ner zarten Kindheit an, immer ein besondres heiliges Gefühl für die Mutter Gottes in sich getragen habe, so daß ihm zuweilen schon beym lauten Aussprechen ihres Na¬ mens ganz wehmüthig zu Muthe geworden sey. Nachher, da sein Sinn sich auf das Mahlen gerichtet habe, sey es immer sein höchster Wunsch gewesen, die Jungfrau Ma¬ ria recht in ihrer himmlischen Vollkommen¬ heit zu mahlen; aber er habe es sich noch immer nicht getraut. In Gedanken habe sein Gemüth beständig an ihrem Bilde, Tag und Nacht, gearbeitet; allein er habe es sich gar nicht zu seiner Befriedigung vollenden können; es sey ihm immer gewesen, als wenn seine Phantasie im Finstern arbeitete. Und doch wäre es zuweilen wie ein himmlischer Lichtstrahl in seine Seele gefallen, so daß er die Bildung in hellen Zügen, wie er sie ge¬ wollt, vor sich gesehen hätte; und doch wäre
ner zarten Kindheit an, immer ein beſondres heiliges Gefühl für die Mutter Gottes in ſich getragen habe, ſo daß ihm zuweilen ſchon beym lauten Ausſprechen ihres Na¬ mens ganz wehmüthig zu Muthe geworden ſey. Nachher, da ſein Sinn ſich auf das Mahlen gerichtet habe, ſey es immer ſein höchſter Wunſch geweſen, die Jungfrau Ma¬ ria recht in ihrer himmliſchen Vollkommen¬ heit zu mahlen; aber er habe es ſich noch immer nicht getraut. In Gedanken habe ſein Gemüth beſtändig an ihrem Bilde, Tag und Nacht, gearbeitet; allein er habe es ſich gar nicht zu ſeiner Befriedigung vollenden können; es ſey ihm immer geweſen, als wenn ſeine Phantaſie im Finſtern arbeitete. Und doch wäre es zuweilen wie ein himmliſcher Lichtſtrahl in ſeine Seele gefallen, ſo daß er die Bildung in hellen Zügen, wie er ſie ge¬ wollt, vor ſich geſehen hätte; und doch wäre
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0026"n="18"/>
ner zarten Kindheit an, immer ein beſondres<lb/>
heiliges Gefühl für die Mutter Gottes in<lb/>ſich getragen habe, ſo daß ihm zuweilen<lb/>ſchon beym lauten Ausſprechen ihres Na¬<lb/>
mens ganz wehmüthig zu Muthe geworden<lb/>ſey. Nachher, da ſein Sinn ſich auf das<lb/>
Mahlen gerichtet habe, ſey es immer ſein<lb/>
höchſter Wunſch geweſen, die Jungfrau Ma¬<lb/>
ria recht in ihrer himmliſchen Vollkommen¬<lb/>
heit zu mahlen; aber er habe es ſich noch<lb/>
immer nicht getraut. In Gedanken habe<lb/>ſein Gemüth beſtändig an ihrem Bilde, Tag<lb/>
und Nacht, gearbeitet; allein er habe es ſich<lb/>
gar nicht zu ſeiner Befriedigung vollenden<lb/>
können; es ſey ihm immer geweſen, als wenn<lb/>ſeine Phantaſie im Finſtern arbeitete. Und<lb/>
doch wäre es zuweilen wie ein himmliſcher<lb/>
Lichtſtrahl in ſeine Seele gefallen, ſo daß er<lb/>
die Bildung in hellen Zügen, wie er ſie ge¬<lb/>
wollt, vor ſich geſehen hätte; und doch wäre<lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0026]
ner zarten Kindheit an, immer ein beſondres
heiliges Gefühl für die Mutter Gottes in
ſich getragen habe, ſo daß ihm zuweilen
ſchon beym lauten Ausſprechen ihres Na¬
mens ganz wehmüthig zu Muthe geworden
ſey. Nachher, da ſein Sinn ſich auf das
Mahlen gerichtet habe, ſey es immer ſein
höchſter Wunſch geweſen, die Jungfrau Ma¬
ria recht in ihrer himmliſchen Vollkommen¬
heit zu mahlen; aber er habe es ſich noch
immer nicht getraut. In Gedanken habe
ſein Gemüth beſtändig an ihrem Bilde, Tag
und Nacht, gearbeitet; allein er habe es ſich
gar nicht zu ſeiner Befriedigung vollenden
können; es ſey ihm immer geweſen, als wenn
ſeine Phantaſie im Finſtern arbeitete. Und
doch wäre es zuweilen wie ein himmliſcher
Lichtſtrahl in ſeine Seele gefallen, ſo daß er
die Bildung in hellen Zügen, wie er ſie ge¬
wollt, vor ſich geſehen hätte; und doch wäre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/26>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.