um es mir genau aufzubewahren, will ich hier einen wunderbaren Vorfall aufzeichnen, welchen der theure Raphael, mein Freund, mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraut hat. Als ich ihm vor einiger Zeit meine Bewunderung wegen seiner über alles schön gemahlten Madonnen und heiligen Fa¬ milien aus vollem Herzen zu erkennen gab, und mit recht vielen Bitten in ihn drang, mir doch zu sagen, von woher er denn in aller Welt die unvergleichliche Schönheit, die rührenden Mienen und den unübertreff¬ lichen Ausdruck in seinen Bildern der hei¬ ligen Jungfrau entlehnt habe; so ward er, nachdem er mich eine Zeitlang mit seiner, ihm eigenen, jünglinghaften Schaamhaftig¬ keit und Verschlossenheit hingehalten hatte, endlich sehr bewegt, fiel mir mit Thränen um den Hals, und entdeckte mir sein Ge¬ heimniß. Er erzählte mir, wie er von sei¬
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um es mir genau aufzubewahren, will ich hier einen wunderbaren Vorfall aufzeichnen, welchen der theure Raphael, mein Freund, mir unter dem Siegel der Verſchwiegenheit vertraut hat. Als ich ihm vor einiger Zeit meine Bewunderung wegen ſeiner über alles ſchön gemahlten Madonnen und heiligen Fa¬ milien aus vollem Herzen zu erkennen gab, und mit recht vielen Bitten in ihn drang, mir doch zu ſagen, von woher er denn in aller Welt die unvergleichliche Schönheit, die rührenden Mienen und den unübertreff¬ lichen Ausdruck in ſeinen Bildern der hei¬ ligen Jungfrau entlehnt habe; ſo ward er, nachdem er mich eine Zeitlang mit ſeiner, ihm eigenen, jünglinghaften Schaamhaftig¬ keit und Verſchloſſenheit hingehalten hatte, endlich ſehr bewegt, fiel mir mit Thränen um den Hals, und entdeckte mir ſein Ge¬ heimniß. Er erzählte mir, wie er von ſei¬
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[17/0025]
um es mir genau aufzubewahren, will ich
hier einen wunderbaren Vorfall aufzeichnen,
welchen der theure Raphael, mein Freund,
mir unter dem Siegel der Verſchwiegenheit
vertraut hat. Als ich ihm vor einiger Zeit
meine Bewunderung wegen ſeiner über alles
ſchön gemahlten Madonnen und heiligen Fa¬
milien aus vollem Herzen zu erkennen gab,
und mit recht vielen Bitten in ihn drang,
mir doch zu ſagen, von woher er denn in
aller Welt die unvergleichliche Schönheit,
die rührenden Mienen und den unübertreff¬
lichen Ausdruck in ſeinen Bildern der hei¬
ligen Jungfrau entlehnt habe; ſo ward er,
nachdem er mich eine Zeitlang mit ſeiner,
ihm eigenen, jünglinghaften Schaamhaftig¬
keit und Verſchloſſenheit hingehalten hatte,
endlich ſehr bewegt, fiel mir mit Thränen
um den Hals, und entdeckte mir ſein Ge¬
heimniß. Er erzählte mir, wie er von ſei¬
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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