eben auch stimme ich keinesweges in die Re¬ densarten derer mit ein, welche sprechen: "Hätte Albrecht Dürer nur in Rom eine "zeitlang gehauset, und die ächte Schönheit "und das Idealische vom Raphael abgelernt, "so wäre er ein großer Mahler geworden; "man muß ihn bedauern, und sich nur wun¬ "dern, wie er es in seiner Lage noch so weit "gebracht hat." Ich finde hier nichts zu bedauern, sondern freue mich, daß das Schick¬ sal dem deutschen Boden an diesem Manne einen ächt-vaterländischen Mahler gegönnt hat. Er würde nicht er selber geblieben seyn; sein Blut war kein italienisches Blut. Er war für das Idealische und die erhabene Ho¬ heit eines Raphaels nicht gebohren; er hatte daran seine Lust, uns die Menschen zu zei¬ gen, wie sie um ihn herum wirklich waren, und es ist ihm gar trefflich gelungen.
Dennoch aber fiel es mir, als ich in mei¬
eben auch ſtimme ich keinesweges in die Re¬ densarten derer mit ein, welche ſprechen: »Hätte Albrecht Dürer nur in Rom eine »zeitlang gehauſet, und die ächte Schönheit »und das Idealiſche vom Raphael abgelernt, »ſo wäre er ein großer Mahler geworden; »man muß ihn bedauern, und ſich nur wun¬ »dern, wie er es in ſeiner Lage noch ſo weit »gebracht hat.« Ich finde hier nichts zu bedauern, ſondern freue mich, daß das Schick¬ ſal dem deutſchen Boden an dieſem Manne einen ächt-vaterländiſchen Mahler gegönnt hat. Er würde nicht er ſelber geblieben ſeyn; ſein Blut war kein italieniſches Blut. Er war für das Idealiſche und die erhabene Ho¬ heit eines Raphaels nicht gebohren; er hatte daran ſeine Luſt, uns die Menſchen zu zei¬ gen, wie ſie um ihn herum wirklich waren, und es iſt ihm gar trefflich gelungen.
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eben auch ſtimme ich keinesweges in die Re¬
densarten derer mit ein, welche ſprechen:
»Hätte Albrecht Dürer nur in Rom eine
»zeitlang gehauſet, und die ächte Schönheit
»und das Idealiſche vom Raphael abgelernt,
»ſo wäre er ein großer Mahler geworden;
»man muß ihn bedauern, und ſich nur wun¬
»dern, wie er es in ſeiner Lage noch ſo weit
»gebracht hat.« Ich finde hier nichts zu
bedauern, ſondern freue mich, daß das Schick¬
ſal dem deutſchen Boden an dieſem Manne
einen ächt-vaterländiſchen Mahler gegönnt
hat. Er würde nicht er ſelber geblieben ſeyn;
ſein Blut war kein italieniſches Blut. Er
war für das Idealiſche und die erhabene Ho¬
heit eines Raphaels nicht gebohren; er hatte
daran ſeine Luſt, uns die Menſchen zu zei¬
gen, wie ſie um ihn herum wirklich waren,
und es iſt ihm gar trefflich gelungen.
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/132>, abgerufen am 21.11.2024.
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