adler, und hielt die bebende Taube. Als ihn Amfinomos ſahe, da ſprach er zu der Verſammlung: Freunde, nimmer gelingt uns dieſer heimliche Rathſchluß Ueber Taͤlemachos Tod; wohlauf! und gedenket des Mahles! 245 Alſo ſprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede. Und ſie gingen ins Haus des goͤttergleichen Oduͤßeus, Legten die Maͤntel nieder auf praͤchtige Seßel und Throne, Opferten große Schafe zum Mahl, und gemaͤſtete Ziegen, Opferten fette Schwein' und eine Kuh von der Weide. Brieten und reichten umher die Eingeweide; und miſchten Dann des Weines in Kelchen; die Becher vertheilte der Sauhirt; Und der Maͤnnerbeherſcher Filoͤtios reichte den Freiern Brot in zierlichen Koͤrben; Melanthios ſchenkte den Wein ein: Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. 250 255 Aber Taͤlemachos hieß, auf Liſten ſinnend, Oduͤßeus Sizen im ſchoͤngemauerten Saal, an der ſteinernen Schwelle, Neben dem kleinen Tiſch, auf einem der ſchlechteren Stuͤhle. Und er bracht' ihm ein Theil der Eingeweide, und ſchenkte 260

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/399>, abgerufen am 22.11.2024.