eigentlich anfangs nur um meine Geliebte dort unter der betenden Menge wieder zu sehen, und mich an ihrer himmlischen An¬ dacht zu bessern. Der herrliche Tempel, die wimmelnde Menge Volks, die nach und nach hereindrang, und mich immer enger umgab, die glänzenden Vorbereitungen, das alles stimmte mein Gemüth zu einer wunderbaren Auf¬ merksamkeit. Mir war sehr feyerlich zu Mu¬ the, und wenn ich auch, wie es einem bey solchem Getümmel zu gehen pflegt, nichts deutlich und hell dachte, so wühlte es doch auf eine so seltsame Art in meinem Innern, als wenn auch in mir selber etwas Besonde¬ res vorgehen sollte. Auf einmal ward alles stiller, und über uns hub die allmächtige Musik, in langsamen, vollen, gedehnten Zü¬ gen an, als wenn ein unsichtbarer Wind über unsern Häuptern wehte: sie wälzte sich in immer größeren Wogen fort, wie ein
eigentlich anfangs nur um meine Geliebte dort unter der betenden Menge wieder zu ſehen, und mich an ihrer himmliſchen An¬ dacht zu beſſern. Der herrliche Tempel, die wimmelnde Menge Volks, die nach und nach hereindrang, und mich immer enger umgab, die glänzenden Vorbereitungen, das alles ſtimmte mein Gemüth zu einer wunderbaren Auf¬ merkſamkeit. Mir war ſehr feyerlich zu Mu¬ the, und wenn ich auch, wie es einem bey ſolchem Getümmel zu gehen pflegt, nichts deutlich und hell dachte, ſo wühlte es doch auf eine ſo ſeltſame Art in meinem Innern, als wenn auch in mir ſelber etwas Beſonde¬ res vorgehen ſollte. Auf einmal ward alles ſtiller, und über uns hub die allmächtige Muſik, in langſamen, vollen, gedehnten Zü¬ gen an, als wenn ein unſichtbarer Wind über unſern Häuptern wehte: ſie wälzte ſich in immer größeren Wogen fort, wie ein
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eigentlich anfangs nur um meine Geliebte
dort unter der betenden Menge wieder zu
ſehen, und mich an ihrer himmliſchen An¬
dacht zu beſſern. Der herrliche Tempel, die
wimmelnde Menge Volks, die nach und nach
hereindrang, und mich immer enger umgab, die
glänzenden Vorbereitungen, das alles ſtimmte
mein Gemüth zu einer wunderbaren Auf¬
merkſamkeit. Mir war ſehr feyerlich zu Mu¬
the, und wenn ich auch, wie es einem bey
ſolchem Getümmel zu gehen pflegt, nichts
deutlich und hell dachte, ſo wühlte es doch
auf eine ſo ſeltſame Art in meinem Innern,
als wenn auch in mir ſelber etwas Beſonde¬
res vorgehen ſollte. Auf einmal ward alles
ſtiller, und über uns hub die allmächtige
Muſik, in langſamen, vollen, gedehnten Zü¬
gen an, als wenn ein unſichtbarer Wind
über unſern Häuptern wehte: ſie wälzte ſich
in immer größeren Wogen fort, wie ein
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/195>, abgerufen am 27.11.2024.
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