Im argeiischen Heer! Du wirst ihn kennen; ich selber200 Hab' ihn nimmer gesehn: doch rühmen Antilochos alle, Daß er an Schnelle des Laufs und an Kriegsmut andre besieget.
Ihm antwortete drauf Menelaos der bräunlichgelockte: Lieber, du redest so, wie ein Mann von reifem Verstande Reden und handeln muß, und wär' er auch höheres Alters.205 Denn du redest als Sohn von einem verständigen Vater. Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion Schmückte mit himmlischem Segen bei seiner Geburt und Vermählung. Also krönet er nun auch Nestors Tage mit Wohlfahrt; Denn er freut sich im Hause des stillen behaglichen Alters,210 Und verständiger Söhne, geübt die Lanze zu schwingen. Laßt uns also des Grams und unserer Thränen vergeßen, Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße Unsere Hände mit Waßer! Auch morgen wird Zeit zu Gesprächen Mit Tälemachos sein, uns beiden das Herz zu erleichtern!215
Sprachs, und eilend begoß Asfalion ihnen die Hände, Dieser geschäftige Diener des herlichen Menelaos. Und sie erhoben die Hände zum leckerbereitetem Mahle.
Aber ein Neues ersann die liebliche Tochter Kronions: V. 219. Siehe sie warf in den Wein, wovon sie tranken, ein Mittel220 Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedächtniß. Kostet einer des Weins, mit dieser Würze gemischet; Dann benezet den Tag ihm keine Thräne die Wangen, Wär' ihm auch sein Vater und seine Mutter gestorben, Würde vor ihm sein Bruder, und sein geliebtester Sohn auch225
V. 219. Helena war eine Tochter von Zeus und Leda.
Vierter Geſang.
Im argeiiſchen Heer! Du wirſt ihn kennen; ich ſelber200 Hab' ihn nimmer geſehn: doch ruͤhmen Antilochos alle, Daß er an Schnelle des Laufs und an Kriegsmut andre beſieget.
Ihm antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte: Lieber, du redeſt ſo, wie ein Mann von reifem Verſtande Reden und handeln muß, und waͤr' er auch hoͤheres Alters.205 Denn du redeſt als Sohn von einem verſtaͤndigen Vater. Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion Schmuͤckte mit himmliſchem Segen bei ſeiner Geburt und Vermaͤhlung. Alſo kroͤnet er nun auch Neſtors Tage mit Wohlfahrt; Denn er freut ſich im Hauſe des ſtillen behaglichen Alters,210 Und verſtaͤndiger Soͤhne, geuͤbt die Lanze zu ſchwingen. Laßt uns alſo des Grams und unſerer Thraͤnen vergeßen, Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße Unſere Haͤnde mit Waßer! Auch morgen wird Zeit zu Geſpraͤchen Mit Taͤlemachos ſein, uns beiden das Herz zu erleichtern!215
Sprachs, und eilend begoß Asfalion ihnen die Haͤnde, Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereitetem Mahle.
Aber ein Neues erſann die liebliche Tochter Kronions: V. 219. Siehe ſie warf in den Wein, wovon ſie tranken, ein Mittel220 Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedaͤchtniß. Koſtet einer des Weins, mit dieſer Wuͤrze gemiſchet; Dann benezet den Tag ihm keine Thraͤne die Wangen, Waͤr' ihm auch ſein Vater und ſeine Mutter geſtorben, Wuͤrde vor ihm ſein Bruder, und ſein geliebteſter Sohn auch225
V. 219. Helena war eine Tochter von Zeus und Leda.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="71"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vierter Geſang</hi>.</fw><lb/>
Im argeiiſchen Heer! Du wirſt ihn kennen; ich ſelber<noteplace="right">200</note><lb/>
Hab' ihn nimmer geſehn: doch ruͤhmen Antilochos alle,<lb/>
Daß er an Schnelle des Laufs und an Kriegsmut andre beſieget.</p><lb/><p>Ihm antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte:<lb/>
Lieber, du redeſt ſo, wie ein Mann von reifem Verſtande<lb/>
Reden und handeln muß, und waͤr' er auch hoͤheres Alters.<noteplace="right">205</note><lb/>
Denn du redeſt als Sohn von einem verſtaͤndigen Vater.<lb/>
Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion<lb/>
Schmuͤckte mit himmliſchem Segen bei ſeiner Geburt und Vermaͤhlung.<lb/>
Alſo kroͤnet er nun auch Neſtors Tage mit Wohlfahrt;<lb/>
Denn er freut ſich im Hauſe des ſtillen behaglichen Alters,<noteplace="right">210</note><lb/>
Und verſtaͤndiger Soͤhne, geuͤbt die Lanze zu ſchwingen.<lb/>
Laßt uns alſo des Grams und unſerer Thraͤnen vergeßen,<lb/>
Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße<lb/>
Unſere Haͤnde mit Waßer! Auch morgen wird Zeit zu Geſpraͤchen<lb/>
Mit Taͤlemachos ſein, uns beiden das Herz zu erleichtern!<noteplace="right">215</note></p><lb/><p>Sprachs, und eilend begoß Asfalion ihnen die Haͤnde,<lb/>
Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos.<lb/>
Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereitetem Mahle.</p><lb/><p>Aber ein Neues erſann die liebliche Tochter Kronions: <noteplace="foot"n="V. 219.">Helena war eine Tochter von Zeus und Leda.</note><lb/>
Siehe ſie warf in den Wein, wovon ſie tranken, ein Mittel<noteplace="right">220</note><lb/>
Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedaͤchtniß.<lb/>
Koſtet einer des Weins, mit dieſer Wuͤrze gemiſchet;<lb/>
Dann benezet den Tag ihm keine Thraͤne die Wangen,<lb/>
Waͤr' ihm auch ſein Vater und ſeine Mutter geſtorben,<lb/>
Wuͤrde vor ihm ſein Bruder, und ſein geliebteſter Sohn auch<noteplace="right">225</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[71/0077]
Vierter Geſang.
Im argeiiſchen Heer! Du wirſt ihn kennen; ich ſelber
Hab' ihn nimmer geſehn: doch ruͤhmen Antilochos alle,
Daß er an Schnelle des Laufs und an Kriegsmut andre beſieget.
200
Ihm antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte:
Lieber, du redeſt ſo, wie ein Mann von reifem Verſtande
Reden und handeln muß, und waͤr' er auch hoͤheres Alters.
Denn du redeſt als Sohn von einem verſtaͤndigen Vater.
Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion
Schmuͤckte mit himmliſchem Segen bei ſeiner Geburt und Vermaͤhlung.
Alſo kroͤnet er nun auch Neſtors Tage mit Wohlfahrt;
Denn er freut ſich im Hauſe des ſtillen behaglichen Alters,
Und verſtaͤndiger Soͤhne, geuͤbt die Lanze zu ſchwingen.
Laßt uns alſo des Grams und unſerer Thraͤnen vergeßen,
Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße
Unſere Haͤnde mit Waßer! Auch morgen wird Zeit zu Geſpraͤchen
Mit Taͤlemachos ſein, uns beiden das Herz zu erleichtern!
205
210
215
Sprachs, und eilend begoß Asfalion ihnen die Haͤnde,
Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos.
Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereitetem Mahle.
Aber ein Neues erſann die liebliche Tochter Kronions: V. 219.
Siehe ſie warf in den Wein, wovon ſie tranken, ein Mittel
Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedaͤchtniß.
Koſtet einer des Weins, mit dieſer Wuͤrze gemiſchet;
Dann benezet den Tag ihm keine Thraͤne die Wangen,
Waͤr' ihm auch ſein Vater und ſeine Mutter geſtorben,
Wuͤrde vor ihm ſein Bruder, und ſein geliebteſter Sohn auch
220
225
V. 219. Helena war eine Tochter von Zeus und Leda.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/77>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.